Tiras-Berge: Zaunlos glücklich 16.-19.11.2021

Tiras-Berge: Zaunlos glücklich 16.-19.11.2021

Namibia ist für viele Reisende der Inbegriff von Weite und Freiheit. Wie viele Weideländer ist auch hier die Landschaft (genauso wie Südafrika) fast komplett eingezäunt. man fährt also als Zaungast durch spektakuläre Landschaften – und die kleinen Pisten, von denen man einen schönen Blick auf die umliegenden Berge bekommen könnte, liegen meistens hinter dem Zaun. Auf den ersten Blick (und immer mal wieder zwischendurch) wirkt das auf uns beklemmend. Es gibt aber einen ganz einfachen Trick: Man muss hinter den Zaun kommen. Das geht entweder in den Nationalparks (deren Besuch wir stets so kurz wie möglich halten) oder auf Farmen mit einem Campingplatz (wo wir bisher jedes Mal länger geblieben sind als geplant). Dann bist du rechtmäßig hinter dem Zaun, und nach wenigen Kilometern siehst du ihn nicht mehr. Jeder Farmbesitzer ist hier automatisch auch Bergbesitzer, und wenn du dir eine schön gelegene Gästefarm aussuchst, kannst du dich ganz frei bewegen, denn die meisten Farmen sind so groß, dass man den Besitz kaum an einem Tag durchwandern kann. Du kannst nach Herzenslust querfeldein laufen, bisweilen gibt es auch markierte Wanderpfade auf die Berge hinauf, damit die Besucher nicht allzu oft vor einer Steilkante stehen. Auf diesen Plätzen hast du auch eine gute Chance, ruhige naturverbundene Mitcamper zu haben – oder gar ganz allein zu stehen. Hier finden wir die Einsamkeit, die es in den Nationalparks logischerweise nicht gibt.

Unser erster Farm-Camping war in den Tiras-Bergen: Die Rezeption lag 12 km von der Piste (und den Zäunen) entfernt, der Campingplatz nochmal 3 km weiter, auf einer Seite von sanften Hügeln umsäumt, auf die man klettern kann, und nach drei Seiten hin schweift dein Blick über eine weite Ebene. Rundherum Berge, mehrere trockene Flusstäler. Kleine Gruppen von Oryxantilopen, Springböcken und Pferden tummeln sich in der Weite. Wir wandern über die Ebene und wandern und wandern – und die gegenüberliegenden Berge wollen nicht näher kommen. Einerseits verschätzt man sich hier durch die klare Sicht gewaltig in den Entfernungen – die Berge wirken viel näher als sie tatsächlich sind. Andererseits ist das Marschtempo querfeldein natürlich viel langsamer – man geht ja vorsichtig, um keine Pflanzen zu zertreten; muss ständig vor und zurück schauen, um eine günstige Route zu suchen; stapft vorsichtig durch sandige oder geröllige Trockenflüsse – und bleibt natürlich ganz oft stehen, um irgendein Tier, ein Blümchen, hunderte Jahre alte Bäume, Gesteine oder sonstige Naturwunder zu betrachten und zu fotografieren.

Ich hatte ja schon die Oryxe erwähnt. Eine wunderschöne kräftige Antilopenart mit über 80 cm langen Hörnern. Es ist Ende der Trockenzeit, das Gras ist schon komplett abgeweidet, also müssen sie die kleinen Blättchen von den dornigen Bäumen essen, bis der Regen einsetzt. Während Giraffen die Blätter durch die Dornen hindurch ganz rigoros mit ihrer langen akrobatischen Zunge herausschlecken, essen Oryxe vorsichtig mit ihren Lippen. Damit es nicht piekst, wird der Baum zunächst mit den Hörnern durch kräftiges Reiben an den Ästen entdornt, und erst dann sammeln die Lippen vorsichtig die Blätter. Schöne herrliche muskulöse Tiere. Als wir sie so betrachten und näher kennen lernen, kommen uns Zweifel, ob wir denn wohl daran getan haben, als uns die nette Farmerin zartestes Oryx-Fleisch angeboten hat – und wir zugeschlagen haben. Naja, das Fleisch liegt schon bei uns im Kühlschrank, da wird kein Oryx mehr draus, also hat es keinen Sinn, jetzt noch zu zweifeln.

Als wir von der Wanderung zurückkehren, knurrt der Magen gewaltig – also wird der Kochtopf klar gemacht, und mit vielen leckeren Zutaten entsteht ein wunderbares Gulasch aus dem zartesten und schmackhaftesten Fleisch, das wir je gegessen haben. Beim Kochen in der freien Natur gibt es ja immer Futterneider. Bisher waren die Vögel Nummer Eins gewesen, allen voran die frechen Webervögel, die noch dreister als jeder Spatz in alle Töpfe, Pfannen und Teller schauen. Die allseits gefürchteten Paviane haben wir durch Vorsicht und bestimmtes Auftreten immer auf Distanz halten können. Aber diesmal kamen pflanzenfressende Tiere, denen wir fälschlicherweise kein Interesse an Gulasch zugetraut hatten, daher haben wir sie erst zu spät ernsthaft vertrieben. Wer wissen will, welche Tiere das waren und wie unschuldig sie taten, um sich an den Kochtopf heranzuschleichen kann hier nachsehen:

https://youtu.be/eNOi3CUKZSY

Nach dem Essen beim Lagerfeuer geht die Sonne über der Ebene unter, auf den Bergen gegenüber geht der Vollmond auf, während der Dämmerung geckert aus jedem Busch ein Gecko, nachts ist es wunderbar still, bis die Geckos in der ersten Morgendämmerung wieder aktiv werden. Wer würde nun noch daran zweifeln, dass die Farm-Campings unser absoluter Favorit sind?


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