Letzte Station in Südamerika: Cartagena
9.-15.3. 2018
Am 9.3. geben wir den Hano im Hafen von Cartagena ab. Ein mulmiges Gefühl nach 6 Monaten engster räumlicher Verbundenheit. Wie wird es sein, in einem normalen Bett zu schlafen? Auswärts zu essen? Das Duschwasser nicht rationieren zu müssen – werden wir dem Wasser dieselbe hohe Bedeutung beimessen wie unterwegs, oder es einfach unachtsam laufen lassen, weil es ja plötzlich im Überfluss aus dem Hahn kommt, so wie Strom aus der Steckdose?
Über die Auflagen der Reederei, des Zolls und der Hafenbehörden, die Vorbereitung und Abgabe des Hano könnte man ein eigenes Buch schreiben. Möglicherweise folgt zu einem späteren Zeitpunkt ein rückblickender Blogeintrag.
Nach dem Abschied werden wir von unserem Hafenagenten zu unserem Hostal „La Magdalena“ gefahren. Ein hübsches kleines Hostal, keine zehn Gehminuten vom berühmten Uhrturm entfernt, hinter dem die eigentliche Altstadt Cartagenas beginnt.
Die Altstadt ist recht hübsch, aber im Grunde hat man nach einem Tag vielleicht nicht alles, aber genug gesehen. Enge Gässchen, hübsche alte Kolonialhäuser (na ja – was gut aussieht, sind moderne Betonbauten auf alt gemacht, und die Häuser, die tatsächlich schon 200 Jahre alt sind, wirkten meist eher baufällig als ansprechend…). Da wir oft gelesen haben, dass Cartagena eine der schönsten Städte in Südamerika sein soll, sind wir im Nachhinein nicht traurig, dass wir so wenige besichtigt haben. In den engen Gässchen der Altstadt heizen tagsüber die Autos. Nachts fahren hier Kutschen Besucher spazieren. Die Bürgersteige sind sehr schmal, und zur Hälfte oder ganz von Kunsthandwerk und dessen Verkäufern belegt. So muss man also Slalom laufen, aufpassen, dass man nicht überfahren wird, und jede Unterhaltung wird nach spätestens zwei Sätzen dadurch unterbrochen, dass einem jemand etwas verkaufen will, eine Mahlzeit anbieten will, … Einige Verkäufer bieten wohl tatsächlich original kolumbianische Handarbeit an. Bei anderen Ständen gleichen sich die Artikel so sehr, dass wir eher auf Massenproduktion aus China tippen. Als Laie ist es unmöglich, unter all dem Feilgebotenen das Echte vom Nachgemachten zu unterscheiden.
Wir müssen noch bis zur Drogenkontrolle des Hano im Hafen warten und können dann erst den Rückflug buchen. Die Drogenkontralle darf frühestens 24 Stunden vor Abfahrt des Schiffs mit Anwesenheitspflicht des Fahrzeughalters erfolgen. Also nehmen wir uns Zeit, einige Museen zu besuchen. Absolut spannend und lohnenswert war aus unserer Sicht das „Museo Naval del Caribe“, das parallel zur Geschichte der Schifffahrt und der Hafenanlagen die Geschichte der Stadt erzählt, welche wiederum in die europäische Geschichte eingebettet wird. Außerdem erfährt man viele Fakten und Anekdötchen über Angriffe auf die Stadt durch Freibeuter und Piraten – von Sir Francis Drake im Auftrag Elizabeths der I. bis hin zum Baron de Pointis im Auftrag Ludwigs des XIV wollten sich alle hier bereichern.
Im Goldmuseum kann man viele liebevoll arrangierte Exponate bewundern, die sorgfältig zu Epochen und Landstrichen zugeordnet sind, sodass wir viele Exponate den Stationen unserer Reise zuordnen können. Die Miniaturen aus San Agustín und Tierradentro erkennen wir auch ohne Begleittext wieder – die Figuren, die dort meterhoch in Stein gemeißelt waren, finden wir hier als kunstvoll in Gold getriebene Amulette wieder. Das ermöglicht uns einen schönen Rückblick auf unsere Zeit in Kolumbien, und die Stationen erstrahlen plötzlich in unserer Erinnerung in noch schönerem Glanz. Zudem gibt es drei kurze, sehr aufschlussreiche Lehrfilme über die alten Verfahren der Goldgewinnung und –verarbeitung. Endlich mal nicht stundenlanges Blabla, sondern hervorragend aufbereitete Informationen über das Wesentliche. Eine echte Wohltat. Wir waren zweimal dort!
Nur mäßig beeindruckend fanden wir hingegen das Castillo de San Felipe, immerhin die größte Festung in Südamerika. Auf massivem Fels wurde in mehreren Bauabschnitten ein verwirrendes System aus Mauern, Tunneln und Innenhöfen geschaffen, wodurch es uneinnehmbar wurde. Das ist schon nicht ganz unbeeindruckend. Allerdings wurde diese Festung zwischenzeitlich aufgegeben und als Baumaterial ausgeschlachtet. D.h. die Mauern, auf denen man heute wieder herumlaufen kann, sind nicht original, sondern wurden ab den 1930’er Jahren restauriert. Das erinnert uns irgendwie an die kolonialen Betonhäuser in der Altstadt… Uns kommt es vor, als würde man die Restauration nicht nur sehen, sondern auch fühlen – echte Ehrfurcht wie an anderen historischen Stellen stellt sich nicht ein.
Endlich lässt der Termin für die Drogenkontrolle dann ein Ende unseres Aufenthaltes absehen. Der gesamte Verschiffungsvorgang würde einen eigenen überlangen Blogeintrag beanspruchen, hier nur die komprimierte Version. Die Kontrolle verlief glücklicherweise weniger scharf als erwartet. Bisweilen kommt es vor, dass der Fahrzeughalter allein (denn nur der Halter darf zur Kontrolle in den Hafen!) den gesamten Fahrzeuginhalt ausräumen muss. Der Hano wurde zwar gründlich inspiziert, aber das komplette Ausräumen blieb Torsten zum Glück erspart. Die besonders gründliche Kontrolle begründet sich an der Abwesenheit des Drogenhundes wegen Unpässlichkeit. So wurde es im Protokoll des Zollbeamten vermerkt. Am Abend haben wir dann unseren Rückflug gebucht, und den guten Abschluss der Verladeformalitäten mit unserem Lieblingsbier „Club Colombia“ gefeiert und mit einem leckeren „Ron de Medellín“ ausklingen lassen.
Beim Rückflug gab es noch eine kleine Zitterpartie, es wäre ja zu langweilig gewesen und hätte den Charakter der Reise nicht getroffen, wenn alles reibungslos abgelaufen wäre. Wir hatten eine Code-Nummer für das Online-Tracking des Hano erhalten, die es uns ermöglichen sollte, seinen Aufenthaltsort jederzeit zu verfolgen. Das setzt natürlich voraus, dass alle Vorgänge ordnungsgemäß ins Tracking-System eingetragen werden. Als in Cartatgena das Boarding beginnt, ist das Schiff laut Homepage der Reederei bereits unterwegs Panama, der Hano steht aber laut Tracking noch im Hafen. Steht er dort tatsächlich noch oder ist er nur noch nicht eingebucht? Wir überlegen kurz, ob wir fliegen sollen – denn wenn der Hano tatsächlich nicht auf dem Schiff ist, wird Torsten nochmal beim Hafen vorsprechen müssen. Wir fliegen dann, mit nicht zu leugnender Anspannung. Als wir dann beim Umsteigen in Miami dann die Nachricht von unserem Agenten erhalten, dass der Hano verladen wurde und sanft auf den Wogen der Karibik schaukelt, fällt uns ein riesengroßer Stein vom Herzen. In Ermangelung einer Alternative begießen wir das fröhliche Ereignis mit dem schlechtesten und teuersten Bier aller Zeiten: einem amerikanischen Budweiser, das uns satte 9 US$ pro Pint kostet. Dadurch wird es uns aber lange in Erinnerung bleiben – und wir wertschätzen rückwirkend noch mal die Qualität der Biere in Südamerika.