Spitzkoppe – Mystische Felslandschaft und Wanderparadies 01.-04.12.2021
Weder die Reiseführer noch der geologische Führer von Namibia hatten uns auf die ergreifenden Landschaften und mystischen Plätze im Bereich der Spitzkoppe vorbereitet.
Von Hentjes Bay an der Atlantikküste fuhren wir 100 km Piste nach Westen. Während der gesamten Fahrt sahen wir die vorgelagerte Kleine Spitzkoppe. 100 km Sichtweite – unfassbar! Während der Fahrt durch topfebenes Gelände stieg die Ebene von Meereshöhe auf 1.000 Höhenmeter an. Das Gelände war durchweg flach, kaum ein Hügel zu sehen, nur die Kleine Spitzkoppe am Horizont, die kaum näher kam, deren Farben aber beinahe unmerklich immer intensiver wurden. Nach anderthalb Stunden waren wir dann da. Unser Navigationsgerät wusste es mal wieder besser und leitete uns auf einer grausamen Piste einmal um die Große Spitzkoppe herum, bis wir endlich den Eingang zum Campingplatz fanden. Eine Plage für Kathrina, aber so konnten wir den zentralen Berg von allen Seiten bestaunen. Sie ist 1.728 m hoch, ein Inselberg aus Granit, der seine Umgebung um 700 Meter überragt. Das allein macht sie aber nicht so beeindruckend. Uns begeistern mehrere Aspekte dieser traumhaften Landschaft:
Während Namibia viele langgestreckte Bergrücken (oder Dünen) hat, die sich scheinbar endlos an der Straße entlangziehen und uns durch die ewige Wiederholung ziemlich uncharismatisch scheinen, weil sie keinen Anfang und kein Ende zu haben scheinen, sind die Berge rund um die Spitzkoppe ein definiertes Gebiet wohlgeformter Erhebungen in einer unendlich scheinenden Umgebung.
Die vielen riesigen Steinblöcke aus grobkörnigen Granit, die sich im gesamten Gebiet der Spitzkoppe finden, erinnern uns an unsere heißgeliebten Felsen in der Bretagne. Sie liegen zwar noch dort, wo die Erosion sie hat vom Berg herabstürzen lassen, und keine Druiden haben sie kilometerweit transportiert und als Hinkelsteine aufgerichtet, aber sie verströmen dieselbe Magie und Kraft.
Der Campingplatz ist die Wucht: Die Hälfte des Spitzkoppe-Gebiets ist Campingplatz (die andere Hälfte beheimatet Ferienhäuser), und die einzelnen Plätze sind weit voneinander entfernt. Infrastruktur: Plumpsklo, Mülleimer und Feuerstelle; fließend Wasser gibt es an der Rezeption, die einige Kilometer entfernt liegt. Wir haben glücklicherweise immer alles dabei und vermissen daher nichts bei dieser Luxusausstattung. Wir suchen uns einen windigen Platz, da die Tagestemperaturen über 35°C liegen und kein Baumschatten für Kathrina vorhanden ist. Nach Norden hin wird unser Platz von den glatten Felsen des Pontok-Berges begrenzt, welche die Wärme des Tages noch zwei Stunden nach Sonnenuntergang spüren lassen, nach Westen hin haben wir einen phantastischen Ausblick auf die Spitzkoppe, nach Süden und Osten in zwei Täler, die von interessanten Hügeln gesäumt sind. Unser Platz liegt so weit von der Fahrstraße weg, dass uns kaum Motorgeräusche und vor allem nicht der Staub der vorbeifahrenden Fahrzeuge erreichen.
Wir bleiben vier Nächte und erwandern uns alle drei Täler – an jedem Tag eines. Die großartige Landschaft haben wir beinahe für uns alleine, denn die meisten Touristen bleiben nur eine Nacht, haben wegen ihres strammen Zeitplans keine Zeit zum Wandern, und fahren daher staubaufwirbelnderweise die Pisten mit ab, mit kurzen Fotostopps, bei denen sie die Pisten nur wenige Meter verlassen. Je konsequenter wir querfeldein wandern, desto ruhiger und staubfreier ist es – das kommt uns ja völlig entgegen! Auf flachen Berghängen kraxeln wir auch über die Felsen, entdecken verwunschene Höhlen, in denen sich Bäume eingenistet haben, sehen Klippspringer und Klippschliefer über die Felsen tollen. Einige Agamen mit schwarzem Körper sowie rotorangefarbenem Kopf und Schwanz huschen über die Felsen, große graue Eidechsen mit grünschillerndem Kopf huschen hinterher. Als wir uns in einer weiten Ebene einem erstaunlich grünen Busch nähern, trollt sich ein Schakal.
Im Umfeld von Kathrina finden sich nach und nach immer mehr Vögel ein. Am ersten Tag kommen eher die neugierigen, die an Camper gewohnt sind und gern was erben wollen. Doch die meisten Vögel hier sind wohl Insektenfresser – unsere heruntergefallenen Kartoffelschalen oder Tomatenstrünke interessieren sie gar nicht. Ab Tag 2 bleiben nur noch die Vögel übrig, die Interesse an dem spannenden Mittags- und Vorabendprogramm haben (zu deutsch: uns neugierig aber unaufdringlich beim Kochen zusehen, und sich – wenn wir dann essen – Käfer, Spinnen usw. aus den Bäumen suchen), ab Tag 3 werden wir offensichtlich nicht mehr als Eindringlinge angesehen, sondern komplett eingemeindet.
Ein herrliches Naturgefühl. Wir haben sogar einige stachellose Bäume an unserem Platz (haben aber leider weder ein Pflanzenbestimmungsbuch noch Internet), das ist eine wohltuende Abwechslung zu den 27 Akazienarten, von denen viele – wie die berühmte Schirmakazie – sogar zwei Dornen pro Blattachsel haben. Wir haben also einige Bäume, die man streicheln kann, und deren warmer Stamm ebenso viel Energie abstrahlt wie der Granit.
Gestern hatten wir sogar dräuende Wolken über dem sonst fast immer wolkenlosen Himmel, und heute früh um 2:00 Uhr hat es einige Tropfen geregnet. Eigentlich hätte im November bereits die Regenzeit beginnen sollen. Wir wünschen den trockenen Gräsern, Sträuchern und Bäumen wirklich viel Regen von Herzen, sind aber über unser bisheriges Sonnenwetter auch nicht böse…
Eine heimelige Gegend, die früher periodisch von den San (Buschleuten) heimgesucht wurde: Die Höhlen boten Schutz vor der Sonnenhitze, nach der Regenzeit waren die vielen natürlichen Becken lange Zeit mit Regenwasser gefüllt, und die Ebenen fruchtbar und tierreich. In einigen Höhlen finden sich noch 1.500 bis 6.000 Jahre alte Zeichnungen von ihnen, auf den exponierten Felsen sind sie bereits größtenteils verblichen. Die üblichen Motive: Ein Schamane, der eine Schlange in die Flucht schlägt; ein Spitzmaul-Nashorn (die sind nämlich ortstreu und führen einen zu ihren Wasserlöchern); Jagd- und Tanzszenen sowie ein Löwe als „Nimm dich in Acht“-Botschaft für nachfolgende Gruppen. Welch heiliger Ort!
Bald wird sich die Tageshitze legen, unsere letzte Abendkraxelei auf die Flanke des Pontok-Berges steht bevor, und morgen werden wir schweren Herzens diesen wunderbaren Platz verlassen.