Überfall! Nachts an der Grenze zum Kongo 10.03.2022 spätabends

Überfall! Nachts an der Grenze zum Kongo 10.03.2022 spätabends

Die Straße in Sambia empfängt uns in Form einer tief ausgefahrenen Matschpampe. Jungs springen voraus, um uns den Weg durch den Schlamm vorbei an verborgenen tiefen Löchern zu weisen. Wir bedanken uns mit ein paar Lebensmitteln. Vorbei geht es im Allrad-Gang an festgefressenen LKWs und Autos, die den Weg auf der Straße nicht geschafft haben. Das Vorankommen ist langsam und es wird spät.

Wir haben in Grenznähe auf der Karte einen Bootsclub gefunden, auf dessen Gelände man sicher übernachten kann – so heißt es. Etwa 8 km nach der Grenze zweigt von der M3 ein Waldweg ab und es geht 4 km auf Waldwegen durch den Busch. Keine der üblichen Behausungen finden sich am Wegesrand, keine Menschen. Wir sehen nur wenige Fahrspuren von Radfahrern. Schließlich verstellt uns eine abgeschlossene Schranke kurz vor dem See, an dem der Bootsclub liegen soll, den Weg. Es dämmert, und eine Ausweichroute in der Nacht zu finden erscheint uns aussichtslos. Wir stellen uns auf eine Lichtung in Nähe der Schranke. Keine Menschen – perfekter Übernachtungsplatz.

Doch da sehe ich in hinter einem Busch einen Mann mit Pudelmütze. Ich gehe auf ihn zu, komme ins Gespräche, frage ob wir hier übernachten könnten. Auf gar keinen Fall, lautet die Antwort, nicht sicher. Ob er wisse, wo der Bootsclub sei. Ja, er wolle uns den Weg zeigen. Ins Auto lassen wir ihn nicht, lassen uns den Weg beschreiben, verabschieden uns und los geht es.

Der beschriebene Weg ist kaum befahrbar, zu niedrige Bäume versperren uns den Weg. Außerdem, wohin führt der Weg? Kann man dem Pudelmützenträger trauen? – Wir nehmen einen anderen Weg, der uns an gesichertes Farmtor führt. Wir warten mit laufendem Motor, ob sich etwas tut, sich Menschen zeigen – nichts.

Kurzerhand verstecken wir uns am Wegesrand im Busch. Ich laufe noch ein wenig in der Umgebung umher, um die Lage einschätzen zu können. Etwa einhundert Meter von Kathrina entfernt treffe ich auf Pudelmütze. Kurzerhand drücke ich ihm eine Flasche Bier in die Hand. Er habe uns gesucht aber nicht gefunden. Gut so, denke ich. Es kommen zwei Radfahrer vorbei – Fischer auf dem Heimweg. Sie sehen uns, nicht Kathrina. Unsere abendliche Begegnung will uns zu seinen Übernachtungsplatz lotsen, es sei nicht sicher hier im Wald. Menschen bringen andere für wenig um. Manchmal komme das hier vor … Was tun? Ihm trauen? Wir vertrauen auf unser Versteck und verabschieden uns.

Noch ein kleines Bierchen trinken wir direkt vor Kathrina, Machete und Tränengas liegen bereit. Ein seltsamer Geruch steigt mir in die Nase. Bin ich den Geruch der Kongolesen noch nicht losgeworden oder ist hier ein Spitzbube in der Nähe? Wir gehen Schlafen.

Gegen 23:00 Uhr höre ich ein Geräusch am Heck von Kathrina. Ich wecke Ilona leise. Katze? Vermutlich. Wir spüren keine Erschütterung oder Bewegung des Fahrzeugs. Ich stehe leise auf und blicke durch die offene Dachluke. Gerade schiebt sich die Silhouette eines Glatzkopfes über die Dachkante (siehe Zeichnung). Ich werde sehr laut und aggressiv – kampfbereit. Heckleuchte an! Trennwand zum Führerhaus aufschrauben, klar zum Blitzstart! Ein lauter Schlag prallt gegen unsere Heckscheibe!

Ich springe barfüßig im Schlafanzug ins Führerhaus, rufe Ilona noch zu, sie solle sich festhalten und starte den Motor – er springt sofort an. Kathrina weiß, was auf dem Spiel steht. Und los geht es im atemberaubenden Tempo durch den Busch. Kathrina findet den Weg auf die M3 fast wie von selbst, meine bloßen Füße bedienen die Pedale. Die „große Straße“ mit ihren Schlaglöchern und dem Schlamm empfängt uns – eine erste Entspannung. Ich fahre weiter im schnellen Tempo in Schlangenlinien Richtung Mufulira, einerseits um Schlaglöchern auszuweichen und um eventuell vorhandene Gäste auf dem Dach abzuschütteln.

Nun müssen wir noch einen Übernachtungsplatz finden. In der Stadt halten wir mit laufendem Motor vor einer Lodge mit Übernachtungsmöglichkeit. Niemand rührt sich. Also weiter geht es, aus der Stadt heraus und notfalls wird die Nacht durchgefahren. Am Stadtrand kommen wir an eine Polizeisperre, ein Ölfass versperrt die Durchfahrt – tagsüber lästig aber jetzt sind wir erleichtert. Wir schildern in kurzen Worten unsere Situation: Den Überfall, die Suche nach einem Nachtquartier. Wir dürfen an der Sperre stehen! Einer der Polizisten sitzt die ganze Nacht im Polizeiauto, der andere ruht in einem Verschlag an der Straße.

Bevor wir einschlafen, sprechen wir die Vorkommnisse nochmals gründlich durch. Wir stellen fest, dass wir keine Angst hatten. Auf Überfälle sind wir gut vorbereitet und Kathrina ist eine Festung. Nach dieser Feststellung schlafen wir entspannt.

Am nächsten Morgen bedanken wir uns bei den Polizisten mit Kaffee und Keksen, bevor wir weiterfahren.

In den nächsten Tagen analysieren wir immer wieder die Situation des nächtlichen Überfalls.

Was ist genau passiert?

– Vergeblicher Versuch, die Luft aus den Reifen zu lassen. Die Ventile sind abgeschlossen.

– Kathrinas Flaggen sind weg.

– Eine Wasserflasche, die im Reserverad zu Reinigungszwecken mitfuhr, fehlt.

– Vergeblicher Versuch, eine Autobatterie zu stehlen. Von unten muss der Spitzbube im Motorraum getastet haben, hat dabei aber nur unsere Tüte mit Namib-Sand gestohlen. Für uns ein echter Verlust!

– Die Radioantenne ist verbogen, ging also nicht ab.

Woher kam aber der Schlag gegen die Heckscheibe?

Der Spaten, obwohl festgeschlossen, war auf einer Seite aus der Halterung gerissen. Mit ihm wurde der Schlag mit voller Wucht ausgeführt. Die Scheibe hat nur einen Kratzer, den ich inzwischen herauspoliert habe. Polycarbonat-Glas ist eben einbruchssicher!

Aber der Versuch, uns durch Luftablassen der Reifen zu immobilisieren und anschließend der Versuch, die Heckscheibe zu zertrümmern, zeigt uns, dass der Einbrecher zum Äußersten bereit war. Viele Gespräche mit Sambiern in den nächsten Tagen bestätigen die unberechenbare Gewaltbereitschaft der Kongolesen. Und um einen solchen Grenzgänger hat es sich offensichtlich gehandelt, mein Geruchssinn hat mich nicht getäuscht.

In der Kathrina sind wir sicher. Besonders auf der Hut sind wir beim nächtlichen Verlassen. Auch auf Campingplätzen sind auf der Hut, denn wem kann man denn wirklich trauen? Unser Reisevergnügen wird jedenfalls kaum geschmälert. Unsere gute Vorbereitung auf Fälle wie diesen zeigen ja, dass wir jederzeit mit einem Überfall rechnen.


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