Rio

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  1. September 2017 Rio de Janeiro

 

Nach sechs vollen Tagen auf dem Atlantik, an denen ich nicht müde werde, das reine und intensive Blau des Ozeans zu beobachten, geht nun alles Schlag auf Schlag. Am 3.9. laufen wir im Hafen von Vitoria ein und machen abends unseren ersten Landgang an den Strand der Schwesterstadt Vila Velha. Die Brasilianer, die uns begegnen, sind ausnahmslos nett und aufgeschlossen, und freuen sich über uns Ausländer.?! An jeder Straßenecke gäbe es Gelegenheiten, ein Gespräch anzufangen, wenn ich denn nur mal in das Brasilianisch-Buch geschaut hätte anstatt das Ozeanblau zu bewundern… Am Folgetag „erlaufen“ wir uns die hafennahen Stadtteile von Vitoria und Vila Velha. Wie anzunehmen nicht die reichsten Stadtviertel. Aber der Kindergarten ist hübsch in Form eines Schlosses gebaut, frisch gestrichen und von einem heimeligen grünen Garten umgeben – für die Kinder legt man das Beste zusammen, das man aufbringen kann. Die Obst- und Gemüseläden sehen verheißungsvoll aus, und neben einer Werkstatt finden wir unsere Reifengröße, sodass wir sicher sein können, dass auch unser Hano sich hier wohlfühlen wird. Und auch hier begegnet man uns Gringos offen und warmherzig. Was für ein gelungener Einstieg in diesen fremden Kontinent!

Wer mich kennt, weiß, dass ich eine bekennende Großstadt-Flieherin und Vermeiderin geführter Touren bin. Als wir am 5.9. mittags am Zuckerhut vorbei nach Rio de Janeiro einlaufen, bin ich zutiefst beeindruckt von dem Anblick der grünen, hügeligen Stadt, hingegen bin ich skeptisch, ob ich eine geführte Stadtrundfahrt mitmachen werde, wenn sie denn zustande kommt. Sie kommt zustande, ich gehe mit und bin völlig begeistert – von einer Großstadt! Unser Fahrer hat eine abwechslungsreiche Mischung zusammengestellt: Olympiastadion, Samba-Museum, Sambodrome (der Platz, von dem aus der Karneval startet), verschiedene Aussichtspunkte. Dadurch, dass Rio auf weit mehr als sieben Hügeln erbaut ist, und im Stadtgebiet über 40 Quadratkilometer Urwald beherbergt, hat man gar nicht den Eindruck einer Großstadt mit 7 Millionen Einwohnern allein im zentralen Stadtgebiet, sondern vielmehr von unzähligen kleinen Orten, die wahlweise in der Ebene, auf einem Hang, auf einer Anhöhe usw. erbaut sind, von denen jeder eine überschaubare Größe und ein eigenes Flair hat. Überall in dieser Metropole herrscht geschäftiges Treiben und eine der Kommunikationsfreudigkeit entsprechende Lautstärke. Auf dem Corcovado jedoch, rund um die 30 Meter hohe Christusstatue mit den ausgebreiteten Armen, herrscht eine andächtige Ruhe. Keine erzwungene, unnatürliche oder geheuchelte Stille. Nein, all die vielen Besucher unterhalten sich in unzähligen Sprachen, zeigen sich den Zuckerhut oder sonstige Plätze, die sie von oben wieder erkennen, lassen die Höhepunkte des Tages Revue passieren – und doch geschieht das alles ganz ruhig. Ob diese Ruhe der mächtigen Statue, dem atemberaubenden Ausblick oder der faszinierenden Lichtstimmung bei und nach Sonnenuntergang geschuldet ist, sei dahingestellt, aber es ist wahrlich ein Ort der Kontemplation und des Friedens inmitten dieser betriebsamen Stadt. Danach ein schöner Spaziergang (endlich Bewegung!) entlang der Copacabana. Wir schlendern gemächlich, während die brasilianische Jugend bei Flutlicht auf unzähligen kleinen abgesteckten Arealen an dem langen Strand ihre Fußball-, Volleyball- und sonstigen sportlichen Fähigkeiten unter Beweis stellt. Und weiter geht es zu ausgewählten Plätzen der Altstadt. Der heimeligste Ort ist für mich die Escadaria Selarón, das Werk eines chilenischen Künstlers, der die 215 Stufen dieser Treppe über 20 Jahre hinweg mit Kacheln aus aller Welt dekoriert hat, die Besucher ihm gebracht oder geschickt haben. Was für eine faszinierende Stadt!

Und während ich (ausnahmsweise mal) froh bin, dass wir herumkutschiert werden, bedauert es Torsten, dass er nicht noch eine kleine Spritztour mit dem Hano durch die betriebsamen steilen engen Gässchen machen kann…

 


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