Monat: Januar 2022

Zambia: Gibt es schlimmere Straßen als die M10 von Katima nach Kazungula? 10.1.2022

Zambia: Gibt es schlimmere Straßen als die M10 von Katima nach Kazungula? 10.1.2022

Bewusst haben wir uns für die Einreise nach Zambia in Katima Mulilo entschieden, da dieser Grenzübergang ruhig, wenig befahren und nicht mit einem Transit durch Botswana verbunden ist. Wenig befahren – das liegt am Zustand der M10, der Verbindungsstraße von Katima nach Kazungula. Viele hatten uns gewarnt, aber dazu später.

Die Ausreise aus Namibia lief fast glatt, hätten wir nicht noch eine Straßen-Maut nachzuzahlen gehabt. Danach dann weiter zum Zoll auf sambischer Seite. Durch die 500 m Niemandsland fahren wir mit einer Traube von Geldwechslern, die alle neben Kathrina herjoggen und Geldbündel schwenken. Wir sind stur und gehen erst mal zum offiziellen Gebäude. Geld wird erst gewechselt, wenn wir die Landeswährung wirklich benötigen. Der Einreiseprozess startet mit dem Gesundheitscheck. Unseren PCR-Test legen wir vor, unsere Körpertemperatur wird gemessen, ein Formular ist auszufüllen. Dann zur Immigration: Wir kaufen ein Visum, das uns berechtigt, zweimal nach Sambia einzureisen. US-Dollar werden akzeptiert. Alles ganz easy, allerdings nur für 30 Tage. Der Zollbeamte erklärt uns, dass wir in jeder Stadt auf 90 Tage verlängern können. Das kostet garantiert wieder … Aber nun kommt Kathrina dran: Das Carnet de Passages (unsere Zollpapiere für Afrika) muss gestempelt werden, damit Kathrina einreisen darf. Das geht, tja, im nächsten Gebäude, wo wir zurückgeschickt werden, usw. Hier erspare ich die weiter Schilderung im Detail, erinnert das Prozedere stark an den Passierschein A38 aus dem Film „Asterix erobert Rom“. Nun müssen wir noch eine Carbon Tax entrichten. Zwei Gebäude weiter finden wir den Schalter. Allerdings müssen wir in der Landeswährung bezahlen. Es regnet in Strömen. Also zu den Geldwechslern, einen Geldautomaten gibt es nicht(!). Etwas verhandelt, was den Kurs verbessert. Dann Carbon Tax zahlen. Als nächstes ist noch die Road Tax fällig. Diese jedoch ist wieder in US-Dollar zu entrichten, der Preis ist für Europäer besonders teuer. Nun fehlt noch der Councel Levy. Keine Ahnung, was das ist, aber drei Gebäude weiter (es schüttet aus allen Kübeln) kann man den Schein käuflich erwerben (wiederum in Landeswährung…). Alles erledigt? Also los. Kaum hinter dem Steuer, umringt uns eine Traube von hilfsbereiten Männern, die uns nochmal Geld wechseln wollen, und eine aufgeregte Frau, die sich als Zoll-Beamtin herausstellt. Wir bräuchten noch eine Kfz-Versicherung. Für uns kein Problem, wir haben eine, gültig in ganz Afrika. Deutsche Versicherung. Die werde nicht akzeptiert. Also was tun? Da wir lästige Schikanen bei Polizeikontrollen scheuen, erwerben wir also eine Versicherung (wiederum in Landeswährung). Drei Damen sind dafür nötig: Die Erste nimmt die Personalien auf, die Zweite gibt die Daten in einen PC ein und druckt eine Police aus, die Dritte schneidet mit einer Schere eine Plakette aus der Police aus. Die Reste der Police (also ein A4-Blatt mit großem Loch) sowie die runde Plakette werden mit ausgehändigt. Das Rund kommt in die Windschutzscheibe. Wir fühlen uns nun richtig sicher (vor blöden Fragen von der Polizei). Also endlich geht es weiter. Am Schlagbaum werden nun alle Dokumente von einem Helfer zum Wachhaus getragen und dort erneut überprüft. Jedes Dokument muss einzeln durch den Regen getragen werden, damit es die notwendige Wellung im Papier gibt.

Juchuu! Wir sind in Zambia!

Die M10, vor wir vielfach gewarnt wurden, lässt sich richtig gut an. Perfekter Asphalt, Kathrina fliegt nur so dahin. Kaum überhole ich nach ca. 30 km den ersten LKW, erkenne ich, warum dieser so langsam ist: Zwei bis drei Meter große Schlaglöcher zerreißen das ebenmäßige Bild der Straße, jedes etwa 50cm tief. 110 km liegen noch vor uns. Umfahren kann man die Löcher nicht mehr, dazu ist zu wenig Straße erhalten. Die Himmelsschleusen sind weiterhin offen, es ist Regenzeit. Zu beiden Seiten der Straße ist die Busch- und Baumlandschaft zu einem See zusammengeflossen. Die Straße liegt nur einen Meter höher (!).

Geduld und Konzentration bringen uns mit höchstens 10km/h voran. Ein Fahrfehler kann fatale Folgen haben. Hoffentlich halten die Federn von Kathrina durch. Ein Schaden am Fahrwerk wäre hier schlimm. Es gibt zwar Menschen die rechts und links der Straße in Hütten wohnen, aber die könnten kaum helfen. Ihre Hütten sind ja auch abgesoffen – die Armen.

Ab und zu überholt uns ein Fahrrad. Wann sollen wir eine Pause einlegen, wo übernachten? Für mich kommt schon aus motivationalen Gründen nur die Weiterfahrt bis zur Dunkelheit in Frage. Ich zähle die verbleibenden Kilometer. Noch 85, 84, 83… Keine Möglichkeit, uns neben die Straße zu stellen. Wasser und Schlamm überall. Direkt am Straßenrand ist eine Übernachtung zu gefährlich. Ein unaufmerksamer LKW-Fahrer würde uns einfach von der Straße schieben. Wir kommen bis Restkilometer 28. Mit 35 km wäre ich auch zufrieden gewesen. Aber 28 km sind wieder überschaubar, etwa drei Stunden am nächsten Tag. Nach einem Glas Rotwein fallen wir total erschöpft ins Bett.

Ich wache nachts vom Regengetrommel auf. Ist die Dachluke geschlossen? Klar hab ich zugemacht. Zum Überprüfen bin ich zu müde. Am Morgen die böse Überraschung: Viele Liter Wasser haben den Weg ins Auto und in die Schränke gefunden. Wie bekommen wir das alles trocken? Bei 80% relative Luftfeuchte!

Der Teppich und alle nassen Stücke kommen in die Dusche. Dann wird erstmal die Straße überwunden. Geschafft!

Gegen 10:00 Uhr sind wir in Livingston bei den Victoria-Fällen angekommen. Wir beschließen diese erstmal zu besichtigen.

Am Grenzübergang nach Zimbabwe (der Zambesi ist der Grenzfluss) parken wir Kathrina. Wupps, schon springt ein ausgewachsener Pavian auf das Auto und hüpft über das Dach. Aber es gibt in Zambia freundliche Helfer für alles. Ich spreche mich mit einem dieser selbst ernannten Parkwächter ab, handle von 20 USD auf 2 plus ein Päckchen Zucker herunter. Dafür passt er auf Kathrina auf und hält die Affen fern.

Auf der Brücke über den Zambesi warten viele freundliche Begleiter, die nach wenigen Schritten ihr Warensortiment präsentieren. Kupferarmbänder, Holzschnitzereien. Alles vom Großvater handgearbeitet. Hat man einen Begleiter, hält dieser all die anderen aufdringlichen Genossen fern.

Die Wanderwege der Victoria-Fälle haben wir fast für uns allein. Kein Wunder bei diesem Wetter. Ein Regenschauer jagt den nächsten. Aber dafür genießen wir die Fälle ohne das lästige Geplapper anderer Touristen. Die Fälle sind einfach gigantisch. Die Daten kann man nachlesen, aber der Eindruck ist unbeschreiblich. All die Wassermassen, durch die wir gestern und heute durchfahren haben und noch dazu das Wasser des Hauptstromes stürzen über eine lange Kante in die Tiefe. Ein Riss in der Erdkruste hat diese einzigartige Stufe in den Basalt geschaffen.

Die nächsten zwei Nächte lassen wir auf der Waterfront Lodge oberhalb der Fälle mit Blick auf Gischtfahnen und Hippos ausklingen.

Okavango: Jahreswechsel mit Kroko und Hippo 25.12.2021-4.1.2022

Okavango: Jahreswechsel mit Kroko und Hippo 25.12.2021-4.1.2022

Nachdem wir eine Woche den Etosha-Nationalpark mitseinem Tierreichtum erkundet haben, erreichen wir am 25.12. nachmittags den Okavango. Zehn Nächte werden wir auf verschiedenen Campingplätzen direkt an seinem Ufer verbringen. Zwischen Rundu und Divundu ist er der Grenzfluss zwischen Namibia und Angola, bei Divundu biegt er nach Süden ab, einige Stromschnellen, die als Popa-Wasserfälle bezeichnet werden, bilden für viele Tiere eine natürliche Barriere. Schließlich fächert sich der Okavango in Botswana in ein gewaltiges Delta auf, wo das Wasser laut Reiseführer verdunstet. Er ist also einer der Flüsse, die niemals das Meer erreichen. Wir wagen die Gegenhypothese, dass die vielen Elefanten und Abertausende von Antilopen das Delta einfach leertrinken. Auf der Rückreise wollen wir das Okavango-Delta besuchen und unsere Hypothese durch Beobachtungen auf die Probe stellen.

Beim ersten Anblick des Okavango fühlen wir uns gleich heimisch: Ein Fluss, beiderseits gesäumt durch einen dichten Schilfgürtel, an den Ufern grüne Wiesen und richtig hohe Bäume – die ersten hohen Bäume seit wir Deutschland verlassen haben. Verwundert es, dass wir uns an den Rhein erinnert fühlen? Weitere Ähnlichkeiten: Tagestemperaturen über 35°C und 80% relative Luftfeuchte. Das könnte eine Hitzewelle bei uns zu Hause sein – nur hier wird dies das Klima für die nächsten drei Monate sein. Auch viele Vögel und Insekten erinnern uns an die Heimat: Reiher, Kormorane, Schwalben, Wiedehopfe, Eisvögel, Fliegen, Libellen, Stechmücken, … Bei genauem Hinsehen weisen diese vertrauten Tiere jedoch deutliche Unterschiede in Form, Färbung, Größe auf. Und dann plötzlich ein Ruf „Bäh! Bäh! Bäh!“. Wir denken, ein Tier will uns verspotten, und identifizieren dann einen großen grauen Vogel mit Schopf als Verursacher. Graulärmvogel heißt der Krachmacher. Er warnt mit seinem Ruf die sanften Weidetiere vor hungrigen Raubtieren, ist im Tierbuch nachzulesen. Wir sind schon etwas bestürzt, dass er meint, die Antilopen und Böcke auch vor uns warnen zu müssen – so manches Foto zeigt nur einen langweiligen Busch, weil der Bock davor – das eigentliche Fotomotiv – aufgrund der Warnung hinfort gehüpft ist, bevor der Auslöser gedrückt wurde. Der Graulärmvogel war also der erste totale Fremdling, der uns klar machte, dass wir nicht am Rhein sind. Weitere uns völlig unbekannte Arten sind die Ibisse, Goliathreiher, metallisch schimmernde Nektarvögel und Bienenfresser mit wunderbar langen Schwanzfedern.

Am 28.12. macht uns dann noch eine andere Tiergattung klar, dass wir nicht in heimischen Gefilden sind. Kurz vor dem angolanischen Ufer, ca. 50 m von uns entfernt, liegen einige Steine im Wasser. Ich trinke meine Tasse Tee aus, setze die Tasse ab – und ein Stein gähnt plötzlich. Natürlich nicht der Stein, sondern das Krokodil, das sich auf ihm sonnt. Schnell holen wir die Fotoapparate, doch die Eile war völlig unnötig und kennzeichnet uns als Krokodil-Unerfahrene. Die etwa vier Meter lange Krokodil-Dame wird die nächsten neun Stunden dort sitzen. Maul und Oberkörper auf dem Stein, der Schwanz im Wasser. Dreimal öffnet sie das Maul. Das Öffnen und Schließen erstreckt sich jeweils im Zeitlupentempo über einige Minuten, die Dauer der Zur-Schau-Stellung ihrer kurzen scharfen Zähne variiert zwischen zehn und zwanzig Minuten. Ein paarmal taucht sie auch ganz langsam wieder ins Wasser, um kurze Zeit später wieder an derselben Stelle mit derselben Pose zu lungern. Wir können keine schnellen Bewegungen oder Drohgebärden beobachten, sie scheint satt und glücklich zu sein, und auf dem Stein Ruhe zur Verdauung zu suchen. Also wenn wir nicht die vielen Tierfilme gesehen hätten, in denen sich ein Krokodil in sein Beutetier verbeißt, sich blitzschnell um die eigene Achse dreht, um seine Beute klein zu zerreißen, da Krokodile nicht abbeißen können, hätten wir durch unsere erste Beobachtung völlig falsche Schlüsse über die Gefährlichkeit dieser Tiere gezogen. Wir sind aber froh, dass wir keine dramatische Szene erlebt haben, sondern nur dieses friedliche Sonnenbad.

Am 2.1. fahren wir auf einen Campingplatz unterhalb der Popa-Fälle, hier soll es von Flusspferden nur so wimmeln. Enttäuscht stellen wir fest, dass es momentan auch in diesem Flussabschnitt keine Flusspferde gibt, sondern nur braune Steine. Nachdem wir das Vordach aufgebaut haben, haben sich die Steine erstaunlicherweise umgruppiert. Beim dritten Hinsehen sind einige von ihnen verschwunden. Gibt es hier Gezeitenunterschiede am Fluss? Plötzlich taucht mit großem Gepruste und Geplatsche ein brauner glänzender Kopf aus dem Wasser auf. Glubschaugen, große Schnauze – ganz eindeutig Flusspferd! Da begreifen wir endlich, dass die braunen Steine mehrere Hippo-Rücken gewesen waren. Sie liegen auf einer Sandbank im Fluss, etwa 10 m entfernt von unserem Stellplatz. Wahnsinn! Alle fünf Minuten müssen die ausgewachsenen Hippos atmen, die Jungtiere etwas häufiger. Dafür heben sie die Köpfe aus dem Wasser, schütteln zuerst die Ohren wasserfrei, öffnen dann die verschließbaren Nasenlöcher und atmen etwaiges Restwasser mit einem kräftigen Prusten aus. Ein faszinierendes Schauspiel! Einige Kühe mit ihren Jungen sind da, nach einer Weile zeigt sich auch mit extra-viel Geplantsche und Geschnaube der Bulle.

Das Rangeln der Kleinen sowie das Imponiergehabe der Erwachsenen geht in erster Linie durch stumme Großmäuligkeit vonstatten. Bis zu einem Winkel von 150 Grad können die Hippos ihr Maul öffnen, verrät das Tierbuch – wir haben uns zurückgehalten und nicht nachgemessen. Aber die offenen Mäuler sind wirklich imposant. Bei den Kleinen sind in ihren geöffneten Mäulchen mit dem Fernglas nur ganz kurze Zahnstummel zu sehen. Das erklärt, weshalb sie sich so hingebungsvoll ineinander verbeißen: Maul in Maul, Maul in Nacken, Maul knabbert ausgiebig an Öhrchen. Mit ihren Mini-Zähnchen ist das eher eine wohltuende Massage für den Rangel-Partner als dass es schmerzhaft wäre. Anders sieht es aus, wenn der Leitbulle sein Maul aufreißt: Die längsten Zähne sind etwa 30 Zentimeter lang, einer liegt quer im Kiefer. Wenn er zuhaut oder zubeißt, wird es übel – das wissen die Halbstarken aber und ducken sich schnell weg, wenn der Chef sein Chefsein zur Schau stellt. Erstaunlicherweise ist das Maul-Aufreißen an kein Geräusch gekoppelt. Es ist eine rein optisch-motorische Geste. Die tiefen Grunzer, die man als Hippo-Gesang kennt, stoßen sie mit geschlossenem Maul aus, oft ist das Maul dabei unter Wasser, wodurch das Geräusch nochmal tiefer werden zu scheint. Das Grunzen geht uns durch Mark und Bein, wenn der Bulle unter Wasser grunzt, spüre ich meinen Bauch flattern. Manchmal verhallt ein Grunzer unbeantwortet, manchmal erwidern die anderen Tiere der Herde, oder von weiter entfernt lagernden Herden das Grunzen, und es schaukelt sich zu einem kurzen Konzert auf. Unglaublich, kein Lautsprecher kann diese tiefen Töne ausstoßen, man muss das Geräusch in natura erlebt haben. Seit diesem ersten Hippo-Tag begleitet uns das Grunzen alltäglich und allnächtlich am Okavango, Kwando, und später am Sambesi. Wir können uns schon gar nicht mehr vorstellen, dass es Tage ohne Hippo-Gesang gibt!

Tagsüber kommen doch tatsächlich einige Boote angefahren, um Menschen zu den Hippos zu bringen. Doch vor Booten haben sie weit mehr Angst als vor Menschen am Ufer. Wenn die Boote noch etwa 40 m entfernt sind, tauchen sie unter. Enttäuschte Gesichter bei den Bootsgästen. Dabei geht es doch so einfach: Geh nicht aufs Boot, sondern suche dir eine Unterkunft am Wasser für zwei Nächte und verbringe einen Tag ruhig sitzend am Wasser. Dann kommen die Hippos ganz nah zu dir. Tauchen wenige Meter vor dir auf, schauen dich neugierig an – und grunzen vielleicht noch für dich persönlich.