Milchstraße über den Augrabies Wasserfällen – 25.10.-1.11.2021
Seit wir den Oranje zum ersten Mal überquert haben, nach einer Woche in der trockenen Karoo, hat er uns magisch angezogen. Er schlängelt sich kurvenreich von den Drakensbergen bis zum Pazifik, und immer, wenn wir in der trockenen Landschaft einen grünen Gürtel gesehen haben, wussten wir, dass wir uns wieder dem Oranje oder einem seiner Zuflüsse nähern. Als wir erfahren, dass er bei Augrabies durch eine enge Schlucht fließt und je nach Wasserstand einen oder mehrere Wasserfälle bildet, beschließen wir, am nächsten Tag den Oranje entlang bis zu den Wasserfällen zu fahren.
Mit über 500 km unsere längste Tagesetappe, aber sie führt uns durch unerwartete bergige Gegenden, immer wieder nähert sich die Straße dem grünen Gürtel des Flusses, um sich dann wieder zu entfernen. Etwa 100 km südlich von Upington beginnt die Oranje-Weinstraße, doch wir sparen uns die Weinprobe für den Rückweg auf, da wir heute ja noch den Augrabies Nationalpark erreichen wollen, der 100 km westlich von Upington liegt. Wir erreichen ihn 15 Minuten vor Torschluss.
Es wird schon dunkel, als wir den Campingplatz erreichen. Sobald Hano seinen Stellplatz bezogen hat, trinken wir ein Feierabend-Bier auf den Felsen und sehen den letzten Sonnenstrahlen hinterher. Gekocht wird dann bei Lampenlicht, und beim Café nach dem Abendessen sehen wir den bisher tollsten Sternenhimmel auf unserer Reise – und wir haben ihn jeden Abend bewusst betrachtet. Um 20:00 Uhr steht die Milchstraße noch gut sichtbar über uns, gegen 21:00 Uhr ist sie hinter den Bäumen, die den Campingplatz umgeben, untergetaucht. Am nächsten Tag suchen wir uns einen vorgelagerten Platz auf den Klippen und beobachten das Abtauchen der Milchstraße hinter die umliegenden Berge von 20:00-23:00 Uhr. Als die Milchstraße schon tief steht, erscheint von Orion zuerst die linke Fußspitze, dann sein Schwert, dann erst der Gürtel. Welch ein Schauspiel!
Jetzt am Ende der Trockenzeit bildet der Oranje nur einen zentralen Wasserfall in der Schlucht – am Ende der Regenzeit muss das Schauspiel weit spektakulärer sein, denn dann bahnt er sich viele Wege und stürzt über mehrere Felskanten hinab. Dennoch sind wir fasziniert – sowohl von dem Wasserfall selbst, als auch von der Landschaft drumherum: Auf beiden Seiten der Schlucht sind spannende Felsformationen, immer wieder andere Gesteine, die einen schroffer, die anderen rundlicher. Einige Spazier- und Wanderwege sind dort angelegt, von denen aus man interessante Blicke in die Schlucht und auf den Wasserfall hat. Da wir eine Vorliebe dafür haben, über Felsen zu klettern, streunern wir zusätzlich querfelsein und finden noch weitere spektakuläre Aussichtspunkte und einsame Flecken – einige davon stellen meine Höhenangst auf eine harte Probe. Zum ersten Mal haben wir genügend Auslauf auf einem Campingplatz. Auf den vorigen Plätzen waren die „hiking trails“ immer sehr schnell erschlossen gewesen, aber wenn man nach Herzenslust stöbern kann, gibt es ja unendlich viele Wege.
Auch die Tierwelt ist interessant. Tagsüber kommen die Klippschliefer auf den Platz. Sie sind die nächsten Verwandten des Elefanten, ist in all unseren drei Tierbüchern einvernehmlich zu lesen, doch wir halten sie für die Kaninchen des Oranje: Sie haben etwa dieselbe Größe, fressen alle möglichen Pflanzen von saftigem Gras über trockene Blätter bis zu den dünnen Zweigen, die ich zum Feuer anmachen gesammelt hatte, und hinterlassen kaninchengleiche Boppel auf dem Rasen. Scheu sind sie allerdings nicht – als ich versuche, sie von unserem Grillholz zu vertreiben, springen sie zwar irgendwann weg, um mir zu zeigen, dass meine Verscheuchungsversuche nicht völlig vergeblich sind, und sitzen 10 Sekunden später wieder auf dem gemauerten Grilltisch und knabbern an meinen Zweigen… Auch Mungos kann man ganztägig auf dem Campingplatz beobachten. Einmal huscht einer mit einem Frosch im Maul über die Wiese. Einige Tage später bringt eine Mungo-Mutter ihre zwei Jungen auf die Wiese vor Hano zum Spielen.
Abends zwischen 20:00 Uhr und 21:00 Uhr besucht uns eine Ginsterkatze an unserem Lagerfeuer. Obwohl wir sie nicht füttern, kommt sie allabendlich wieder, inspiziert neugierig unseren Platz, schnüffelt an Hanos Reifen, dem Lagerfeuer und in Richtung Kochtopf, aber alles mit gebührendem Abstand, sie maunzt oder bettelt nicht. An den letzten beiden Abenden kommen sie sogar zu zweit, und besuchen uns jeweils mehrfach.
Insgesamt verbringen wir eine herrliche Woche. Vor Sonnenaufgang sind wir auf den Beinen und begrüßen die Sonne. Ein kräftiges Frühstück unter freiem Himmel stärkt uns für den Tag. Wir erwandern die Landschaft, beobachten die Tiere und genießen die Natur. Bei einem leckeren Abendessen resümieren wir den Tag, verabschieden die Sonne und machen danach – mehr für die Seele als zum Wärmen – ein Lagerfeuer auf dem Braaiplatz, über dessen warmen Flammen und roter Glut sich dann ein gigantischer Sternenhimmel aufspannt.