Brandberg: herausfordernde Pisten, Wüstenelefanten und Glühwein 08.-10.12.2021

Brandberg: herausfordernde Pisten, Wüstenelefanten und Glühwein 08.-10.12.2021

Das Brandberg-Massiv enthält viele grobkristalline Granite, die den Berg in der Morgen- und Abendsonne rot leuchten lassen. Der 2.573 m hohe Königstein im Massiv ist die höchste Erhebung Namibias. Wir haben allerdings keine luftigen Höhen erklommen, sondern uns hauptsächlich in den umliegenden Trockenflusstälern getummelt.

Nördlich des Brandbergs fließt der Ugab, der 400 km weiter östlich entspringt und 100 km weiter westlich bei der Skelettküste den Atlantik erreicht – wenn es denn mal eine ausdauernde Regenzeit gibt, die sein Flussbett füllt… In diesem Jahr hat der Regen hier allerdings noch nicht eingesetzt, das Flussbett besteht also abwechselnd aus Tiefsand und Geröll. Was uns an dieser Landschaft besonders erfreut: obwohl momentan kein Wasser fließt, gibt es an den (Trocken-) Ufern viele richtig grüne Bäume und Sträucher – solch saftige Farben haben wir letztmals am ganzjährig Wasser führenden Oranje-Fluss gesehen, und nach mehreren Wochen in Wüsten und trockenen Savannen-Regionen mit fahl-grün-grauen Bäumen ist das ein besonderer Augenschmaus. Ab und zu fahren wir eine steinige Piste bergauf, um in faszinierende Schluchten zu kommen – mal aus rotem Granit, bisweilen aus dunklem Basalt, dann plötzlich Schiefer. Aber die Sehnsucht nach dem Grün lockt uns immer wieder ins Flussbett hinunter.

Selbstverständlich zieht uns nicht nur die Vegetation in den Bann und in die Täler, sondern auch kreisrunde Abdrücke von 40 cm Durchmesser sowie honigmelonengroße Dunghaufen mit verschiedenem Trocknungsgrad. Dies sind keine Hinweise auf Außerirdische – sondern Spuren von Wüstenelefanten! Diese scheuen Tiere halten sich meist weiter nördlich auf, in den Wüsten an der Grenze zu Angola, aber am Ende der Regenzeit, wenn der Durst übermächtig wird, dringen sie immer weiter nach Süden, wo sie noch grüne Blätter finden, oder auch mal das Wasserloch einer Farm plündern können. Bis in das Ugab-Flussbett kommen sie, hatten wir gelesen, und tatsächlich finden wir in den ersten anderthalb Tagen, die wir hier verbringen viele, viele Spuren – ältere, frischere und ganz frische. Die Wüstenelefanten haben etwas längere und schlankere Beine als die Steppenelefanten, aber dafür breitere Füße. Wie bei allen Elefanten sind die Vorderfüße rund, und die Hinterfüße schlanker und oval, und die Abdrücke der Hinterfüße finden sich oft direkt in denen der Vorderfüße. Welch spannende Spurensuche im Flusssand – sind die runden Abdrücke unter oder über Kathrinas Fahrspur? Anderthalb Tage verbringen wir damit, die Spuren zu verfolgen und bei besonders frischen Dunghaufen besonders gründlich zu suchen. Doch keine Spur von den Dickhäutern. Sie sind eben sehr scheu, und wir befinden uns schließlich in der Wildnis, außerhalb bebauten Gebiets sowie außerhalb von Nationalparks, in denen Tiere bewusst angesiedelt und mit künstlich angelegten Wasserlöchern geködert werden. Da muss man eben mehr Geduld mitbringen!

Die Pisten haben es in sich: sie sind kaum befahren, und wenn, dann in erster Linie von kleineren Geländewagen. Das merkt man vor allem daran, wie dicht rechts und links der Piste die Sträucher wachsten, und wie tief Äste von Bäumen in die Fahrspur hineinhängen. An vielen Stellen verrichten wir daher unvorhergesehene Leibesübungen mit Gartenschere, Säge und Machete, um die Pisten für Kathrina gangbar zu machen. Auf einigen Wegstrecken haben wir wirklich mehr Zeit mit Sägen als mit Fahren verbracht. Da sie aber sowohl in unseren gedruckten als auch elektronischen Karten eindeutig als öffentliche Wege eingezeichnet sind, ist es keine Freveltat an der Natur, sie freizuschneiden, sondern trägt zum ganz normalen Wege-Erhalt an abgelegenen Orten bei. Obwohl es bei der Hitze extrem mühsam ist, genießen wir es, uns in Regionen zu bewegen, in denen kein Straßenbauamt uns den Weg bahnt, sondern wir aus eigener Kraft. Als wir feststellen, dass wir innerhalb von zwei Stunden zusammen mehr als fünf Liter Wasser getrunken haben, wagen wir einen Blick auf das Thermometer. 46°C im Schatten. Wir sind zunächst entsetzt, dann aber verstehen wir, weshalb wir so großen Durst haben und weshalb wir uns nach jeder Schneideaktion so erschöpft fühlen. Durch die Trockenheit (30% relative Luftfeuchte) merkt man aber nicht, wie man schwitzt, da der Schweiß sofort am Körper trocknet. Aber bereits um 9 Uhr Morgens schmeckt die Haut hier ganz salzig.

Wenige Menschen sind so verrückt ihre Zeit hier zu verbringen, und in drei Tagen sehen wir sage und schreibe fünf Autos. Moderne Autos mit Klimaanlage. Kathrina besitzt sowas nicht. Wir müssen die Fenster öffnen und absoluten Durchzug veranstalten, um die kühlende Verdunstung zu fördern. Mit dem Infrarot-Thermometer haben wir am Boden im Führerhaus 56°C gemessen. Man muss langsam machen und darf sich nicht wundern, wenn man tagsüber (von 8:00-17:00 Uhr) eigentlich nur zerschlagen ist. Aber auch das ist eine Erfahrung, die wir – vor allem im Nachhinein betrachtet – nicht missen wollen. Leben wollten wir hier allerdings nicht!!

Dann plötzlich sehen wir am dritten Tag im Gebüsch zwei riesige und zwei große Ohren wackeln. Zwei männliche (was man an den Stoßzähnen erkennt) Wüstenelefanten! Einer voll ausgewachsen, der andere noch ein Jüngling. Sehr scheu, größtenteils hinter Bäumen und Büschen versteckt stillen sie ihren Hunger und Durst mit den saftig grün aussehenden Büschen, deren Blätter jedoch klein und hart und von einer dicken Wachsschicht umgeben sind. Das Ohrenwackeln dient der Kühlung, denn in den Flußtälern staut sich die Hitze, in der Mittagszeit ist kaum ein Luftzug zu spüren, daher müssen sie den Luftzug selbst erzeugen und über ihre riesigen, gut durchbluteten Ohren die Körperwärme abführen. Mit ihren Schwänzen peitschen sie die lästigen Fliegen hinfort.

Wir bleiben etwa zehn Meter von ihnen entfernt stehen und beobachten sie anderthalb Stunden lang. Kathrina heizt sich dabei gewaltig auf, da wir in der prallen Sonne stehen geblieben sind, denn nur von hier aus kann man überhaupt einen Blick auf die beiden Bullen erhaschen. Die meiste Zeit sehen wir nur die Ohren, mal einen Rüssel, dann wieder zwei aparte Hinterteile. Was für ein Abenteuer, mit wie viel Schweiß erkämpft! Es ist eben ein himmelweiter Unterschied, ob man im Addo-Nationalpark eine Elefantengarantie hat, wo die Wasserlöcher so angelegt wurden, dass man ganze Familien dieser imposanten Tiere ohne störende Bäume dazwischen beobachten kann. Hier bei den zufälligen Begegnungen kann es zwar auch mal passieren, dass man eine ganze Herde auf freier Fläche zu sehen bekommt, aber die verdeckte Variante wie bei uns ist doch deutlich wahrscheinlicher – und nicht weniger beeindruckend. Die Freude, aus dem Gebüsch auf die Piste zu kommen, tun uns die beiden nicht, obwohl wir mucksmäuschenstill verharrten. Nach anderthalb Stunden kehren sie uns endgültig den Rücken zu, und zwei aparte runde Hinterteile verschwinden schwanzwedelnderweise im Dickicht.

Nach dieser aufregenden Begegnung fallen uns die drückenden 46°C wieder ein, und wir beschließen, am Ende dieses dritten Tages das Ugab-Flussbett zu verlassen. Ganz in unserer Nähe gibt es eine kleine Piste nach Norden, eine stillgelegte Tantalit-Mine ist dort eingezeichnet. Da es die einzige Piste im Umkreis von 30 km ist, entscheiden wir uns für sie, auch wenn uns eine etwas dickere gestrichelte Linie in der Karte lieber gewesen wäre… Wenn wir dachten, die Pisten im Ugab-Flussbett waren herausfordernd, dann erfahren wir auf diesen zehn Kilometern die ultimative Herausforderung. Schroffe Steine, Geröll, extreme Verschränkungen von Vorder- und Hinterachse, und noch enger stehende Bäume – richtige alte Bäume mit dicken Ästen, keine jungen Sträucher wie unten im Flussbett. Wir können uns nicht vorstellen, dass in den letzten 50 Jahren hier ein Gefährt von Kathrinas Ausmaßen gefahren ist – und treiben wieder Handsägesport am Ende unserer Kräfte mit sinkendem Amüsement… Wenn wir fix und fertig sind, fährt Kathrina mit 3 km/h bergauf bis zum nächsten Baum. Möglichkeiten, die Bäume außerhalb der Piste zu umfahren gibt es nicht: dafür hätten wir erstmal zentnerschwere Steine beiseite schaffen müssen. Jedes Rad, jeder Staukasten und jedes Getriebe muss exakt platziert werden, denn wir haben von anderen Reisenden schon viele Geschichten von seitlich aufgeschlitzten Reifen, verbeulten Tanks, leck geschlagenen Getrieben und ähnlich verheerenden Stein-Fahrzeug-Begegnungen gehört. Kathrina schafft es unversehrt, aber abends sind wir alle drei völlig am Ende.

Videolink https://youtu.be/1Ot8fjUYMXs

Torsten und ich belohnen uns mit einem leckeren und nahrhaften Essen: Erbsen-Karotten-Risotto, mit Weißwein abgelöscht, und andachtsvoll geben wir noch eine Dose Thunfisch und viel Sahne hinein, um unsere schlaffen Muskeln mit Eiweiß zu versorgen. Das Gericht mundet uns gar köstlich! Als wir uns als passendes Getränk dazu ein Glas Rotwein gönnen wollen, trifft uns der Schlag. Ganz ungewollt haben wir durch die hohen Tagestemperaturen Glühwein im Glas. Das hätte nun wirklich nicht sein müssen, denn die Servier-Empfehlung verspricht das vollmundigste, fruchtigste und erfrischendste Aroma bei 15…18°C. Bei 46°C hat man nur eine komisch schmeckende Flüssigkeit im Mund, die einem beinahe noch die Zunge verbrennt. Nun ja – immerhin passt Glühwein zur Adventszeit. Da wir aber auch zuhause in der europäischen Weihnachts-Kälte keinen Glühwein trinken, ist dies ein schwacher Trost. Aber wir haben aus diesem Fehler gelernt – inzwischen haben wir immer eine Flasche Rotwein im Kühlschrank. Nach fünf Minuten im Glas ist er perfekt temperiert, und wir hoffen, damit allen kommenden Abenteuern einen würdigen Tagesabschluss bereiten zu können!


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