Autor: Torsten Eggert

Manu-Nationalpark

Manu-Nationalpark

17.-22.12.2017

Zu Gast bei Klammeraffe, Tapir und Hornfrosch

Wir hatten uns schon oft gewünscht, so richtig tief in den Urwald vorzudringen, aber die Scheu vor den unbekannten Gefahren hatte uns bisher davon abgehalten. Zudem kann man auf eigene Faust (also mit dem Hano) ja nur auf den Straßen fahren und somit nicht bis ins „Herz des Urwalds“ vordringen. Also ist uns klar, dass wir eine geführte Tour machen müssen. Die erste gebuchte Tour in unserem Leben! Aber wir haben in jeder Hinsicht Glück:

  1. Die einzigen Mitreisenden sind ein supernettess und ruhiges junges Pärchen. Also perfekt für Tierbeobachtungen und das intensive Erleben der üppigen Natur, die uns in den sechs Tagen begegnen wird.
  2. Die gesamte Crew ist nett und extrem aufmerksam – und von der Liebe zur Fauna und Flora des Dschungels beseelt. Nicht nur Alex, der Tourguide, zeigt uns Pflanzen und Tiere, sondern auch die Fahrer achten auf Tiere und machen langsam bzw. halten an, wenn es etwas Spannendes zu sehen gibt, oder wenn sie merken, dass einer von uns sein Fernglas oder seine Kamera zückt. Bernardino, der Koch, zaubert aus regionalen Zutaten mit den bescheidenen Koch-Möglichkeiten im Dschungel dreimal täglich Köstlichkeiten, mit denen er uns verwöhnt (mästet), kennt aber auch die Tiere. Somit haben wir eine intensive Betreuung, und alle teilen vollen Herzens ihre Kenntnisse und Naturliebe mit uns.
  3. Es ist die letzte Tour in der Saison, wir kamen also gerade noch rechtzeitig. Die Regenzeit hat bereits begonnen, und einige Erdrutsche haben die Straßen schon schwer passierbar gemacht. Auf dem Rückweg müssen wir sogar einen Umweg fahren (über die Inka-Terassen von Pisaq, wie praktisch für uns!), weil die eigentliche Straße nicht mehr passierbar ist.
  4. Das Wetter spielt auch mit: Es ist Regenzeit, und an drei von sechs Tagen regnet es teilweise. Was wäre auch der Regenwald so ganz ohne Regen? Der meiste Regen fällt jedoch nachts, sodass wir für diese Jahreszeit erstaunlich viele Tiere zu sehen bekommen.

Ich habe also schon vorweg genommen, dass es eine gelungene Tour war, bei der wir wirklich viel über den Lebensraum und die Tiere gelernt haben. Und wir haben so etwa in der Halbzeit unserer Reise mal „Urlaub vom Hano“ gemacht. Nicht dass wir das dringende Bedürfnis danach gehabt hätten, aber es tut immer gut, ein eingespieltes System zu durchbrechen, um dann wieder mit neuen Augen auf dasselbe blicken zu können.

Nun aber zurück zur Tour: Am ersten Tag verlassen wir Cusco (3.300 m) morgens um 4:30 Uhr, damit wir pünktlich zum Sonnenaufgang im Nebelwald sind. In einer steilen Schlucht durchfahren wir langsam den Nebelwald. Es sind dichte Wälder aus buchenähnlichen Bäumen (die Biologen mögen mir diese ungenaue Bezeichnung verzeihen), einzelnen Baumfarnen (siehe Blogeintrag über den Amboro-Nationalpark), Cecropien, pinkfarben blühenden oreocalis frutilis, usw. Wie der Name sagt, nebelverhangen, und durch die steile enge Schlucht hat man einen faszinierenden Blick auf die gegenüberliegende Seite – und kann dort mit dem Fernglas sogar große Vögel und herumtollende Affen in den Bäumen erkennen! Alex zeigt uns voller Hingabe viele Vögel, von kolibri-klein bis Guan-groß. Wir sehen auch den peruanischen Nationalvogel, den Felshahn (coq in the rock). Die Männchen sind in der vorderen Hälfte knallrot, hinten schwarz, und tragen vor der Brutzeit wohl herzergreifende Werbe-Tänze auf, um die Gunst der schönsten Weibchen zu erwerben. Die Weibchen haben ein verhalten weinrotes Gefieder – wenn sie denn mal auf den Eiern sitzen, sollen sie gut getarnt sein, und nicht optisch so hervorleuchten wie die Männchen. Nach den vielen Vögeln sind wir begeistert, als auf der gegenüberliegenden Seite viele nebeneinanderliegende Bäume wackeln. Eine Wollaffen-Familie macht gerade die Baumkronen unsicher. Äste brechen ab und fallen zu Boden. In den nächsten Tagen sollen wir dieses Spektakel  dann noch öfters hautnah erleben. Wollaffen sind nämlich sehr aggressiv und kaum scheu. Als wir dann drei Tage später im Regenwald unter einer Herde Wollaffen hindurchlaufen, und Alex das Alfa-Männchen durch perfekte „Uh-Uh-Uh“-Laute reizt, tollt das Männchen direkt über uns herum, sodass wir den herunterfallenden Ästen ausweichen müssen. Doch lassen wir uns durch diese Demonstration seiner Dominanz leider nicht vertreiben, sondern zücken unsere Ferngläser, um die Mimik des aufgebrachten Männchens zu studieren. Das bringt ihn natürlich noch mehr in Fahrt…

Die Urwald-Lodges, in denen wir übernachten, sind faszinierend: Die Wände sind aus Tropenhölzern und Fliegengittern gefertigt. Darüber ein überlappendes Dach aus Stroh oder Palmblättern. Zwischen Wänden und Dach ist jeweils ein breiter Spalt offen. Das hat den Vorteil, dass Insekten, die aus Versehen in die Hütte fliegen, auch wieder herauskommen – ansonsten würden sie sich unter dem Dach sammeln. Ich bin überrascht, dass wir tatsächlich sehr wenige Tiere in den Zimmern finden. Diese wenigen werden dann durch die Moskitonetze abgehalten, unter denen wir schlafen.

Draußen tobt in der Nacht das pralle Leben. Die Eulen hören wir nur, bekommen sie aber nicht zu Gesicht. Beim Spaziergang um den kleinen Teich der Lodge sehen wir eine dicke Kröte, einen kleinen Frosch, eine „Gottesanbeterin“, die gerade ihre Beute verspeist, und einige recht große Wolfsspinnen. Dann noch eine „schwarze Hexe“ und andere große Nachtfalter. Der Höhepunkt des Nachtspaziergangs sind natürlich die Vogelspinnen. Zwischen den Häusern (nur 20 m von unserem Zimmer entfernt!) ist ein Erdhaufen, in dem die Vogelspinnen wohnen. Alex lockt sie mit einem nur 30 cm langen Grashalm aus den Löchern. Trotz Spinnenphobie kann ich sie aus 2 m Entfernung beobachten, ohne das Grausen zu bekommen. Ich bin ganz verwundert, dass ich danach auch ruhig schlafen kann, denn das Zimmer ist wie gesagt oben offen und theoretisch könnten die Vogelspinnen ja zu mir ins Bettchen krabbeln. Aber sie tun es nicht – ich passe nicht ins Beuteschema, und die Zimmer sind viel zu aufgeräumt und tierarm, als dass sie für die Vogelspinnen interessant wären.

Am nächsten Tag steigen wir dann ins Boot um und verlassen somit die allgemein zugängliche „Kulturzone“ des Nationalparks, um in das Herz des Reservats vorzudringen. Zunächst fahren wir auf dem großen Fluss „Madre de Dios“ nach Osten. Er fließt recht schnell und hat eine graue Farbe. In den vielen Schleifen sind die „äußeren“ Ufer oft zu Steilwänden ausgewaschen, in den „inneren“ Ufern haben sich meist Sand-, Kies- oder Steinbänke gebildet. Herabgefallene Bäume sorgen für Untiefen und teilweise starke Strudel. Die Bootsfahrer sind sehr erfahren und umfahren die kritischen Stellen weitläufig. Nach etwa 70 km biegen wir nach Norden in den Rio Manu ein. Dieser hat eine bräunlich-schlammige Färbung und fließt deutlich langsamer. Die nächste Lodge ist nach wenigen Kilometern auf dem Manu-Fluss erreicht. Um die Häuser herum sind Bananen und sonstige Früchte gepflanzt – wodurch wir diverse Affen hautnah erleben können: Totenkopfaffen und Kapuzineraffen kommen und räubern die Früchte. Und wie! Von einer Bananenstaude beißen sie jede Banane an, und springen dann in den nächsten Baum, um ihn zu plündern. Mit wenigen Bissen sind also alle Bananen dem menschlichen Gebrauch entzogen! In dieser Lodge werden wir aber nicht schlafen. Nach der Ankunft haben wir eine knappe Stunde Zeit zum Ausruhen und Nachtrucksack Packen. Dann wandern wir etwa eine Stunde lang zu einem Tümpel, zu dem nachts gern Tapire kommen. Daneben hat man eine mehrere Meter hohe überdachte Beobachtungsplattform gebaut, ohne Wände. Einige Matratzen hängen unter dem Dach, die wir ausschütteln und aus denen wir uns ein Bettlager bauen. Jeder hängt sein Moskitonetz über seine Matratze. Wir werden Nachtwache halten: Jeder muss anderthalb Stunden lang wachen und alle 10 Minuten, bzw. wenn er etwas hört, vorsichtig den Tümpel ableuchten. Sollten tolle Tiere, z.B. Tapire dort sein, macht man die Lampe sofort wieder aus und weckt beide Nachbarn. Wenn alle wach sind, macht Alex seine starke Lampe an und leuchtet vorsichtig  den Tümpel ab. Er hat viel Erfahrung darin, die Tiere nicht mit dem Licht zu erschrecken. Aber da es in Strömen regnet, macht er uns nicht viel Hoffnung auf Tapire. Doch wir haben Glück – sieben Tapire werden wir sehen. Die Tapire sind wirklich faszinierend: Leichtfüßig steigen diese Kolosse in den Tümpel und wieder aus diesem heraus. Beim Laufen im Tümpel platscht es ein wenig, aber die Tapire sind viel leiser als die Frösche, die an den Rändern des Tümpels  hausen und sich die ganze Nacht lang wichtig machen. Der Tümpel soll mineralreich sein, weswegen die Tapire (und tagsüber auch Affen und andere Tiere) gern hierher kommen, um davon zu trinken. Irgendwie merken sie unsere Anwesenheit, sei es den nicht dschungeltypischen Geruch, sei es die Lampe, die Alex vorsichtig einsetzt. Ab und zu sehen sie nämlich zu unserer Plattform herauf und wittern, wobei sie ihr Mäulchen öffnen und den kurzen Rüssel rümpfen, um ja den Geruch vollständig zu erfassen. Ihre kurze struppige Mähne steht dabei lustig in die Höhe. Aber sie nehmen uns nicht als bedrohlich wahr, denn viele verbringen viele Minuten in dem Tümpel, schlürfen, wittern, schlürfen und wittern wieder, und steigen dann ganz langsam und vorsichtig ans Ufer, um im Dickicht zu verschwinden. Das letzte, was man von ihnen sieht, ist der runde aparte Hintern mit dem kurzen dünnen Schwänzchen. Ich fand Tapire wegen ihrer absurden Kopfform schon immer faszinierend – aber in dieser Nacht habe ich sie richtig lieb gewonnen. Diese Tapire haben nichts gemeinsam mit den Bildern, die ich aus den Zoos kenne:  massige Tiere, die teilnahmslos mit hängendem Kopf dastehen. Vermutlich sind auch die Tapire in den Zoos eher nachts aktiv – aber weshalb setzt man sie dann tags den neugierigen Blicken aus?

Um 4:00 ist die letzte Nachtwache rum und wir brechen auf zurück zur Lodge, um unser restliches Gepäck zu holen und bei Sonnenaufgang schon wieder auf dem Boot zu sein – gefrühstückt wird auf dem Boot! Es geht weiter den Rio Manu hinauf, bis zu einer Lodge, die von Urwald-Indianern betrieben wird. Als der Nationalpark eingerichtet wurde, wurden natürlich nicht nur Tiere und Pflanzen geschützt, sondern auch die dort lebenden Menschen. Zum Zeitpunkt der Parkgründung waren mehrere Stämme bekannt, die zwar seit (einigen) hundert Jahren losen Kontakt zur Zivilisation hatten, aber doch noch ihre eigene Kultur mit nur wenigen Anpassungen wie Kleidung, Häusern und Plantagen behalten haben. Sie haben heute Zugang zu Arztstationen, helfen sich aber nach wie vor lieber mit den ihnen wohl bekannten Pflanzen aus dem Wald. Nur bei lebensgefährlichen Schlangenbissen,  Verletzungen usw. kommen sie zu den Medizinstationen. Diese Stämme sind auch weitgehend immun gegen unsere Krankheiten, weshalb ein geringer loser Kontakt wie beispielsweise in der Lodge möglich ist. Zwei Männer des Matchiguenka-Stammes betreuen die Lodge, die übrigen (über 100) meiden uns lieber. Diese Stämme dürfen in gewissen Gebieten auch jagen und fischen, die Kerngebiete des Parks sollten auch sie meiden. 2009 tauchten dann plötzlich einige nackte Indianer am Flussufer auf, die eine Rangerstation mit Pfeil und Bogen beschossen. Ein bisher unbekannter Stamm war aufgetaucht. Mit einer unbekannten Sprache. Dieser Stamm betreibt keine Plantagen, sie leben noch völlig als Jäger und Sammler. Das wurde zum Problem, als sie merkten, wie einfach es sich in den Plantagen der sesshaften Indianerstämme sammeln lässt. Mittlerweile hat die Regierung einen Anthropologen damit betraut, Kontakt mit ihnen aufzunehmen und ihnen klarzumachen, dass sie in einem Nationalpark leben (wie sagt man das in einer Sprache, die man gerade erst lernt…?), dass sie in einem gewissen Gebiet bleiben sollen, und nicht die Plantagen der anderen Stämme plündern sollen (wie sagt man das Menschen, die keinen Begriff für „Besitz“ haben…?). Ein nicht ganz einfaches Unterfangen. Zumal außer den 7 Personen, die Kontakt zu dem Anthropologen haben, noch über hundert weitere Angehörige dieses Stammes vermutet werden. Immerhin ist der Anthropologe so weit gekommen, dass er ihnen die Angst vor uns genommen hat und sie aufgehört haben, Ranger, andere Indianer und Touristen mit Pfeilen zu beschießen. Es hat uns gefreut zu hören, dass hier sehr subtil mit allen Park-Bewohnern umgegangen wird, und nicht die Menschen und Tiere für eine Touristenshow mehr als nötig gestört werden.

In der Nähe dieser Lodge, in der wir 2 Nächte verbringen, befinden sich zwei Seen, die Touristen zugänglich gemacht werden. Der Cocha Salvador darf mit einem Katamaran befahren werden, die Ruder muss man jedoch selbst mitbringen. Den Cocha Otorongo kann man nur von einer Plattform aus überblicken. Hier sind manchmal Riesenotter zu finden. Um es abzukürzen: wir sehen die Otter nicht, obwohl wir viermal den Cocha Salvador abrudern. In der Hochsaison hat jede Gruppe ein Zeitkontingent und darf nur einmal rudern. Weil Alex uns unbedingt den Riesenotter zeigen will, ändert (verlängert) er den Plan und wir rudern am Nachmittag des Ankunftstages, am Morgen und Abend des Tages, den wir dort verbringen, und bei Sonnenaufgang am Abreisetag auf dem See. Wir bestätigen ihm, dass es für uns keine Enttäuschung ist, den Riesenotter nicht gesehen zu haben, aber eine echte Bereicherung, diesen See an vier verschiedenen Tageszeiten gesehen zu haben. Viele Tiere sehen wir auf allen Fahrten, aber sie haben teilweise ein tageszeitspezifisch unterschiedliches Verhalten. Außerdem merken wir, wie unser Blick sich durch die Wiederholung schärft, sodass wir wissen, worauf wir zu achten haben, und einige Tiere schon wiedererkennen. Viele Leute, die im Urwald waren, beklagen sich, dass er so „leer“ sei. Aber das stimmt nicht. Der Urwald ist voller Tiere – aber er ist sehr blickdicht, und die Tiere haben Angst vor Fressfeinden und zeigen sich daher nicht so prominent. Man muss sorgsam auf Geräusche achten, die vom Wind herrühren können, aber eben meist von Tieren stammen, auf Blätterrascheln, und sonstige Laute. Viele Vögel verraten sich durch ihren Gesang, andere nur durch Bewegungsrascheln, und wenn mehrere Bäume wackeln und Äste fallen, dann ist es meist eine Affenherde. Brüllaffen markieren ihre Reviere durch das Geschnarre des ranghöchsten Männchens. Als wir das Geräusch zum ersten Mal hören, denken wir an elektronische Gruselmusik aus einem Science Fiction Film. Wie jemand auf den Namen „Brüll“affe kommen konnte, ist uns unerklärlich. Als wir das Geräusch zum zweiten Mal hören, verkünden wir Alex stolz „howling monkeys“ und er nickt bestätigend. Irgendwann bekommen wir sie auch von Nahem zu sehen. Ebenso wie die schlanken gelenkigen Klammeraffen, die so viel herumtollen, dass sie ganz muskulös sind, und ihr Fleisch daher von den Urwald-Indianern als das zarteste aller Affengerichte geschätzt wird. Am letzten Tag sehen wir auch zwei Tamarin-Arten, darunter den Kaiserschnurrbart-Tamarin. Alex hält ihn für den schönsten aller Affen, ich finde ihn potthässlich – weshalb trägt ein Affe einen langen herabhängenden Robbenbart? Ich merke mal wieder, dass ich das Zeug zur Biologin nicht besitze.

Zum Frühstück kommen Totenkopf-Affen zu verschiedenen Obstbäumen direkt am Seeufer und plündern diese. Dabei fallen auch viele Früchte ins Wasser. Das lockt Fische an, die wir platschen sehen, diese wiederum locken die Brillen-Kaimane an, die schon etwas weiter aus dem Wasser schauen. Auch die Affen kommen so zu einer Fischmahlzeit, wenn sie geschickt sind und sich trauen, zwischen den Kaimanen zu fischen. Um die Mittagszeit sehen wir sehr viele Baumwipfel wackeln und hören wildes Affengeschrei – wir werden Zeugen eines Kampfes Klammeraffen gegen Wollaffen. Abends hangeln sich die Klammeraffen zum Trinken ans Wasser hinunter. Wir sehen am Seeufer natürlich auch viele Vögel: Eisvögel, Reiher, Seeadler, usw. Am absurdesten sind die Hoatzin. Es sind entwicklungsgeschichtlich sehr alte Vögel, die mit ihrem willenlosen Haarschopf etwas dümmlich aussehen, und sich laut Alex gegen Fressfeinde dadurch schützen, dass sie extrem stinken. So nah kommen wir aber nicht heran, um letzteres überprüfen zu können. Unsere Bootsleute fangen für uns einen Piranha, Alex hält ihm ein Blatt hin. In Windeseile hat das Blatt zwei Bissspuren – der Piranha hat so schnell zugebissen, dass wir es gar nicht sehen konnten!

Als wir wieder vom See zur Lodge zurückwandern, sehen wir den seltenen Hornfrosch. Was für eine Freude! Er sitzt unbeweglich da und wackelt mit dem mittleren Vorderzeh, um Beutetiere anzulocken. Fällt ein Tier auf den Trick herein und will den Zeh fressen, schnellt die Zunge des Hornfrosches hervor und es ist um das arme Tier geschehen. Weil der Hornfrosch aber so still sitzt, bis Beute kommt, ist er von Menschen auch leicht zu fangen und daher sehr bedroht. Wir fotografieren ihn wirklich von allen Seiten, und er rührt sich gar nicht.

Bei Nachtspaziergängen sehen wir auch die Geißelspinne – unser größtes Exemplar hat eine Beinspanne von 30 cm, sie sollen aber bis zu 60 cm lang werden können! Da sie gar nicht spinnenartig aussehen, sondern eher wie Krabben, habe auch ich meine Freude an ihnen. Wir finden auch ein kleines Maus-Opossum, Bambusratten, und eine südamerikanische Wasserschlange.

Das Hauen und Stechen im Urwald beschränkt sich aber nicht nur auf die Tiere, sondern setzt sich im Pflanzenreich fort: Würgefeigen klammern sich um bestehende Bäume, erwürgen diese im Laufe vieler Jahre und sichern sich so ihren Platz an der Sonne. Wir finden eine hohle Würgefeige, deren innerer Baum mittlerweile verrottet ist, und in der gut und gern 5 Personen Platz fänden. Da alle Winkel aber voller Spinnennetze sind, gehen wir nur einzeln hinein – keiner will im Eck stehen! Der Capirona-Baum schützt sich vor solchen Kletterern, indem er regelmäßig seine Rinde abwirft. Die Palmera caminante  ergattert sich „passiv“ die beste Sonnenstelle: sie wächst auf einem Ring aus Stelzenwurzeln, die sich mit einem Radius von über einem Meter um eine Hauptwurzel herum scharen. So kann sie durch unterschiedlich starkes Wachstum der Stelzen ihren Standort verlagern – um 1…2 Meter, und natürlich über viele Jahre hinweg.

Es gäbe noch viel zu berichten, und wir wären gern noch länger geblieben, um noch mehr zu erleben und an Zusammenhängen zu begreifen. Am letzten Abend besteigen wir eine etwa 30 m hohe Plattform, die in einem lichten Waldstück steht. Die höchsten Bäume sind 60 m hoch, wir sehen also den kleineren Bäumen in die Wipfel hinein, die großen aus halber Höhe. Leider regnet es, was einerseits den Aufstieg schwierig macht, und andererseits die Tiere in den Schutz der Blätterdächer treibt. Wir sehen einige Aras, durch die Nähe sieht man auch deren schöne Farben, und sonstige Vögel. Die Lichtstimmung ist gigantisch, als der Regen aufhört – und obwohl wir nicht so viele Tiere gesehen haben, war das Erlebnis des Regenwaldes hier sehr intensiv. Ein wunderbarer Ausklang unseres kurzen Abstechers in den Regenwald!

Weihnachts-Kondore auf der Vicuña-Station

Weihnachts-Kondore auf der Vicuña-Station

24.-26.12.2017

Am Weihnachtsabend erreichen wir nach einem langen Fahrtag auf dem Weg von Cusco nach Nasca das Nationalreservat Pampa Galeras. Es ist schon dunkel, als wir im Innenhof parken, die Station kommt uns unbewohnt vor, doch plötzlich stehen Milli, die Rangerin, und Santiago, der Biologe, vor uns. Ja, bei dieser Forschungsstation darf man kostenlos übernachten, nach Voranmeldung auch in deren Gästezimmern, und man steht hier absolut sicher. Welche Erleichterung!

Wir kochen zunächst unser Weihnachtsmenü: ein leckeres Gemüse mit frischem Choclo (spezielle Maissorte), den wir eine Stunde zuvor einem kleinen Jungen abgekauft haben, der mit den erntefrischen Maiskolben gewunken hatte. Als Nachtisch zaubert Torsten mit Pisco flambierte Mango (auch erntefrisch) mit Kakaosauce. Der Preis für den Gaumenschmaus: die Hitze – nicht die Flammen! – haben die Moskitonetze an den beiden Dachluken angeschmort, am nächsten Tag nähe ich drei Stunden lang Flicken auf die Löcher. Das war es aber allemal wert! Die Station liegt auf 3.900 m Höhe, und als wir einen kleinen Verdauungsspaziergang machen, sehen wir den bisher tollsten Sternenhimmel in den Anden. Zuvor waren wir von dem Sternenhimmel immer etwas enttäuscht gewesen: zwar reichten die Sterne von Horizont zu Horizont, aber es waren immer „so wenige“. In entlegenen Flecken Europas (Ísland, Sardinien, Nordspanien) hatten wir schon viel „vollere“ Sternenhimmel gesehen, und hatten hier noch mehr Sterne erwartet. Klar – wir sehen ja auf der Nordhalbkugel immer die Milchstraße, die „füllt“ gut, und die hatten wir bisher in Südamerika nicht gesehen. In Nord-Chile beispielsweise hatte Orion ungewohnt auf der Seite gelegen, quasi auf dem Horizont geschlafen, und Cassiopeia war als „M“ anstatt wie bei uns als „W“ zu sehen. Heute abend steht Orion schon recht hoch, und wir sehen ein Stückchen Milchstraße, also endlich haben wir das, was wir immer gelesen und somit erhofft hatten: einen „vollen“ Sternenhimmel in den Anden. Ein wunderbares Weihnachtsgeschenk.

Am nächsten Morgen zeigt uns Santiago das Museum mit einigen ausgestopften Tieren aus der Region,  und Fotos von der Vicuña-Zucht und –Schur. Die Station wurde in den 60’er Jahren aufgebaut, um die damals nur etwa 500 Vicuñas zu schützen. In den 70’ern fielen viele der Tiere und auch einige Ranger dem Sendero Luminoso zum Opfer, daher wurde die Station aufgegeben und 1979 mit deutscher Unterstützung wieder aufgebaut. Mittlerweile leben wieder 200.000 Vicuñas in Peru. Diese zierlichsten der Andenkamele haben das feinste Fell (1 kg Wolle bringt 500 USD ein!) und wurden deshalb gejagt, heute hat man die Jagd ziemlich zurückgedrängt und sichert so einigen indigenen Commiunidades in den Anden, die diese Tiere halten und einmal im Jahr „sanft“ scheren, ihr Auskommen. Das ist der Unterschied zwischen Nationalparks, wie Manu (siehe voriger Blogeintrag), in denen die Tiere nicht gestört oder genutzt werden dürfen, und den Nationalreservaten, in denen Forschungsstationen angesiedelt sind, und die Tiernutzung, z.B. Schur,  erlaubt ist.

Eigentlich wollten wir nach dem Museumsbesuch weiterfahren, als uns Santiago von den Kondoren erzählt. Ganz in der Nähe befindet sich ein Berg, an dem sich die Kondore bei Sonnenaufgang sammeln, um von hier aus gemeinsam ihren täglichen Flug zu starten. Sie fliegen dabei bis ans Meer, 150 km, in die Nähe von Nasca. Im Dezember sind es meist nur um die 20 Kondore, im Juni bis zu 50. Abends treffen sie sich wieder bei diesem Berg, bevor die einzelnen Familien ihre Unterkünfte beziehen.  Heute abend will er wieder Kondore zählen gehen. Also beschließen wir, den Tag hier zu verbringen und abends  mit ihm Zählen zu gehen! Wir verrichten einige technische Dienste (Moskitonetz flicken, bzw. Torsten bringt den Hano wieder auf Vordermann) und machen einen schönen langen Spaziergang über die Hochebene, um die frei lebenden Vicuña-Familien zu beobachten. Zwei Vicuñas, die von ihren Familien aufgegeben wurden, werden auf der Station geroßgezogen: Nena, 7 Monate alt, und ganz „hembra“: scheu und verschmust; sowie „Juanito“, 6 Monate alt, und ganz „macho“: er beißt gern in Schuhe, Knie, oder von hinten und guckt einen dann mit großen unschuldigen Augen an… Da sie beide im Alter von wenigen Tagen gefunden und auf die Station gebracht wurden, und seitdem von Milli mit Milch aufgezogen werden, folgen sie ihr auf Schritt und Tritt, bis ins Büro.

Am Nachmittag dann die Enttäuschung: dicke Wolken verhängen den Berg und versperren die Sicht. Wir beschließen dann, am nächsten Morgen früh zum Kondorberg zu starten, und ich frage zweimal nach, ob es ausreicht, um 6:00 loszufahren, was Santiago bejaht. Am nächsten Morgen haben wir auch tatsächlich Glück mit dem Wetter: klarer Himmel, dafür -4°C. Für uns mit unserer Standheizung kein Problem, aber die Rangerstation ist unbeheizt… Verfroren kommen die beiden zum Hano und freuen sich dann über den Wärmekomfort bei der Fahrt. 5 km rennt der Hano über die geteerte Straße, und schaukelt dann langsam weitere 3 km über eine rumpelige Piste, die wir allein nie gefunden hätten. Als wir am Kondorberg ankommen, sind die meisten Tiere schon abgezogen. Ich erwische mich bei dem typisch deutschen Gedanken „wären wir doch eine Stunde früher losgefahren, und hätten lieber bis Sonnenaufgang im Dunkeln und Kalten gefroren, um ja keines der Tiere zu verpassen“, und bin mir nicht ganz sicher, ob Santiago sich mit der Zeit verhauen hat, uns das frühe Aufstehen nicht zumuten wollte, oder einfach nicht frieren wollte. Die Kondore haben eine festgelegte Startreihenfolge: zuerst die erwachsenen Männchen, dann die erwachsenen Weibchen, dann die Jungs, zuletzt die Mädels. Zwei dieser Mädels machen uns aber eine Riesenfreude: Sie setzen sich ganz in unserer Nähe auf einen kleinen Hügel, um sich vor dem Start in den ersten Sonnenstrahlen aufzuwärmen. Sie lassen uns ganz nah herankommen. Nach etwa 15 Minuten breiten sie ihre Schwingen aus und entfliegen dann majestätisch in Richtung Küste. Ein Super-Erlebnis, gewissermaßen „Klasse“ statt „Masse“.  

Da Santiago heute in das Büro nach Nasca fahren muss, freut er sich über unser Angebot, ihn mitzunehmen. In so einem tollen Fahrzeug wie dem Hano ist er noch nie mitgefahren, und die Fahrweise der Collectivo-Fahrer ist auch den meisten Peruanern ungeheuer: überhöhte Geschwindigkeit, und bei jeder Gelegenheit wird überholt, bevorzugt in Kurven und vor Hügelkuppen… Zwei Stunden gibt er uns als normale Fahrzeit an, wir warnen ihn vor, dass es mit dem Hano dann vier Stunden dauern könnte, aber das reicht ihm, er muss erst am Nachmittag im Büro sein. Die Straße ist jedoch prima, und wir sind in zwei Stunden da. Ein wenig schade, denn auf der Fahrt gehen uns die Gespächsthemen nicht aus. Wir erfahren zum Beispiel, dass man einen Führerschein für 300 Soles kaufen kann, das ist billiger als Fahrstunden zu nehmen. Daher kennen viele Autofahrer die Verkehrsregeln überhaupt nicht, und das erklärt uns das Chaos auf den Straßen. Wir sind mal wieder froh über unsere nachgerüstete Hupe, sie hilft schon gut, um entgegenkommende Fahrzeuge auf ihre Seite zurückzutreiben.

Wie kann man sich ein schöneres Weihnachtsfest vorstellen, als ohne Handynetz und Internet den ersten Feiertag mit Vicuñas zu verbringen, und den zweiten mit Kondoren zu beginnen? Als wir wenige Kilometer nördlich von Nasca (ca. 500 m.ü.N.N.) auf einen Aussichtsturm steigen, um drei der berühmten Figuren anzusehen, sehen wir zwei Kondore fliegen. An dem dunklen Federkleid erkennen wir, dass es Jungtiere sind (Erwachsene bekommen eine weiße Zeichnung an den Schwingen und die typische weiße Halskrause), und an dem geraden Kopf ohne „Beule“, dass es Mädchen sind. Die Nasca-Linien liegen genau in der Luftlinie zwischen dem Kondorberg von heute morgen, und dem Strand, an dem die Tiere schon öfter gesichtet wurden. Höchstwahrscheinlich sind es also unsere Freundinnen, deren Start wir vor drei Stunden in den Bergen beobachtet haben!

Die Wiederentdeckung der Milch

Die Wiederentdeckung der Milch

10.12.2017 in Tinajani, Peru

Der Grenzübertritt von Bolivien nach Peru war interessant. Auf beiden Seiten waren die Grenzbeamten sehr nett, alles lief glatt. Der peruanische Beamte der Aduana versuchte vergeblich, „Rheinstahl-Hanomag“ als Automarke in das Pull-Down-Menü einzugeben, und begnügte sich dann mit „otro/other“. Dann war er ganz stolz, als er den Wohnort „Eggenstein-Leopoldshafen“ fehlerfrei eingegeben hatte. Ein kurzer Blick in den Hano, wir dürfen passieren. In Peru gibt es plötzlich Fahrrad-Rikschas, dreirädrige Autos ähnlich den italienischen Apes, allerdings aus China, usw. Das Bild der Orte wandelte sich wirklich von einem Meter auf den anderen, auch die Menschen sehen anders aus., viele kleiden sich westlicher. Und die Märkte – waw!! Während es in Bolivien all das gab, was um den Titicaca-See herum angebaut wurde, also Kartoffeln, Bohnen, Mais, … , gibt es hier nun zusätzlich alle Früchte und Gemüse der Küsten- und Urwaldregionen. Ein totaler Augen- und Gaumenschmaus!

Was es aber nicht gibt, ist Milch. Nur Kondensmilch. Ich trinke ohnehin Tee, Torsten nun seinen Kaffe schwarz. Als wir vom Titicaca-See nach Norden Richtung Cusco fahren, machen wir einen Zwischenstopp zum Wandern im Tinajani-Tal, auf 3.950 m gelegen. Nette Felsformationen, die zu einer kleinen Tageswanderung einladen, also verbringen wir zwei Nächte auf einem Bauernhof, der ein kleines Museum eingerichtet hat und Tagesgäste sowie Camper beherbergt. Als wir draußen unser Abendessen kochen, werden die Kühe von der Weide in den Stall getrieben. Wir reagieren nicht sofort. Als am nächsten Morgen ein kleiner dreirädriger Transporter hält und die Morgenmilch abholt, gehen wir sofort hin. Die Morgenmilch ist aber schon verkauft. Der Käufer ist der Bauer von nebenan, der eine Käserei betreibt. Kurze Zeit später treibt die Bäuerin die Kühe aus dem Stall. Durch einen kleinen Fluss auf eine Weide mit Ichu-Gras und Binsen. Stolz erzählt sie mir, dass dies ihr Beruf ist, Kühe hüten. Den ganzen Tag lang betreut sie die Kühe, treibt sie jeweils nach einer gewissen Zeit des Grasens weiter. Die Kühe haben keine übervollen Euter, sie sind nicht auf Hochleistung gezüchtet.

Nach unserer Wanderung bringen wir eine leere 1,5 Liter Flasche zum Bauernhof. Kurze Zeit, nachdem die Kühe abends wieder in den Stall kommen, bekommen wir die melkwarme Milch gebracht. Der Bauer mahnt uns, die Milch zu kochen. Es erfreut uns, dass er ähnliche Hygienevorstellungen hat wie wir. Aus der einen Hälfte kochen wir uns einen Schokoladenpudding. Großartig! Die andere Hälfte kochen wir ab und verwenden Sie für den Café. Die Milch riecht wunderbar und frühste Kindheitserinnerungen von Urlauben in den Bergen werden bei uns beiden wach. Ich mache mich voller Freude über die Milchhaut her. Ja, auch ich trinke einen  Michcafé . Der sahnige Geschmack ist unglaublich. So einen leckeren Café haben wir beide seit langer Zeit nicht mehr getrunken. Leider ist sie am Tag danach schon ausgetrunken, aber wir sind schon gespannt, wann wir wieder mal einen solchen Bauernhof finden. Auf jeden Fall fahren wir am nächsten Morgen bei der Käserei vorbei und kaufen von jeder Sorte ein Käserad: Jung, reif, mit Kräutern aus der Umgebung, mit rotem Quinoa. Letzteren haben wir mittlerweile Bissen für Bissen genossen, es war – außer zwei leckeren Ziegenkäsen – mit Abstand der beste Käse in Südamerika! Und wir freuen uns schon auf die übrigen. Einfach herrlich, Milch und Käse von Kühen zu genießen, die man auf der Weide gesehen hat.

Evolution des Brotes

Evolution des Brotes

Bei vielen deutschen Langzeitreisenden scheint Brot als deutsches Kulturgut ein wichtiges Thema zu sein. Auch wir kommen nicht darum herum, uns Gedanken über Frühstück in abgelegenen Regionen und Wüsten zu machen. Wer will schon jeden Tag süße Kekse der Lebensmittelindustrie zu sich nehmen?!

Vorgefertigte Pita- oder sonstige Fladenbrote lassen sich gut in der Pfanne zubereiten und  in Form von Wraps als Grundlage für schnelle süße oder deftige Speisen verwenden.  Nur sind diese nicht flächendeckend erhältlich.

  1. Evolutionsschritt: Kaufe Mehl und Hefe und stelle den Teig für Fladen selbst her.
  2. Evolutionsschritt: Fertige aus dem Teig gefüllte Teigtaschen (Marmelade, Käse, Pizzabelag)
  3. Evolutionsschritt: Verwende mehr Öl und frittiere: Donuts und Berliner. Das benutzte Pflanzenöl kommt gefiltert in den Tank.
  4. Evolutionsschritt: Die Steinzeit. Entzünde ein Lagerfeuer auf flachen Steinen und verwende nach dem Herunterbrennen die erhitzten Steine zum Ausbacken von Fladen. Die Asche liefert wertvolle Mineralstoffe, die dem Weizenmehl Typ 000 fehlen.
  5. Evolutionsschritt: Technische Optimierung. Lasse dich von den vielen Adobe-Öfen der Altiplano-Dörfer (sieht wie ein Iglu aus) inspirieren. Über den flachen Steinen wird ein falsches Gewölbe aus Steinen des Titicaca-Sees in Kuppelform errichtet. Vorne eine verschließbare Öffnung, oben ein Loch zum Abziehen der Rauchgase. Nun muss viel Eukalyptusholz gesägt werden (Ilonas Aufgabe, da mühselig, zeitaufwendig und zermürbend), das mit einem kleinen Beil der beliebten Marke F….. gespalten wird (meine Aufgabe, da ich mich bei dem zähen Holz kaum vor Motivation zurückhalten kann). Man benötigt viel Holz bis die Steine alle eine sinnvolle Temperatur erreicht haben, die auch als Oberhitze bezeichnet werden kann. Nach etwa vier bis fünf Stunden ist es soweit: Glut und Asche werden beiseitegeschoben und bieten Platz für zwei kleine Pizzen oder vier Brötchen. Der Teig wird mit Röstzwiebeln (gibt’s angeblich bei Aldi und Lidl, aber nicht hier bei uns) verfeinert. Die Pizzen sind nach 5 min. und die Brötchen nach 15 min. fertig gebacken. Insgesamt konnten wir viermal den Ofen beschicken, wodurch wir leckere Brötchen auf Vorrat für den nächsten Tag erzeugten. Länger haben die Vorräte nie gehalten, weil sie so lecker waren.

Für mich selbst ging mit dem Ofenbau ein Kindheitstraum in Erfüllung: Die Kindergartentante meiner Gruppe (heute heißt das Erzieherin) erschreckte ich bereits mit dem Wunsch, einen Ofen zu bauen, statt Tiere aus Ton zu formen… Sehr genossen haben wir auf jeden Fall die Erfahrung, wie aufwendig es ist, mit elementaren Mitteln die Nahrungsmittel selbst herzustellen. Nun fehlte nur noch das eigenhändige Mahlen des Getreides und die Gewinnung von Sauerteig. Da wird sehr deutlich, dass in den Industrieländern kaum noch ein Bäcker ohne Backmischung und vorgebackenen Rohlinge auskommt.

Wald-Camp am Titicaca-See

Wald-Camp am Titicaca-See

28.11. bis 07.12.2017

Am Abend nach La Paz kommen wir bereits in dem lauschigen Eukalyptushain an. An der Ostseite des Titicaca-Sees liegt auf einer kleinen Halbinsel ein Vorsprung, der an drei Seiten vom See umgeben ist. Dieser ist natürlich stark windexponiert, hat aber einen unverstellten Blick in Richtung Sonnenaufgang, Süden und Sonnenuntergang. Natürlich wählen wir für den Hano diesen exponierten Stellplatz! Neun Nächte werden wir hier bleiben. Das absolute Camper-Paradies: Als einzige Infrastruktur gibt es Mülleimer. Und glasklares Wasser aus dem Titicaca-See.  Einige Bäume wurden gefällt, man kann sich hier mit Brennholz versorgen. An einigen Tagen kommen Tagesgäste. Die meisten Nächte sind wir allein, kurzzeitig campen auch zwei englische Pärchen hier, die mit chilenischen Transportern unterwegs sind.

Am ersten Abend kommen wir spät und erschöpft an, und kochen und essen im Hano. Rundum blitzt und gewittert es – im Süden über La Paz, im Osten über der Cordillera Real, im Westen über Copacabana. Über unseren Platz fegt nur ein heftiger eisiger Wind, nachts regnet es. Die Regenzeit kündigt sich an. Am nächsten Morgen wieder Sonnenschein. Die Nachttemperaturen liegen zwischen 7 und 11 C, tags zwischen 13 und 16 C. Warm ist es nicht, aber wenn die Sonne scheint ist die Strahlung enorm und täuscht T-Shirt-Wetter vor. Das Herumlaufen im T-Shirt führt aber nur zu roten Armen und dazu, dass man nach kurzer Zeit richtig durchgefroren ist.

Die ersten beiden Tage verbringen wir mit technischem Dienst am Hano. Nach fünf Wochen Wüstenpisten ist von Waschen, Saugen, Entstauben, lose Schrauben Festziehen, gebrochene Kühlerhalterung Reparieren über diverse Lackierarbeiten viel zu tun. Dafür können wir uns aber keinen schöneren und ruhigeren Platz als diesen vorstellen. Die „Arbeit“ gerät hier eher zur Meditation, man kann sich währenddessen immer am frischen Eukalyptusduft, am Rauschen der Wellen, und am  Anblick des sich kräuselnden Wassers erfreuen. Nach all den Wochen in der Wüste endlich Wasser im Überfluss!

Im Laufe des zweiten Tages beginnen wir dann neben den Wartungsarbeiten, uns „häuslich“ einzurichten: Ein Sägeplatz wird auf einem umgefallenen Baum angelegt, daneben ein Hackplatz, eine Feuerstelle für das Lagerfeuer, die sich im Laufe unseres Aufenthalts in die Steinzeit weiterentwickeln wird, und Torsten zimmert aus Eukalyptusholz ein Untergestell für den Faltkanister und unsere Falteimer – ein rustikaler Waschplatz entsteht. So macht Campen richtig Freude! Da wir keine 10 m vom Wasser entfernt stehen, kommen die Fischer erstaunlich nahe ans Ufer und bestaunen die Wandlung des Platzes. Alle winken fröhlich, manche rufen uns etwas zu, was wir nicht verstehen. Wir winken auch immer kräftig und rufen etwas über das schöne Wetter, den starken Wind, den Regen oder den herrlichen Platz zurück. Zwei Fischer wagen sich sogar an Land. Der erste ist recht kommunikativ und sehr neugierig. Nach einem Besuch ist er befriedigt und kommt nicht mehr. Der zweite ist eher schweigsam. Bei seinem ersten Besuch ist Torsten gerade dabei, die Schrauben unter dem Auto zu prüfen und festzuziehen. Er erklärt das dem Fischer und schraubt weiter. Fast eine Stunde lang steht unser Besucher neben dem Hano. Erst als ich mit dem Beschriften der Tachoscheiben fertig bin, aussteige, und mich zu Torsten herunterbücke, wagt auch er, unter das Auto zu sehen. Er beobachtet Torsten dann noch eine zeitlang und rudert nach einer kurzen Verabschiedung davon. Zwei Tage später kommt er wieder, mittlerweile sind wir voll eingerichtet. Er bleibt in respektvollem Abstand stehen. Da wir mittlerweile den Großteil unserer Pflichten abgearbeitet haben, nehmen wir uns mehr Zeit für unseren Gast. Wir bieten ihm einen Café an, den er erst beim zweiten Angebot annimmt. Wir setzen uns, er betrachtet etwas ungläubig das kleine Zuckerpäckchen, das wir ihm geben. Er spielt lange verlegen damit herum, bis die Packung an einer Stelle aufreißt, und leckt dann bedächtig den kleinen Zuckerkristall von seinem Finger ab, der sich aus der Packung befreit hat. Dann erst dämmert uns, dass er diese Zuckerpäckchen wohl gar nicht kannte und sich sicher gewundert hat, weshalb wir ihm anstelle des versprochenen Zuckers ein Papierpäckchen gereicht haben. Wieder verbringt er etwa eine Stunde bei uns. Er ist sehr schweigsam, genießt es aber, mit uns in der Sonne zu sitzen und schaut oft nach oben in die Wipfel der Eukalyptusbäume. Wir reden ein wenig über seinen Ort, seine Fischerei, das Wetter und die Natur hier und in Deutschland. Und schweigen und betrachten die Eukalyptusbäume. Keine Eile. Als er seinen Café bedächtig zu Ende getrunken hat, frage ich ihn nach seinem Boot. Er ist erfreut, dass wir uns dafür interessieren. Wir gehen zum See hinunter und er bedeutet uns wortlos einzusteigen. Damit hatte ich nicht gerechnet, aber wir steigen erfreut ein. Er rudert mitten auf den See hinaus, eine unerwartete schöne Ausfahrt. Da er keine Anzeichen macht umzukehren und wir ihn nicht überstrapazieren wollen, fragt Torsten nach einer Weile, ob er rudern darf. Das Boot ist selbst gezimmert, und die beiden Ruder sind unterschiedlich groß. Der Fischer hat Übung darin, die Ruder unterschiedlich tief einzutauchen. Torsten muss sich erst einmal einrudern, bis der Geradeauslauf klappt. Dann wendet er und rudert uns ans Ufer zurück. Wir steigen aus, der Fischer rudert davon, sein letzter Besuch bei uns.

Jaime, der sich um den Platz kümmert, kommt ab und zu vorbei. Wir reden über das Wetter, die Kommunalwahlen, die neuen Baumaßnahmen der Regierung, die auch diesem kleinen Ort eine moderne Schule beschert haben, usw. Er freut sich, dass es uns so gut gefällt, und registriert, dass der Platz um den Hano herum immer sauberer wird. Die Bolivianer schmeißen ihren Plastikmüll meist recht sorglos in die Natur (wie alle anderen Südamerikaner auch), und wir räumen zumindest in unserem Bereich nach den Tagesgästen immer wieder auf. Außerdem machen wir kurzen Prozess mit dem trockenen Holz und den extrem brandgefährdeten heruntergefallenen Ästen, an denen noch Blätter hängen. Eukalyptusholz lässt sich sehr schwer Spalten, Bohren und Verschrauben. Zum Anfeuern eignen sich Rindenstücke, und sogar frische Blätter brennen gut und duften dabei lecker wegen der ätherischen Öle. Um so brennfreudiger sind die trockenen Blätter… Unser Lagerfeuer fassen wir in Steine und richten es nach dem Wind aus, um die Waldbrandgefahr zu bannen. Aber bei den teilweise recht nahen Gewittern wird uns mulmig… Wir machen auch wieder die Erfahrung, dass man für jede Stunde Lagerfeuer zwei bis drei Stunden Holz machen muss. Das gefällt uns aber – nach so vielen Fahrtagen toben wir uns acht Tage lang körperlich aus, und nach all den schnell wechselnden Eindrücken der letzten Wochen lernen wir diesen wunderschönen Flecken durch den langen Aufenthalt von allen Licht-, Wind- und Wettersituationen her kennen.

Das war mit Abstand der schönste Platz, auf dem wir je gecampt haben, und es fällt uns richtig schwer Abschied zu nehmen. Aber weitere Abenteuer rufen.

Mit dem Hano mitten durch La Paz

Mit dem Hano mitten durch La Paz

28.11.2017

Da wir eher Natur- als Städte-Liebhaber sind, hatten wir eigentlich beschlossen, La Paz in einem weiten Bogen zu umfahren. Auf unserem Weg vom Altiplano zum Titicaca-See hätte es ja auch gereicht, auf großen Durchfahrstraßen im hochgelegenen Stadtteil „El Alto“ zu bleiben, auf 4.100 m Höhe. Da wir aber die Ostseite des Titicaca-Sees anpeilen, an der es nur kleine Orte ohne große Infrastruktur gibt, beschließen wir, in La Paz nochmal Wasser- und Lebensmittel-Vorräte zu fassen. Wir peilen also einen Supermarkt an, der – wer hätte es gedacht  – auf 3.200 m in einem entspannten Vorort liegt. Die Zufahrtstraße ist auf unserer Gesamt-Bolivienkarte als kurzer gerader Strich eingezeichnet. Schon in El Alto beginnt das Abenteuer. Entlang der großen Einfallstraße wechseln sich Werkstätten, Gemüsestände, improvisierte Straßenküchen mit Bauchläden voller Handys, Schrauben oder Knöpfe ab. Plötzlich sehen wir sechs Esel am Straßenrand stehen. Ein Junge zapft sich von einer Eselstute frische Milch in einen kleinen Becher und trinkt sie. Milch direkt von der Eselin –  das habe ich noch nie zuvor gesehen. Die Einfallstraße ist zweispurig, und bis zu den ersten Häusern etwa 10 m Platz, sodass sich all diese Szenen in sicherer Entfernung neben der Straße abspielen. Dann kommt unsere Abzweigung. Es geht natürlich in steilen Serpentinen bergab. Zunächst kommen einige Steinbrüche, dann kleine Vororte, die jedoch immer wieder von kleineren oder größeren Gärten oder Brachland aufgelockert werden. Alles jedoch dicht an die Straße gebaut – wenn jemand aus einem Haus tritt, steht er fast direkt vor dem Hano. In manchen Gärten wird Gemüse angebaut, in anderen stehen Kühe, Schweine, Esel, Pferde. Wir fahren also 900 Höhenmeter bergab wie durch kleine Dörfer. Dann kommt der MiSuper, in der Tat der erste (und auch später einzige) Supermarkt, den wir auf näherem Weg durch diese Hauptstadt finden. Sie sind schon auf Reisende eingestellt, denn als ich der jungen Frau an der Kasse erkläre, dass wir nur Wasser, nicht aber die 20 Liter-Behälter benötigen, ruft sie sofort eine Kollegen, der mir vier dieser großen Wasserbehälter vor den Hano fährt und sie Torsten zum Einfüllen in unsere Wassertanks in den Hano reicht. Der junge Mann hat schon einige Casas Rodantes gesehen, sowas wie unseren Hano aber nicht. Da während des Wasser Füllens nur relativ große und neue Autos hier geparkt haben, schlussfolgern wir, dass wir in einem reichen und sicheren Vorort sind. Wir sichern das Fahrerhaus mit einer Kralle und wagen uns zu zweit in den Supermarkt. Hohes Preisniveau, dafür leckere italienische Importwaren als Ergänzung zu den einheimischen Lebensmitteln. Wir kaufen kräftig ein. Dann programmieren wir den Titicaca-See als nächstes Ziel ein. Unsere Navi-App hat jedoch leider die Angewohnheit, einen lieber den kürzeren Weg durch die Innenstadt als den schnelleren Weg über die großen Ausfallstraßen zu führen. Waren die Straßen hinab von El Alto schon eng (aber dafür dem Straßenverkehr vorbehalten), kommen wir jetzt in noch engere Gässchen, auf denen sich zusätzlich noch Markisen, Verkäufer mit Bauchläden, oder gleich ganzen Marktständen befinden. Und natürlich nicht nur die Verkäufer, sondern auch Heerscharen von Kaufwilligen, die natürlich Vorrang haben und überhaupt nicht auf den Verkehr achten. Eine zusätzliche Herausforderung bei dem Versuch, keine Passanten zu überfahren, ist die geringe Körpergröße der Bolivianer – aus dem erhöhten Hano-Führerhaus heraus sind Personen neben dem Auto kaum zu sehen. Eine weitere verkehrstechnische Herausforderung sind die Collectivos, kleine Sammeltaxibusse. Außer uns ist niemand so blöd, sich mit dem eigenen Auto in dieses Gassenchaos zu wagen. Man nimmt ein Collectivo. Man winkt, das Collectivo wechselt ohne zu blinken die Spur und hält an, gern auch vor roten Ampeln, mitten auf einer Kreuzung oder auf der Gegenspur. Dann wird diskutiert, ob das Collectivo die richtige Richtung hat, was bislang einige Zeit dauern kann. Das ganze Gewusel spielt sich bei Steigungen und Gefällen von bis zu 15% ab. Interessant ist auch, dass die Märkte hier sortenrein getrennt sind. Zunächst irren wir durch mehrere Straßenzüge mit Gemüseständen. Hier ist es am engsten, und die meisten Passanten rennen kreuz und quer vor dem Hano herum. Zum Glück sind die meisten Käuferinnen Indigenas, die ihre Käufe traditionell in ihre bunten Wolldecken einschlagen und auf dem Buckel tragen – so weisen trotz der geringeren Körpergröße die leuchtend bunten Muster wie Signalfarben auf die Passantinnen hin. Im nächsten Viertel werden Haushaltswaren verkauft. Töpfe, Elektrogeräte aller Art, einige Deko-Artikel. Dann kommt das Auto-Reparatur-Viertel: Reifen, Motorteile, Kühler, Stoßdämpfer, alles rund ums Auto wird in verschiedenen Gebrauchszuständen von neu (aber verstaubt) bis fast kaputt, aber gerade noch brauchbar, feilgeboten. Dazwischen laden Werkstätten zur Autowäsche oder zum Ölwechsel ein. Während bisher in der Stadt  niemand vom Hano Notiz genommen hat, winken uns hier die Mechaniker zu wie sonst nur die Landbevölkerung. Dann sehen wir plötzlich überall runde Holzrahmen und fragen uns, welches Viertel dies nun sei – natürlich das Musikerviertel, merken wir, als wir die erste fertige Trommel sehen. Vom Musikerviertel kommen wir endlich auf die große Ausfallstraße Richtung Titicaca-See. Geschafft – denken wir. Plötzlich halten einige Polizeiautos vor uns, wir halten auch. Wir dachten erst, sie bilden eine Kolonne, die wir vorlassen wollten, aber als ganze Mannschaften aus den Fahrzeugen aussteigen wird uns klar, dass die Straße für einen Einsatz komplett abgeriegelt wird. Torsten folgt dem Schwarm der Collectivos, die ja hier heimisch sind, und sich in den engen Seitengässchen auskennen. Sie finden bestimmt zielsicher eine gute Umgehung. Zunächst wirkt diese Umgehung auch ganz gut. Dann schwärmen die Collectivos falsch herum um einen Kreisverkehr, der Gegenverkehr kennt das offensichtlich schon und weicht aus. Alles fließt sehr organisch umeinander, der Hano hinterher. Bis ein Auto völlig quer fährt und das gefällige zweckmäßige Umeinanderfließen ohne Verkehrsregeln zum Stocken bringt. Die Collectivos können noch alle schnell abfließen, nur der Hano bleibt allein gegen den Strom zurück. Plötzlich greifen die Verkehrsregeln wieder, wir stehen als Einzige falsch, und lassen uns etwa 5 min umfahren und anhupen, bis eine kleine Lücke entsteht, in die Torsten laut hupend einfährt und uns wieder auf die richtige Seite bringt. Wir finden die Ausfallstraße wieder. Ich als Beifahrerin bin schachmatt, und wundere mich, wie gelassen Torsten die Fahrt durchgestanden hat. Dabei ist klar: wenn man als Fahrer anfängt, nervös zu werden, hat man in so einer Stadt verloren. Man kann nur cool durchfahren – oder aussteigen. Erstaunlicherweise hat auch der Hano keine Schramme davongetragen. Die Kupplung wurde durch den Stop-and-Go-Verkehr am steilen Berg vermutlich etwas beansprucht, aber das war es. Als wir aus La Paz heraus sind, trabt der Hano fröhlich die 4.000 m hohe Hochebene entlang wie eine junge übermütige Gazelle – endlich wieder Auslauf! Wir freuen uns auf die Einsamkeit am See, freuen uns aber auch über die schönen Erinnerungen an eine spannende Stadtdurchfahrt. Niemand kann uns nachsagen, dass wir La Paz nicht intensivst erlebt haben!

Lebewohl Chile

Lebewohl Chile

Ende November 2017

Der gesamte Blog spiegelt unsere punktuellen und persönlichen Erfahrungen und deren subjektiven Interpretationen wieder, wir erheben keinen Absolutheitsanspruch unserer Erlebnisse. Unsere unerquicklichen Begegnungen mit den Chilenen waren wohl nur Pech. Wir können uns aber nicht vorstellen, was uns jemals wieder dazu bewegen könnte, nochmals einen Fuß in dieses ungastliche Land zu setzen.

Der erste Eindruck bestimmt bekanntlich sehr viel. Wenn aber die sieben ersten Eindrücke von der negativsten Sorte sind – wie will man das wider kitten? Unsere sieben erste Eindrücke von Chile:

  1. Ein Maschinengewehr
  2. Regeln wider den gesunden Menschenverstand
  3. Klau unserer Lieblingsbohnen
  4. Bürokratie um der Bürokratie Willen
  5. Eine verschlossene Schranke
  6. Stacheldraht
  7. Wahl-Prohibition

Nun aber der Reihe nach: Als wir vor zwei Wochen von Bolivien nach Argentinien fuhren, mussten wir 120 km durch Chile fahren. Die Ausreise von Bolivien verlief problemlos. Aus chilenischer Seite stand ein Gebäude mit vielen Aufschriften, unter anderem Policia und Aduana. Bei der Aduana meldet man üblicherweise sein Fahrzeug an bzw. ab. Ich gehe auf das Gebäude zu, und werde am Eingang von einem Beamten mit Maschinengewehr am langen Arm empfangen. Da fühlt man sich natürlich gleich willkommen! Dieser Beamte erklärt mir, dass hier keine Aduana sei, und dass wir alle Angelegenheiten der Migracion (Ein-/Ausreise der Personen) und Aduana (Ein-/Ausreise des Hano) an der argentinischen Grenze in Jama klären könnten. Ich frage nochmal nach, weil ja auf dem Gebäude Aduana stand, worauf er mir unwirsch erklärte, dass hier definitiv keine Aduana sei. Wer argumentiert schon mit einem höchst unfreundlichen Beamten mit Maschinengewehr? Wir gehen davon aus, dass er zwar unfreundlich ist, aber weiß was er sagt, und fahren nach Jama. Dort stellt sich heraus, dass seine Aussage unwahr war. Wir hätten nach San Pedro de Atacama fahren müssen (40 km vom bolivianischen Grenzübergang und 160 km von Jama entfernt, wo wir das erfahren), um die Einreise bestätigen zu lassen. Der junge Mann der Migracion hat ein Einsehen. Er stempelt den Laufzettel ab, dass wir die chilenische Migracion erledigt haben, sodass wir in Argentinien einreisen können. Die Pässe stempelt er jedoch nicht ab – wir waren an diesem Tag also nicht in Chile. Eine pragmatische Lösung. Seine Kollegen von der Aduana wollen uns aber allen Ernstes nach San Pedro zurückschicken, um dort nach Chile einzureisen. Ich kürze die folgende über halbstündige Diskussion ab. Ich weiß nicht, ob es meine Argumente waren (wir haben doch nur befolgt, was uns der Beamte mit dem Maschinengewehr gesagt hat, Sie können doch auch die Einreise aus Argentinien bestätigen – dann können Sie uns doch auch unsere Einreise aus Bolivien bestätigen, …), oder meine Beharrlichkeit, oder vielleicht wollten sie einfach mein schlechtes Spanisch nicht mehr erdulden – nach langem Hin und Her, und nachdem endlich die oberste Chefin der Aduana dazukam, stellten sie dem Hano für diesen Tag Ein- und Ausreisepapiere aus. Der Hano war also offiziell in Chile, seine beiden Fahrer hingegen nicht. Uns egal, wir waren glücklich in Argentinien angekommen.

Als wir dann nach dem tränenreichen Abschied von Argentinien wieder nach Chile einreisten, eigentlich mit der Absicht, den Norden Chiles gründlich zu erkunden, mussten wir uns bei der Einreise der bisher schärfsten und unfreundlichsten Grenzkontrolle stellen. Dass der Beamte, der den Hano durchsuchte, trotz Aufforderung, auf dem ausgelegten Handtuch zu bleiben, alles mit seinen staubigen Stiefeln vollgetrampelt hat, war nur ein Gipfel seiner Respektlosigkeit. Die Zwiebel hatten wir als frisches Lebensmittel angemeldet, und es war klar, dass er sie uns abnehmen musste. Das sind die Spielregeln. Dann durchsuchte er noch die haltbaren Lebensmittel. Weshalb ausgerechnet die Porotos Negros (superleckere schwarze Bohnen) beschlagnahmt werden mussten, die Linsen und das Quinoa hingegen nicht, weiß nur der Himmel bzw. sein Speiseplan. Hätte er doch für sein Abendessen etwas genommen, was man in Chile nachkaufen könnte – aber Porotos Negros haben wir dort in der folgenden Woche nicht gesehen. Vermutlich wollte er sie genau deshalb haben…

Zwanzig Kilometer weiter eine Station der Carabinieros Chilenos. Torsten ging mit den Papieren hinein und ließ den warmen Motor laufen, da wir gerade mal wieder einen Pass erklommen hatten. So kurz nach der Grenze würde die Kontrolle ja nicht lange dauern – dachten wir. Sie wollten alles nochmal wissen, inklusive Beruf, Reiseroute, usw. und gaben alles nochmal in den Computer ein. Was soll man davon halten – da weiß die rechte Hand nicht, was die Linke tut – oder Zwist zwischen den Ämtern – oder schlichtweg vorbildliche Gewaltenteilung? Naja, es war mittlerweile spät und wir waren nach der unbegrenzten Freiheit in Argentinien gespannt, wie gut man in Chile Übernachtungsplätze findet. Wir folgten einem Schild zu einer Lagune, es waren Eintrittspreise angeschrieben. Nach zwei Kilometern Piste standen wir plötzlich vor einer verschlossenen Schranke. Die hätten sie ja gleich zu Beginn der Piste bauen können.

Wir fanden in der Nähe einen ruhigen Übernachtungsplatz, und waren nach einer erholsamen Nacht gern bereit, Chile heute mit neuen Augen zu sehen. Zur Mittagszeit folgten wir einem Schild „pueblo pictorico“ und ließen den Hano einen steilen Berghang hinauftraben. Der als malerisch ausgelobte Ort bestand jedoch aus heruntergekommenen Wellblechbehausungen. Nicht einmal die Landschaft war pittoresk. Immerhin gab es einen schattigen grünen Platz in der Mitte des Ortes – dort könnte man ja picknicken. Dieser kleine Grünstreifen war jedoch mit Stacheldraht umzäunt. Ist es verständlich, dass wir uns verkohlt vorkamen?

Dann ging es weiter nach San Pedro de Atacama. Die Reiseführer warnen ja schon, dass dies seit Jahren kein verträumtes Wüstenstädtchen mehr ist, sondern ein reiner Touristenort, an dem alles so teuer ist und jeder schöne Flecken Eintritt kostet, sodass die Einheimischen, die nicht vom Tourismus leben, sauer aus die Touristen sind. Was der Reiseführer jedoch verschwieg ist, dass auch diejenigen, die vom Tourismus leben, höchst unfreundlich sind. Von allen Touristenkäffern, die wir bisher gesehen haben, ist San Pedro mit Abstand der uncharismatischste. In Uyuni beispielsweise waren viele Touristen – aber dann kamen Scharen von Schulbuben in ihren schwarzen Anzügen, Mädels in ihren blauen Röcken und weißen Blusen, alle mit Zeichenblöcken unter dem Arm, und man merkte, dass es noch ein einheimisches Leben gab. San Pedro ist mit 2000 Einwohnern zu klein, um den Touristenscharen ein eigenes Profil entgegensetzen zu können – aber deswegen müssten sie nicht so unfreundlich sein und einem klarmachen, dass sie einen nur als Melkkuh sehen. Wir wechseln Geld, tanken, finden immerhin zwei Gemüsemarktstände zum Auffüllen unserer Lebensmittelvorräte – und dann kamen wir auf die Schnapsidee, noch nach chilenischem Wein zu suchen, den wir nach wie vor am leckersten von allen südamerikanischen Weinen finden. Nach langem Suchen finde ich den EINEN Laden, der eine Konzession zum Verkauf von Alkohol hat. In den Lokalen gibt es natürlich Wein und Bier, nicht aber in den normalen Läden. Dieser Laden ist heute jedoch geschlossen. Nicht etwa, weil heute Sonntag ist. Sondern weil heute Präsidentenwahl in Chile ist. Alkohol darf erst wieder verkauft werden, wenn die Wahllokale geschlossen haben. Wenn diejenigen, die diese Regel erlassen haben, ihren Landsleuten nicht einmal zutrauen, am Tag zuvor Alkohol zu bunkern, wenn sie sich denn am Wahltag die Kante geben wollen – was für ein Bild sollen wir dann von den Chilenen bekommen? Naja, jetzt ist uns jedenfalls klar, weshalb so viele Plakate mit verlogen-schleimig grinsenden Konterfeien die Straßenränder zierten…

Soviel zu unseren sieben ersten Eindrücken. Wir haben auch einige nette Leute in Chile getroffen. Aber insgesamt hatten wir eher den Eindruck, dass jeder nur nach sich schaut, ein möglichst großes Auto haben will (das erinnerte uns an ein bestimmtes Land in Europa…), und sich nicht um seine Mitmenschen kümmert. In Calama besuchen wir die größte Tagebau-Kupfermine der Erde, Chucuicamata. Die Führung ist lieblos von der Stange, das Loch jedoch beeindruckend: fast 5 km lang, 3 km breit und mittlerweile 1.200 m tief. Die Schwerlader benötigen 30 min um hinunterzufahren, und eine Stunde um vollbeladne wieder heraufzukommen. Wegen des hohen Dieselverbrauchs lohnt sich der Tagebau bald nicht mehr, Stollen mit Förderbändern sind in Planung.

Landschaftlich-kulturell herausragend war der Gigante de Atacama – eine über 100 m hohe indigene Petroglyphe auf einem Berghang, die einen Menschen (oder menschenähnlichen Gott?) darstellt. In dem weniger bekannten und daher ruhigen Nationalpark Isluga fanden wir noch weitere schöne Flecken. Allerdings fiel uns auf, dass die kleinen Dörfer auf dem Land, insbesondere in den Wüstenregionen elendig zerfallen. Während in Bolivien alles gegen die Landflucht getan wird: Schulen und Sporthallen gebaut, Orte mit Wasser und Strom versorgt, … kümmert sich in Chile wohl niemand um die überwiegend von Indigenas bewohnten zerfallenden Dörfer. Schnelles Geld scheint angesagt zu sein.

Als wir uns gerade in hübschen heißen Quellen zu einem Bade in niedergelassen hatten, kamen vier junge Erwachsene: eine Frau und drei Männer. Als sie 30 (!!) Bierdosen an den Beckenrand tragen, schwant uns, dass die Ruhe bald vorbei sein wird, aber was dann kommt, hatten wir wirklich nicht erwartet: sie gehen in voller Kleidung ins Wasser, zerhauen mitten in der heißen Quelle einem jungen Mann 12 rohe Eier über dem Kopf, fangen dann an, Süßigkeiten zu fressen und werfen den Plastikmüll einfach ins Wasser. Innerhalb von 10 Minuten machen sie aus dem heißen Bad, das sich viele Menschen in Frieden teilen sollten, einen Saustall. Eigentlich hatten wir vorgehabt, noch einige Tage in dem Nationalpark zu verweilen, aber da er grenznah gelegen ist, beschließen wir, nach Bolivien zu wechseln. Die Grenzbeamten sind wieder typisch Chilenisch: obwohl wir alle Papiere vorlegen, wollen Sie den Hano nicht auschecken. Wir verstehen nicht, was der Beamte uns sagt, aber das kümmert ihn nicht, er nimmt den Nächsten dran. Ein chilenischer LKW-Fahrer erklärt uns, dass wir noch ein chilenisches Formular ausfüllen müssen, das am anderen Ende des Gebäudes vor dem bolivianischen Aduana-Schalter (?!?) ausliegt. Ein sehr netter Chilene – es gibt sie also doch! Die bolivianischen Beamten sind so nett und herzlich, wie wir sie auch zuvor schon erlebt hatten. Der Beamte, der unseren Hano nach frischen Lebensmitteln durchsucht, bleibt respektvoll auf dem Handtuch stehen. Er will wissen, wo wir denn schlafen, ist fasziniert von der Dusche, und nachdem wir ihm unseren Kühlschrank und das Gemüsefach zeigen, nimmt er die angemeldete Zwiebel an sich. Unsere Hülsenfrüchte interessieren ihn nicht. Und bei der anschließenden Fahrt in ein Seitental, in dem wir die Nacht verbringen werden, sehen wir mehrere neu entstehende Ortschaften, mit Wasser, Strom, im zentralen Ort eine neue Schule und Sporthalle, und die Menschen auf der Straße und auf den Feldern winken dem alten ausländischen Fahrzeug freudig zu. Hurra, wir sind wieder im richtigen Land!

Der wilde Nordwesten Argentiniens

Der wilde Nordwesten Argentiniens

Mitte November 2017

Nach dem Touristenrummel in Purmamarca zieht es uns wieder in die Einsamkeit. Die nördliche Weinhauptstadt Argentiniens Cafayate lassen wir daher schnell hinter uns und fahren die bekannte “Ruta 40“ nach Norden, die nördlich Cafayate nur noch Piste ist. Möglicherweise liegt es daran, dass dort kaum Verkehr herrscht. Im Laufe von vier Tagen begegnen uns dort sechs Motorräder, der Geländewagen von Gabi und Hans, einem vor 30 Jahren nach Argentinien ausgewanderten Paar, das wir bereits in Bolivien getroffen hatten, – das waren vermutlich die Touristen. Ansonsten begegnen uns eher Traktoren und kleine Geländewagen, deren Fahrer beim übernächsten Acker halten und Feldarbeit verrichten. Entlang der Ruta 40 verläuft hier nämlich der Rio Calchaqui, an dessen Ufern fruchtbare Täler liegen, in denen sogar Trauben gedeihen. Der Fluss ist am Ende der Trockenzeit nur mehr ein kleines Rinnsal, aber das reicht, um die Felder zu bewässern, und die Regenzeit ist ja nicht mehr fern. Wir übernachten sichtgeschützt in kleinen Seitentälern, die jeweils völlig verschieden sind: Das erste zur Übernachtung auserkorene Tal ist wüstenartig, es gibt außer spannenden Felsformationen nur dornige, blattlose Sträucher, welche die Erkundung der Felsen stark erschweren. Das zweite Übernachtungstal nennen wir Eselstal, da sieben wilde Esel unter lautem Protest vor dem Hano davontrotten. Den ganzen Abend, bis in die Nacht hinein, stehen sie auf den umliegenden Hügeln und beschallen uns mit „I-Aaa“ sowie einem ärgerlichen Schnauben, wie ich es noch nie von Pferden oder Eseln gehört habe. Dieses Tal ist voller Bäume und Sträucher und duftet herrlich kräutrig – kein Wunder, dass die Esel hier gern hausen. Der dritte Übernachtungsplatz sieht auf den ersten Blick nicht sehr einladend aus – eine Stichpiste führt 150 m von der Hauptpiste weg und endet dort vor einer Felswand. Wir sind zwar von der Hauptpiste weg, fühlen uns aber etwas eingeengt – hatten wir doch die beiden letzten Nächte in einsamen weiten Tälern übernachtet. Das Engegefühl legt sich jedoch, als wir die Felswand hinaufklettern – und eine kleine mit Kandelaberkakteen bewachsene Hochebene vorfinden. Fast zwei Stunden wandern wir von Kakteen- Ebene zu Kakteen-Ebene, sanft geht es immer höher bergauf. Diese Übernachtungsplätze lagen alle auf 1.800 m bis 2.600 m. Am vierten Tag verbringen wir den Morgen in den Kakteen und wollen eigentlich wieder eine kurze Etappe fahren, bis wir plötzlich merken, dass wir schon auf einer Passstraße sind. Etwa alle vier Kilometer gibt es auf der einspurigen Piste eine Ausweichbucht, keine Seitenpisten. Wir müssen also über den Pass, obwohl es schon spät ist. Der Pass Abra el Acay ist laut Straßenschild 4.895 m hoch, laut Navigationssystem 4.950 m. Wie hoch er auch immer sei – es sind sehr viele Höhenmeter auf kurzer Fahrstrecke, auf einer engen einspurigen Piste, die sich in halsbrecherischen Serpentinen den Berg hinauf windet… Die dünne trockene Luft kühlt kaum, der Motor ist zwar willig, aber sehr heiß. Dann sehen wir vor uns einen kleinen weißen Wagen, der bei jedem Rinnsal hält und Wasser in den Kühler nachschüttet. Eine sechsköpfige Familie aus San Antonio de los Cobres, dem nächstgelegenen größeren Ort. Wir bleiben hinter ihnen – für den Fall der Fälle, und weil dem Hano die Ruhepausen auch gut tun. Torsten schneidet Ihnen eine neue Dichtung für den Kühlerdeckel, was ein wenig hilft. Als der Kühler wieder überkocht (reines Wasser kocht in diesen Höhen ja bei unter 80C) und gerade kein Bach in der Nähe ist, helfen wir mit Wasser aus, und Torsten bietet an, sie abzuschleppen. Wir finden an dem Auto jedoch keine Befestigungsmöglichkeit für unser Abschleppseil. Also geht es im Schneckentempo weiter bergauf, mit vielen Kühlungs- und Fotopausen. Im letzten Abendlicht erreichen wir den Pass (und machen ein „Passfoto“), die Argentinier fahren schnell bergab nach Hause, während wir uns im Dunkeln einen Übernachtungsplatz suchen. Endlich finden wir eine größere Parkbucht am Rande der Straße, an einem Murmelbach, in 4.200 m Höhe. Da hier nachts kein Verkehr herrscht, verbringen wir eine ruhige Nacht. Am nächsten Morgen tanken wir in San Antonio nochmal voll, bevor wir uns weiter in die Wüste begeben. Danach sehen wir tagelang kein Wasser mehr – nur form- und farbschöne Berge, aus denen früher  verschiedene Mineralien oder Schwefel gefördert wurden. Die meisten Minen sind geschlossen, einige Orte, die noch auf der Landkarte verzeichnet sind, sind seit Jahrzehnten aufgegeben – mehrere Geisterstädte auf engem Raum! Dank der Salare, den oberflächlich ausgetrockneten Salzseen, aus denen Lithium gefördert wird, gibt es doch noch einige bewohnte Siedlungen. Wir wären gern noch länger in dieser herrlichen leeren Landschaft geblieben, in der wir an manchen Tagen nur von Weitem ein Auto sahen – aber wir konnten die Piste nach Süden zum nächsten bewohnten Ort nicht sicher finden, und sind wegen der schwindenden Diesel- und Wasservorräte sicherheitshalber umgekehrt. In diesem wunderschönen und wilden Landstrich Argentiniens warten auf einer nächsten Reise oder in einem nächsten Leben noch weitere Abenteuer auf uns!

 

Purmamarca (Ar)

Purmamarca (Ar)

7. November 2017

 

Vor zwei Tagen kamen wir über eine atemberaubende Straße hierher: 1.800 m Gefälle (von 4.200 m auf 2.400 m) auf 20 km Luftlinie. Während der Abfahrt werden die Berge immer spektakulärer und bunter. Und nun sind wir hier, in Purmamarca, einem absoluten Touristenort in bezaubernder Lage: eingerahmt von formschönen bunten Bergen, durch die man fröhlich spazieren kann. Wir haben einen genialen Platz, um uns nach drei Wochen frei stehen in der Wüste auszuruhen, den Hano zu überarbeiten, Wäsche zu waschen und diesen Blog zu aktualisieren: über dem Marktplatz, auf dem Indigenas ihre Wollsachen, Holzschnitzereien usw. feilhalten, liegt die Kirche, dahinter unser Campingplatz. 50 m trennen unsere herrliche Ruhe (wenn auch windgepeitscht) vom bunten prallen Leben. Am zweiten Tag (gestern) hatten wir auch endlich die kleinen Läden zur Selbstversorgung gefunden: als typischer Touristenort soll man hier natürlich essen gehen. Die  Mini- Mercados sind nicht angeschrieben, sondern man erkennt sie nur dann, wenn sie (zufällig) offen haben. Wir bleiben aber unsrem Prinzip treu, die lokalen Gemüse und Käse selbst zu veredeln. Wenn man etwas kauft, was man nicht kennt, kann man ja fragen – in Verbindung mit unseren Spanischkenntnissen ergibt das bisweilen lokal anmutende Gerichte, und bisweilen interessante Abwandlungen durch nicht ganz wortgetreue Ausdeutung der Rezepte – beides ist gut und lecker! Morgen geht es weiter, und wann wir wieder WLAN finden werden, steht in den Sternen…

 

Reserva Nacional de Fauna Andina Eduardo Avaroa

Reserva Nacional de Fauna Andina Eduardo Avaroa

Oder kurz: die Lagunenroute von Uyuni nach Süden (Chile).
Nur ein kurzer Eintrag, damit der Blog nach langer Zeit in der Wüste wieder aktuell wird: Die Landschaften sind spektakulär. Bunte Berge und Bergmassive in allen erdenklichen Rot-, Blau-, Grüntönen. Mehrere Lagunen auf über 4.000 m Höhe. Voller Flamingos, deren Gefieder in dieser Höhe in satten Rosatönen leuchtet. Die Zollstation, bei der der Hano aus Bolivien auschecken muss, liegt auf 5.033 m Höhe. Auf 4.800 m Höhe finden wir farbenfrohe Schlammpfuhle. Auf 4.300 m Höhe einen einsamen Übernachtungsplatz an einer heißen Lagune, in der wir ungestört bei Außentemperaturen von -5°C ein 33°C heißes Bad nehmen können, während die Tourenbusse Unmengen an Touristen in denselben kleinen Pferch zwei Kilometer weiter karren. Temperaturen morgens -15°C. Im Anblick der vereisten einfach verglasten Scheiben freuen wir uns jeden Morgen über die Standheizung, die uns im Innern +5°C beschert. Zwei Stunden nach Sonnenaufgang, wenn der nach Osten gerichtete Motorraum gerade Plusgrade erreicht, springt der Hano nach 20 Sekunden Orgeln an. Zugegebenermaßen mit einigen deutlichen und dichten Rußwölkchen, aber er springt zuverlässig an. Was ihm mehr zusetzt als die dünne Luft (wegen deren geringeren Kühlleistung wird der Motor auf diesen Höhen bis zu 10 Grad wärmer als in der Ebene!) und die Kälte, ist der erbärmliche Zustand der Piste. Da die Geländewagen der Tourenanbieter rücksichtslos mit hohen Geschwindigkeiten über die Pisten jagen, um ihre Zeitpläne einhalten zu können, erzeugen sie viel Staub (ein Vielfaches mehr als unser Fünftonner!), schleudern dem Gegenverkehr unverdrossen Steine entgegen und fahren die Pisten in ein gnadenloses Waschbrett aus. Das macht nicht nur dem Hano zu schaffen, sondern auch den Verursachern selbst: (1) ist die Piste ist immer so breit ausgefahren wie möglich, teilweise auf zwei km (!!) Breite, sodass das Büschelgras, das die Lamas so gern essen, auf ganzen Hochebenen kaputtgefahren ist, und (2) zeugen weggeworfene Stoßdämpfer (im naturgeschützten Nationalpark!) davon, dass dieses Wettrasen auch mit moderner Einzelradaufhängung nicht immer glimpflich ausgeht. So angepasst wie wir fahren sie natürlich nicht. Und als wir einen liegengebliebenen Tourenanbieter sehen, sind wir die Einzigen, die hinfahren und helfen – die „Kollegen“ machen einen weiten Bogen um den havarierten Geländewagen. Dabei war dem Guide mit 5 Litern Wasser, einer 13er Nuss und etwas Mut zureden zu helfen… Obwohl wir dem Rummel mit einsamen Übernachtungsplätzen entgehen, und immer einige kurze bis längere Momente finden, in denen wir die Naturschönheiten ungestört genießen können, bewahrheitet sich mal wieder das, was wir schon in Europa festgestellt haben: die Ernennung zum Nationalpark läutet in jeder Gegend den Massentourismus ein, und vorbei ist es mit der Ungestörtheit. Wohl dem, der einen schönen einsamen Platz findet, der diesen Status (noch) nicht innehat! Insofern sind wir trotz der schönen Anblicke und Erlebnisse nicht ganz böse, als wir den Nationalpark wieder über die Grenze nach Chile verlassen…

 

Salar de Uyuni,

Salar de Uyuni,

26.10.2017
Die größte Salzwüste der Erde – ein gewaltiges Naturerlebnis! Faszinierende Sonnenauf- und –untergänge, unerbittliche Sonneneinstrahlung und zermürbendes blendendes Licht bei Tag, grandioser Sternenhimmel bei Nacht. Bisher der absolute Höhepunkt unserer Reise!
Der Salar de Uyuni ist eigentlich ein Salzsee, 160 km lang und 130 km breit. An der tiefsten Stelle soll er 220 m tief sein. Auf seiner Oberfläche jedoch befindet sich eine mehrere Meter dicke Salzkruste, welche die Hälfte des Jahres trocken ist, und ab Dezember durch Regenfälle zu 30 cm tiefem Salzmatsch aufweicht. Wir sind also noch rechtzeitig gekommen! Durch die dicke Kruste kann er in der Trockenzeit begangen und befahren werden. Die Salzkruste ist nicht einheitlich glatt, sondern in Polygone (4- bis 7-Ecke) von ein bis zwei Meter Durchmesser unterteilt, an deren Kanten sich das Salz einige Zentimeter hoch und breit aufwölbt. Soweit das Auge blicken kann. Und das blickt weit! Allerdings mussten wir feststellen, dass sich nur nach Südosten hin ein „Blick in das unendliche Weiß“ ergibt – im Osten wird der Salar durch die Cordillera Central, nach Norden hin durch den „Hausvulkan“ Tunupa mit seiner farbenfrohen Kraterregion, und nach Westen hin von den chilenischen Anden begrenzt, mit ihren schneebedeckten Gipfeln. Da diese majestätischen Berge weit über 5.000 m hoch sind, während der Salar auf 3.356 m.ü.N.N. liegt, erblickt man sie am Horizont als kleine sanfte Hügel – nur der 60 km entfernte Tunupa wirkt etwas größer.
Sieht man die Salzkruste genauer an (und gräbt bzw. scharrt auch ein wenig), stellt man fest, dass sie aus verschiedenen Schichten besteht. Wir hatten gehört, dass die starken Regenfälle im letzten Jahr sehr viel Schlamm von den umliegenden Bergen auf den Salar gespült haben. Tatsächlich ist die oberste, ca. 3 cm dicke Salzschicht bei genauem Hinsehen gelblich bis bräunlich gefärbt (je nach Tageszeit, siehe unten), während die darunterliegende Schicht reinweiß ist.
Insgesamt 6 Nächte verbrachten wir in dieser Salzwüste. Am zweiten Tag sahen wir von weitem drei kleine Punkte: einen Bus und zwei Geländewagen. Gehört haben wir in den ersten drei Tagen nichts als uns selbst: Atmen, Reden, Kühlschrank, Standheizung. Bisweilen auch den Wind. Das ist unfassbar: tagsüber und mitten in den Nacht war es bisher windstill. Draußen ist also kein Geräusch! Halt – gestern kam eine Taube und gurrte! Als wir ihr ein Schälchen Wasser hinstellten, weil wir dachten, sie hätte sich verirrt, flog sie beleidigt davon. Als ob sich eine Taube verirren könne – sie kam natürlich nur, um den Hano mitten in dieser weißen Einöde zu bewundern! Beide Abende zog von Westen her Wind auf. Von jetzt auf nachher bläst und tönt es unerbittlich! Nachts Temperaturen um den Gefrierpunkt, tagsüber um 16°C. Die unerbittliche Strahlung wärmt einen jedoch, T-Shirt genügt. Den Großteil des Tages verbringen wir im Hano, geschützt vor der gleißenden und brennenden Sonne. Bei offener Dachluke haben wir drinnen angenehme 25 Grad. Die Höhe entwässert einen, die geringe Luftfeuchte von 20% r.F. (ist unser Hygrometer vielleicht am Anschlag?) trocknet die Schleimhäute aus: die Nase piekst und ein trockener Reizhusten quält. Man kann gar nicht genug trinken. Der Hunger hält sich in Grenzen. Wegen dieser absoluten Ruhe und Abgeschiedenheit hier beschließen wir, einige Tage auf dem Salar zu verbringen.
Grandios sind die Stunden um Sonnenauf- und -untergang. Nachdem wir am ersten Tag beinahe das schönste Morgenlicht verschlafen haben, haben wir heute früh den Wecker auf 5:00 Uhr gestellt. -1°C, man kann schon ohne Lampe sehen, da der weiße Boden das wenige Licht, das schon auf die Erde fällt, reflektiert. Man erkennt auch schon einen schwachen roten Schimmer am Horizont, dort, wo die Sonne in einer Stunde aufgehen wird. Der Gipfel des Tunupa fängt schon die ersten Sonnenstrahlen ein, während wir die Sonne noch nicht sehen. Am westlichen Horizont ein grandioses Farbenspiel: Direkt über dem Horizont ein sanftes Babyblau, darüber ein kräftiges Tiefblau, darüber Violett, Rot, Orange, Gelb, Grün, darüber wieder zartes Blau – die Farbe der „blauen Stunde“. Das rotorangene Band, das den Sonnenaufgang ankündigt, ist also umlaufend am Himmel zu sehen! Im Westen liegt darunter direkt über dem Horizont ein tiefblauer Streifen. Je näher die Sonne dem östlichen Horizont kommt (erkennbar an dem immer stärker werdenden goldenen Leuchten im Osten), desto kleiner und dunkler wird der tiefblaue Streifen über dem westlichen Horizont. Solch ein Farbspiel habe ich noch nie gesehen! Als die Sonne dann um 5:59 Uhr ihre ersten Strahlen über den Horizont wirft, wird die gesamte Salzwüste innerhalb weniger Sekunden in gleißendes Licht getaucht: Von Westen her hellt sich der Boden auf, unsere Schatten reichen etwa eine Minute lang bis an den Horizont, und schrumpfen dann langsam. Vorbei sind die spektakulären Farben. Und das Erstaunliche: Während der Salar im Abendlicht etwa zwei Stunden lang in warmen gelblichen Farben erstrahlt, wirkt er im ersten Morgenlicht bereits kaltweiß. Es gibt noch wenige Minuten nach Sonnenaufgang, in der das Salz so bläulich scheint wie in der Stunde davor – dann gleißt alles in strahlendem Weiß. Sonnenbrille angesagt; ab 9:00 dann die Gletscherbrille. Unglaublich!
Dann kommt über Mittag die Zeit der Fata Morgana. Während die entfernten umliegenden Gebirge bis auf den Horizont hinunter zu sehen sind (wenn auch in blassen Farben), scheinen die kleinen in den Salzsee eingestreuten Inseln zu „schweben“. Die wabernden Luftschichten direkt über dem Salz trennen diese Inseln optisch vom Boden, und sie spiegeln sich in dieser Schicht, sodass sie unten abgeflacht sind und wie „Eier“ über dem Salar zu schweben scheinen.

 

Auf abgelegenen Pisten quer durch Bolivien

Auf abgelegenen Pisten quer durch Bolivien

18. Oktober 2017
Eigentlich wollten wir ja zügig, so schnell es die Höhenanpassung erlaubt, nach Uyuni fahren. Durch die illegalen Cocabauern kam es dann aber anders. Da die Regierung die illegalen Plantagen stilllegt, kommt es zur Gegenwehr der Betroffenen Bauern in Form von Straßenblockaden. Eigentlich hatten sie für unsere Strecke keine Blockade angekündigt, nur für die ganz großen Verbindungsstraßen im Land. Nach 60 km Fahrt auf guten Straßen stehen wir dann doch vor solch einer Blockade. Sie soll bis um 18:00 dauern. Jetzt ist noch morgens, und weit und breit kein schattiger Platz. Torsten dreht kurzentschlossen um: 50 km zurück, dann geht eine Piste ab. Was für ein Abenteuer! ERSTENS ist die Piste schwer zu finden: Die gedruckte Straßenkarte von National Geographics führt völlig in die Irre. Zum Glück habe ich von Ihnen nur die Bolivien-Karte gekauft! Das Navi kennt die Pisten, die wir fahren, auch nicht durchgehend. Doch als wir meinen, völlig im Nirvana gelandet zu sein, fragen wir uns durch: links abbiegen, dieser Mini- Piste ein bis zwei Stunden bis Tierras Nuevas folgen, dann rechts abbiegen. Das ist die Beschreibung für die nächsten 80 km. ZWEITENS hat diese Piste beständig Steigungen und Gefälle zwischen 13% und 20%. Die Tachoscheibe bekundet eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 15 km/h. Und DRITTENS kommen wir endlich in Gegenden und Siedlungen, die für uns urtypisch Bolivianisch wirken… In den Tälern findet man abwechselnd naturbelassene Wälder oder kleine Felder: Kartoffeln, Paprika, blühende Äpfelbäume, … Zwischen atemberaubenden Passhöhen und Schluchten finden sich kleine Siedlungen aus Adobe-Häusern, also aus traditionellen getrockneten Lehmziegeln. Bis auf 2.300 m gibt es Palmen, über 3.000 m nur noch wenig Bäume, und die Felder weichen Ziegen- und Schafherden, Schweine laufen über die Straße – saubere gesunde freilaufende Schweine, kein stallgeplagtes Mastvieh. Alles wirkt verhältnismäßig. Bescheiden, aber nicht ärmlich. Evos Bewässerungsprogramm versorgt nach und nach alle Siedlungen mit Trinkwasser, vielenorts wird emsig neu gebaut, in traditioneller Bauweise, und wir meinen, eine Aufbruchstimmung bei den Bauern zu spüren. Die vielen „Evo Si!“ Inschriften auf Felsen, Häusern, Plakaten verstärken diesen Eindruck, und die vereinzelten „Evo No“ Inschriften zeugen (ebenso wie die Straßenblockaden) von lebendiger Demokratie. Während die meisten Orte dem Vorbeifahrenden entweder nur „Si“ oder „No“ verkünden, sind in Pucara die Häuser rund um die Plaza gleichverteilt mit beiden Voten beschriftet. Die Nachbarn stehen aber in freundlichem Gespräch beisammen. Wer würde bei uns an seine Fassade schreiben, was er gewählt hat??
Und so vermittelt uns diese Fahrt durch die landschaftlich faszinierenden Vorgebirge der Anden gleich einen kleinen Einblick in das gesellschaftliche und politische Geschehen!

 

Baumfarne im Amboro-Nationalpark

Baumfarne im Amboro-Nationalpark

 16. Oktober 2017

Als uns Campingplatznachbarn von der Wanderung im Nationalpark zwischen Baumfarnen erzählen, hört sich das für uns erstmal langweilig an. Große Farne – na und? Dann lernen wir, dass diese mehrere Meter hohen Farne aus der Dinosaurier-Zeit stammen, heute nur noch in Bolivien, Costa Rica, Australien und Neuseeland zu finden sind, und eine ganz große Besonderheit besitzen: die kelchförmigen Öffnungen der abgestorbenen Blätter sammeln sowohl Regenwasser als auch Tau und Nebel und leiten dieses Wasser in den Boden. Also gerade andersherum wie Bäume, die mit ihren Wurzeln Wasser aus dem Boden saugen. Dadurch entstehen einzigartige Wälder an Stellen, an denen kein echter Wald gedeihen könnte. Außer Baumfarnen gibt es noch viele interessante Kräuter und Sträucher, beispielsweise Citronella, die schon von den Inkas zur Moskitoabwehr genutzt wurde, oder Boldo gegen Halsschmerzen, … Es ist wirklich eine spannende, einzigartige Erfahrung! Als ich Carmelio, unseren Guide frage, wie wir denn im Nebelwald sein können, wo ich doch hier schon vier sternklare Nächte verbracht habe, fällt seine Antwort beklemmend aus: Früher war hier nächtlich Nebel, auch in der Trockenzeit. Durch „La Nina“ jedoch, haben sie mittlerweile ein halbes Jahr völlige Trockenheit. Dadurch wachsen die Baumfarne nicht mehr wie früher 5 mm im Jahr, sondern nur noch 1 mm. In Samaipata könnte daher in 20 Jahren Wüste anstelle der Baumfarne sein…

Naja, hoffen wir das Beste! Schließlich beherbergt dieser große Nationalpark im Innern, wo sie die Touristen nicht hinlassen, noch Jaguare, Tapire, und viele viele Affenarten, die gern auch noch in vielen Jahren dort ihre Ruhe vor den Menschen genießen würden! Obwohl ich natürlich gern diese scheuen Tiere in freier Wildbahn gesehen hätte, bewundere ich die Konsequenz, dass man ein riesiges Schutzgebiet für sie errichtet hat, damit sie ungestört von den Touristenströmen leben können, und dass man sie nicht anfüttert und mit Menschenhorden bedrängt. Allein die Atmosphäre zwischen den Baumfarnen war schon ein tolles Erlebnis!

 

Südliches Pantanal

Südliches Pantanal

Das Pantanal ist laut Reiseführer das größte Feuchtgebiet der Erde. Von Bonito aus fahren wir weiter nach Miranda, dem Zentrum des südlichen Pantanals, und von dort aus über Pisten zur Grenzstadt Corumba. Was wir sehen: Weiden, Weiden, Weiden. Entlang der Flüsse ist ein kleiner Gürtel der ursprünglichen Landschaft erhalten geblieben, sowie im Nationalpark, quasi als Alibi. Der Großteil des größten Feuchtgebiets jedoch ist Kuhweiden gewichen! Auch an den anderen kleinen Oasen mit ursprünglicher Landschaft haben wir spannende Tiererlebnisse, insbesondere mit neugierigen Vögeln. Aber eben sehr punktuell. Am nächsten Campingplatz sind wir die Einzigen, die nicht angeln. Während wir uns abends ein leckeres Gemüse kochen, aus dem wir versuchen, die vielen nachtaktiven Käfer und Falter herauszuhalten (dieser Teil der Biodiversität erfreut unser Herz nicht ganz so sehr wie die Vögel…), nehmen nebenan einige Angler ihren Tagesfang aus: Piranhas und Welse, die Sie uns nicht ohne Stolz zeigen. Man findet also zwischen all den Weiden noch etwas Pantanal-Urerfahrung…

 

Südlichstes Pantanal – ab 06.10.2017

Südlichstes Pantanal – ab 06.10.2017

Endlich sind wir so richtig in Südamerika angekommen! Fast auf jeder Reise gibt es diese Momente, wo man sagt: „Das habe ich mir erhofft, dieser Ort bzw. diese Begegnung charakterisiert für mich das Reiseziel!“ Auf dieser Reise ist das hier auf dem Camping do Gordo in Bonito. Ein unscheinbares Schild an der Straße weist auf den Platz hin, und man fährt erstmal 10 (!) km Piste, bis man an dem Flusslauf ankommt. Als wir ankommen, sind wir die einzigen Gäste. Wir stellen uns möglichst nah an das Wasser, ganz unten am Platz. In dem Fluss schrubbt ein Wels auf einem Stein in Ufernähe (der uns an die Welse in unserem Aquarium zu Hause denken lässt). Als Torsten dann ins Wasser steigt, schrubbt der Wels gleich an seinem Fuß weiter. Wir dachten schon, wir hätten unseren Welsen zu Hause etwas beigebracht, da sie in die Hand kommen und diese beschrubben – dabei ist das ein absolut natürliches Verhalten! Die vielen Vögel an dem Platz kann ich nicht zoologisch korrekt beschreiben: sie sind zahlreich, bunt, laut, alle Größen von Kolibri-klein bis Nandu-groß. Vier Aras (die großen blauen, größer als unsere Saatkrähen!) fliegen über den Platz hinweg. Plötzlich raschelt es im Gebüsch. Wir nähern uns vorsichtig – es raschelt lauter und plötzlich glotzt und ein (Kapuziner?-) Affe an. Er betrachtet uns aus 2 m Abstand so neugierig wie wir ihn. Nur dass er behende durch die Äste turnt, um uns von allen Seiten zu bestaunen. Zwischendurch reißt er einen Ast ab und kaut an den Blättern, wirft das meiste aber weg. Er tollt noch ein wenig herum, und verschwindet dann, um seine Eltern und Geschwister zu holen. Einfach nur toll! Bei uns muss man in einen Zoo gehen, um sowas zu sehen, und dann sind die Tiere meist so abgestumpft, sodass man sie nicht wirklich erLEBT. Hier sind sie Menschen gewohnt (Campingplatz), aber sie kommen einem so nahe bzw. bleiben so fern wie SIE wollen. Einige Vögel inspizieren neugierig den Hano, andere hört man nur und erkennt erst nach genauem Hinschauen von Weitem die Größe, Form und Farbe. Im Moment krächzt es krähenartig und Torsten winkt mir – ein Tukan! So ein schöner Schnabel und solch eine unattraktive Stimme. Es ist schon heiß geworden (12:00 Uhr und 35°C), ich höre jetzt auf zu schreiben und gehe in den Fluss baden…

Iguaçu-Fälle 30.09.-03.10.2017

Iguaçu-Fälle 30.09.-03.10.2017

Die Iguaçu-Fälle sind beeindruckend – fotografisch und filmerisch ein El Dorado! Wir nehmen uns Zeit und besichtigen sie von beiden Seiten. Zunächst auf der brasilianische Seite, die eher einen Panorama-Blick auf die in Argentinien gelegenen Fälle bietet und den tosenden Wassermassen nur am Ende des Pfades nahe kommt. Auf argentinischer Seite (Iguazú) wird man dann auf Gitterrost-Pfaden an und über die Fälle geführt, ist also näher am Geschehen dran. Da wir gleich frühmorgens dort sein wollten (bevor es ganz voll wird), verlegen wir sogar den Hano nach Argentinien, mit all den lustigen Grenzformalitäten. Dazu werde ich vielleicht zu einem späteren Zeitpunkt mal einen Beitrag schreiben. Kurz zusammengefasst: Der Papierkram ist zeitaufwendig, aber die Inspektion des Fahrzeugs beschränkte sich bisher auf einen kurzen Blick auf das Fahrzeug oder in den Aufbau. Die kleine Küche, Dusche und Sitzecke werden bewundert, und als ich dem Zollbeamten erkläre, dass das Bett durch Absenken der Tischplatte und Umgruppieren der Sitzpolster zustande kommt, ist er hoch erfreut und lässt uns passieren. Und die Aufschrift auf der Motorhaube „Hanomag“ lässt er sich nochmal vorlesen.

Zurück zu den Iguaçu-Fällen. Wir sind schwer beeindruckt und verweilen deshalb so viele Tage in der Gegend. Nicht nur die Wasserfälle sind spannend, sondern auch der Regenwald ringsum. Jetzt kommt das kleine „aber“: Da die Fälle ursprünglich gut im Regenwald versteckt waren, sind sie nur auf eigens zur Besichtigung angefertigten Pfaden zu erreichen. Das, was einen die Wasserfälle erreichen lässt, trennt einen aber gleichzeitig von der Natur. Außerdem lustwandeln auf diesen Pfaden jährlich über 1,5 Mio Besucher. D.h. man ist spätestens eine Stunde nach Öffnung umringt von fröhlich-lärmenden Heerscharen Selfie-schießender Gruppen. Und wenn man ein Stativ aufbaut, denken alle, hier ist es besonders schön – und zwischen unseren Gesichtern, der Kamera und den Stativbeinen werden nicht selten bis zu vier Selfie-Stöcke gleichzeitig hindurchgeschoben, um ja auch dasselbe tolle Foto zu ergattern. Einerseits die künstlichen Besucher-Wege, andererseits die Menschenmassen lassen bei uns nicht die tiefe innere Verbundenheit mit der Natur aufkommen, die wir bei den Wasserfällen Íslands verspürt hatten. Dort kann man an die meisten Wasserfälle ohne Wege einfach so herantreten, und zwar so nahe, dass man nichts Anderes mehr hört als ihr gewaltiges Tosen. Sollten doch mal ein paar Menschen hinter einem stehen und sich unterhalten, hört man es einfach nicht mehr. Die isländischen Wasserfälle zogen uns optisch, akustisch und emotional so in ihren Bann, wie es die viel größeren Iguaçu-Fälle bei uns nicht vermochten.

 

Obrigado Lucas e Douglas, 28.09.2017

Obrigado Lucas e Douglas, 28.09.2017

 

Heute ist ein Hano-Tag. Wir fahren nach Norden, und langsam wird es immer wärmer. Von den erfrischenden 17°C an den ersten Tagen in Uruguay hat sich die Temperatur auf knappe 30°C am Tag gesteigert. Zusätzlich ist Süd-Brasilien noch recht hügelig, der Hano klettert mehrfach von 200 m.ü.N.N. auf 600 m.ü.N.N. und wieder zurück, der Motor wird also recht warm. Allerdings alles noch voll im zumutbaren Bereich. Als wir kurz vor Mittag in Lindoeste an einem kleinen Supermarkt halten, laufe ich nach Verstauen der Vorräte vor dem Hanomag herum. Was sehe ich da – einen Öltropfen! Der kann nicht vom Hano kommen – oder doch? Flink frage ich im Supermarkt nach der nächsten Werkstatt, die glücklicherweise gleich ums Eck ist. Die beiden Lehrlinge (oder Jung-Mechaniker) Douglas und Lucas springen gleich herbei. Die beiden staunen nicht schlecht, als Torsten in seinen Blaumann schlüpft und mit ihnen unter den Hano krabbelt. Wir müssen nicht lange warten, bis wieder etwas Öl tropft. Die Diagnose ist leicht gestellt: Die Ölwannendichtung dichtet nicht mehr. Es muss gerade frisch passiert sein, denn bei dem Halt kurz zuvor war noch alles okay. Die Kommunikation ist abenteuerlich, da wir kein Brasilianisch sprechen, aber Hände und Füße, Französisch und Spanisch, Schraubendreher und Retschenschlüssel lassen keine Missverständnisse aufkommen. Das Öl wird abgelassen, dann machen wir alle eine kurze Mittagspause, um den Motor abkühlen zu lassen, und anschließend wird die Wanne mit unserer eigenen Dirko-Dichtmasse wieder von Lucas und Douglas gründlich und geflissentlich eingedichtet. Der Werkstattmeister ist zufrieden mit der Arbeit seiner Jungs, streicht aber nochmal nach, bevor sie die Wanne wieder montieren. Das Öl wird filtriert und wieder eingefüllt – alles dicht! Wir müssen kaum etwas nachfüllen – wir hatten wirklich Glück, dass wir den Schaden sofort bei der Entstehung entdeckt haben! Ob tatsächlich die Hitze (mit) verantwortlich war, bleibt offen, aber ganz abwegig ist der Gedanke nicht. Jetzt nach getaner Arbeit findet sich die Zeit, den Hano zu bestaunen – naja, viele andere Autos in dieser Gegend sind ähnlich alt, aber einen Hanomag hatten sie noch nie gesehen, nicht einmal der Meister!

Am selben Tag finden wir bei Auto-Peç in Cascavel auch noch das passende Lüfterrad (ihr erinnert euch an des Foto eines früheren Blog-Eintrags?) – und kaufen gleich zwei. Vor dem Laden wird der Hano ausgiebig bestaunt, und wir dürfen selbstredend nicht weiterfahren, ohne dass der Italien-stämmige Herr aus dem Büro nebenan uns einen leckeren Espresso auf die Straße gebracht hat…

Gegen 18:00 wollen wir uns einen Übernachtungsplatz suchen, und loben gerade, wie gut der Hano jetzt doch wieder super läuft, als plötzlich ein ungewohntes Geräusch aus dem Motorraum ertönt. Wir stoppen sofort an einer Ein- und Ausfädelspur neben der vierspurigen großen Straße – Warnweste an, Warndreiecke und Pylone aufgestellt, und zur Sicherheit bringen wir noch zwei orangefarbene Blinklampen an. Es ist wirklich ein ungünstiger Ort zum Liegenbleiben, viele Autofahrer wollen gewohnheitsmäßig auf die Ausfädelspur wechseln, daher kann man nicht genug blinken und leuchten. Zusätzlich winke ich die Autos auf die andere Spur. Torsten findet die Ursache schnell: eine Schraube der Motorhalterung ist vernuddelt – und wird in kürzester Zeit durch eine Gewindestange ersetzt. Heute haben wir uns das Feierabendbier wirklich verdient!

 

Sao Miguel das Missoes, 26.9.2017

Sao Miguel das Missoes, 26.9.2017

 

Nachdem wir durch Süd-Brasilien auf geteerten Straßen (wenn auch teilweise mit verheerenden Schlaglöchern) gefahren sind, fahren wir die letzten 40 km bis zu der Jesuiten-Mission über Piste. Als wir nachmittags gegen 16:00 bei Sao Miguel das Missoes ankommen, hat die untere Hälfte des Hano dieselbe rötliche Farbe wie auch die Steine, aus denen die beeindruckende Kirche gebaut ist. Im warmen Abendlicht erfreuen uns an dem herrlichen Anblick der weitläufigen Anlage, und beobachten die Berufsfotografen, die vor dieser traumhaften Kulisse Familien-, Freundschafts- und Hochzeitsfotos schießen. Am Abend gibt es „Som e Luz“. Um 20:00 auf Brasilianisch, um 21:00 tagesweise abwechselnd auf Spanisch oder Englisch. Wir sind an einem Spanisch-Tag da. Ohne zu murren lassen sie die Ton- und Lichtshow für uns als einzige 21:00 Uhr-Gäste nochmal laufen, aber die englische Variante können sie uns nicht zeigen, weil heute ja Spanisch-Tag ist. Da sich uns die geschichtlichen und machtpolitischen Verwicklungen um Bau, Betrieb, Kampf und Niedergang dieser Jesuiten-Reduktion mit unserem Spanisch-Niveau nicht vollumfänglich erschließen, erfreuen wir uns an den schönen Farben, in denen sie die gesamte Anlage anleuchten, und genießen die milde Abendluft. Wir übernachten auf dem nahegelegenen Parkplatz und werden um 6:00 von einem Tukan geweckt, der mit heftigem Pardautz am Griff der Seitentür landet und neugierig ins Fahrzeuginnere linst. Die Vorliebe der Tukane für Autotürgriffe hatten wir schon am Vortabend bei anderen Fahrzeugen beobachtet. Was für ein charmanter Wecker (nachdem der erste Schreck verflogen ist)! Neugierig geworden besichtigen wir die Anlage am nächsten Morgen nochmal mit einem Audioguide (erstmalig freiwillig nutze ich so ein Gerät!), und hören uns bei strömenden Tropenregen die zugehörige Geschichte an. Wie gut, dass wir gestern intensiv fotografiert und genossen haben!

 

Nord Uruguay

Nord Uruguay

Uruguay, 24.9.2017

Am 16.9. darf der Hano endlich vom Schiff – Bienvenido en Uruguay! Die erste Woche verbringen wir gemächlich am Strand, mit Ausschlafen, kleinen Spaziergängen und Kochen, da wir uns auf dem Schiff einen bösen Infekt mit Husten, Fieber usw. zugezogen haben. Die Dünenlandschaft inklusive Vegetation erinnert uns teils an die Bretagne, teils an Galizien. Nur die Frösche quaken ganz anders (einige maunzen wie Katzen, andere klirren wie Weinflaschen), und die Vogelscharen, die uns umringen, haben viel buntere Farben als bei uns, und regelmäßig kommen Papageien, um uns zu beschimpfen. Daran merkt man den anderen Kontinent.

Nun geht es auf kleinen Pisten nach Norden in die Richtung der Iguazu-Wasserfälle.

Unterwegs ein heftiges Schlagloch übersehen, setzt dem Hanomag zu (Foto). Der defekte Propeller bekam daraufhin eine Gewindestange als Ausgleichsgewicht eingeplfanzt. Weiter gehts.

 

 

Rio

Rio

  1. September 2017 Rio de Janeiro

 

Nach sechs vollen Tagen auf dem Atlantik, an denen ich nicht müde werde, das reine und intensive Blau des Ozeans zu beobachten, geht nun alles Schlag auf Schlag. Am 3.9. laufen wir im Hafen von Vitoria ein und machen abends unseren ersten Landgang an den Strand der Schwesterstadt Vila Velha. Die Brasilianer, die uns begegnen, sind ausnahmslos nett und aufgeschlossen, und freuen sich über uns Ausländer.?! An jeder Straßenecke gäbe es Gelegenheiten, ein Gespräch anzufangen, wenn ich denn nur mal in das Brasilianisch-Buch geschaut hätte anstatt das Ozeanblau zu bewundern… Am Folgetag „erlaufen“ wir uns die hafennahen Stadtteile von Vitoria und Vila Velha. Wie anzunehmen nicht die reichsten Stadtviertel. Aber der Kindergarten ist hübsch in Form eines Schlosses gebaut, frisch gestrichen und von einem heimeligen grünen Garten umgeben – für die Kinder legt man das Beste zusammen, das man aufbringen kann. Die Obst- und Gemüseläden sehen verheißungsvoll aus, und neben einer Werkstatt finden wir unsere Reifengröße, sodass wir sicher sein können, dass auch unser Hano sich hier wohlfühlen wird. Und auch hier begegnet man uns Gringos offen und warmherzig. Was für ein gelungener Einstieg in diesen fremden Kontinent!

Wer mich kennt, weiß, dass ich eine bekennende Großstadt-Flieherin und Vermeiderin geführter Touren bin. Als wir am 5.9. mittags am Zuckerhut vorbei nach Rio de Janeiro einlaufen, bin ich zutiefst beeindruckt von dem Anblick der grünen, hügeligen Stadt, hingegen bin ich skeptisch, ob ich eine geführte Stadtrundfahrt mitmachen werde, wenn sie denn zustande kommt. Sie kommt zustande, ich gehe mit und bin völlig begeistert – von einer Großstadt! Unser Fahrer hat eine abwechslungsreiche Mischung zusammengestellt: Olympiastadion, Samba-Museum, Sambodrome (der Platz, von dem aus der Karneval startet), verschiedene Aussichtspunkte. Dadurch, dass Rio auf weit mehr als sieben Hügeln erbaut ist, und im Stadtgebiet über 40 Quadratkilometer Urwald beherbergt, hat man gar nicht den Eindruck einer Großstadt mit 7 Millionen Einwohnern allein im zentralen Stadtgebiet, sondern vielmehr von unzähligen kleinen Orten, die wahlweise in der Ebene, auf einem Hang, auf einer Anhöhe usw. erbaut sind, von denen jeder eine überschaubare Größe und ein eigenes Flair hat. Überall in dieser Metropole herrscht geschäftiges Treiben und eine der Kommunikationsfreudigkeit entsprechende Lautstärke. Auf dem Corcovado jedoch, rund um die 30 Meter hohe Christusstatue mit den ausgebreiteten Armen, herrscht eine andächtige Ruhe. Keine erzwungene, unnatürliche oder geheuchelte Stille. Nein, all die vielen Besucher unterhalten sich in unzähligen Sprachen, zeigen sich den Zuckerhut oder sonstige Plätze, die sie von oben wieder erkennen, lassen die Höhepunkte des Tages Revue passieren – und doch geschieht das alles ganz ruhig. Ob diese Ruhe der mächtigen Statue, dem atemberaubenden Ausblick oder der faszinierenden Lichtstimmung bei und nach Sonnenuntergang geschuldet ist, sei dahingestellt, aber es ist wahrlich ein Ort der Kontemplation und des Friedens inmitten dieser betriebsamen Stadt. Danach ein schöner Spaziergang (endlich Bewegung!) entlang der Copacabana. Wir schlendern gemächlich, während die brasilianische Jugend bei Flutlicht auf unzähligen kleinen abgesteckten Arealen an dem langen Strand ihre Fußball-, Volleyball- und sonstigen sportlichen Fähigkeiten unter Beweis stellt. Und weiter geht es zu ausgewählten Plätzen der Altstadt. Der heimeligste Ort ist für mich die Escadaria Selarón, das Werk eines chilenischen Künstlers, der die 215 Stufen dieser Treppe über 20 Jahre hinweg mit Kacheln aus aller Welt dekoriert hat, die Besucher ihm gebracht oder geschickt haben. Was für eine faszinierende Stadt!

Und während ich (ausnahmsweise mal) froh bin, dass wir herumkutschiert werden, bedauert es Torsten, dass er nicht noch eine kleine Spritztour mit dem Hano durch die betriebsamen steilen engen Gässchen machen kann…