Die Flut und das Ende kommen oft schneller als man denkt 17.05.2022

Die Flut und das Ende kommen oft schneller als man denkt 17.05.2022

Der 17. Mai war auf allen Ebenen ein Wechselbad der Gefühle.

Was wir bisher von der viel gelobten Garden Route gesehen hatten, hatte sich mit den Beschreibungen gedeckt, die wir von Freunden und Kollegen (ergänzt bitte die :innen) erhalten hatten: „ganz nett“, aber wer in Europa schonmal an der Atlantikküste und/oder am Mittelmeer war, hat Schöneres gesehen. Wir konnten nachvollziehen, dass all diejenigen, die nur wegen der Garden Route nach Südafrika gekommen waren, unendlich enttäuscht waren. Aber wenn man lange unterwegs ist, und vor Kurzem wieder die trockene Karoo durchquert hat, findet man „ganz nett“ doch ganz okay.

Was hier ziemlich nervt, ist der Verkehr. Einerseits ist das wohl darauf zurückzuführen, dass wir auf der Straße von Kapstadt nach Port Elizabeth unterwegs sind – also erleben wir das Verkehrsgebaren genervter Städter, anstatt der gelassenen Farmer im Landesinneren. Weiterhin gibt es in Südafrika momentan starke politische Probleme – die Energiekonzerne wurden von der (vorigen) Regierung heruntergewirtschaftet, sodass nun landesweit regelmäßig der Strom abgestellt wird. Um das Chaos (kein Licht, kein Kühlschrank, bei stromabhängigen Berufen auch keine Arbeit, …) so halbwegs zu mildern, werden Abschaltpläne veröffentlicht, aber die stimmen fast nie. Ach ja, der Treibstoffpreis ist seit unserer Ankunft im September auch um mehr als 50% gestiegen, bei einigen Lebensmitteln ist der Anstieg sogar noch höher. Somit liegen bei vielen Menschen die Nerven blank, und im Verkehr kann man ja gut Dampf ablassen.

Am 17. Mai mittags kommen wir dann endlich an einer wirklich tollen Bucht an, am Keurboomstrand. Schon bei der Anfahrt, die uns einen wunderbaren Ausblick auf schroffe Felsen im Meer beschert, schlägt unser Herz höher. Super, dass wir noch 10 Tage Zeit haben, bis wir wieder zum Verschiffen in Port Elizabeth sein müssen – von hier nach Osten hin beginnt offensichtlich der schönste Teil der Garden Route. Dann der erste Schock: Der Campingplatz hat für Renovierungsarbeiten geschlossen. Als die Besitzerin die Enttäuschung in unseren Gesichtern sieht, und Torsten derselben auch verbal Ausdruck verleiht „Endlich ein schöner Fleck, und wir können nicht hier bleiben“, empfiehlt sie uns einen nahegelegenen Strand-Parkplatz am Rande eines sicheren Wohngebiets, in dem man frei stehen kann.

Wir fahren hin und erleben bei dem faszinierenden Ausblick auf die Bucht eine tiefe Freude, welche die Enttäuschung allemal kompensiert.

Zunächst kochen wir ausgiebig und essen wunderbare Champignon-Rahm-Steaks in der warmen Mittagssonne auf einer Parkbank, etwa zwanzig Höhenmeter oberhalb des brausenden Meeres. Dabei sehen wir, wie ein Südafrikaner sich in die Wellen des indischen Ozeans stürzt.

Das nehmen wir uns als Vorbild, und nach dem Café stürzen auch wir uns in die Brandung. Die Flug kommt, die Wellen wirbeln uns ordentlich umher und spülen uns zurück an den Strand. Wir gehen dabei deutlich tiefer ins Wasser als unser Vorbild. Als wir hinterher ins Gespräch kommen, zeigt er uns Fotos, die er am selben Morgen in einer benachbarten Bucht von einem über 2,5 Meter langen weißen Hai gemacht hat. Also deswegen gehen die Einheimischen nur etwas mehr als knietief ins Wasser… – aber als wir das erfahren, sind wir ja schon wieder heil ans Ufer gekommen.

Dann spricht uns eine Frau an, die Kathrina bewundert und uns mitteilt, dass 500 Meter weiter Deutsche wohnen, die vor 20 Jahren in einem Mercedes 911 eine Tour nach Südafrika gemacht haben – und dann mit Kind und Kegel hier geblieben sind. Wie es der Zufall will, hatten wir Eva im letzten Ort beim Einkaufen getroffen. Sie hatte uns kurz beim Gemüsestand angesprochen, aber nach einem kurzen und freundlichen Wortwechsel hatten wir uns jeweils wieder unseren Einkäufen gewidmet. Jetzt campen wir ganz bei ihnen in der Nähe…

Wir machen einen ausgiebigen Strandspaziergang, wobei der zum Spazieren verbleibende Sandstreifen wegen des steigenden Wassers immer dünner wird. Endlich faszinierende Felsen zum Fotografieren, die dramatisch von den Flutwellen umspült werden – und um den richtigen Ausschnitt zu bekommen, darf man sich natürlich nicht von den Wellen einschüchtern lassen! Nasse Beine und Schuhe sind das Opfer, das wir gern für dieses herrliche Naturerlebnis zahlen. Endlich wird unser Wunsch nach außergewöhnlichen Motiven erfüllt!

Als wir wieder zurück zum Parkplatz kommen, kommen Eva und Rudi, die Auswanderer, vorbeispaziert – ihre Freundin hatte ihnen gemailt, dass die nächsten verrückten Deutschen hier angekommen sind. Sie geben uns viele Tipps, was man in der Umgebung noch ansehen könnte – und wir unterhalten uns so lange, bis es schon zu dunkel für ihren geplanten Spaziergang ist.

Wieder allein, machen wir Pläne für die letzten 10 Tage unserer Reise, aufbauend auf den vielen Tipps. Jetzt ist die Zeitspanne ja überschaubar, da kann man ruhig mal etwas ins Detail planen. Auf jeden Fall stehen noch ausgiebige Fotospaziergänge im Programm, alles andere wird sich drumherum finden. Ein richtig toller Ausklang eines erfüllten Tages! Halt – er ist ja noch nicht vorbei.

Vor dem Schlafengehen ruft Torsten seine Mails ab. Die Abfahrt des Schiffes wurde um 10 Tage vorverlegt. Wir können den Termin nur dann halten, wenn wir morgen in aller Frühe nach Port Elizabeth aufbrechen, übermorgen Kathrina herrichten und sie blitzblank und „blickleer“ überübermorgen um 09:00 Uhr im Hafen abgeben. „Unmöglich, wir müssen das nächste Schiff nehmen“ (bei dem wegen Pandemie und anderen aktuellen Ereignissen niemand genau sagen kann, wann es fahren wird), sage ich, in düsterer Erinnerung an die Putz- und Packorgie bei der Hinverschiffung. „Kein Problem“, kontert Torsten in überzeugtem Tonfall, „wir wissen ja jetzt, wie wir umpacken müssen, auch das Putzen wird schneller gehen, ich habe ja jeden Tag schon eine Partie geputzt, und die Südafrikaner werden sicher bei der Inspektion nicht so pingelig sein wie unsere Landsleute“. Er überzeugt mich mit diesen Argumenten, sodass ich in der folgenden Nacht nach Überwindung des ersten Schocks wunderbar entspannt schlafe und noch im Schlaf das Merresrauschen in mir aufsauge. Torsten hingegen gesteht mir am nächsten Morgen, dass er die halbe Nacht nochmal alles im Kopf hin- und hergeschoben hat. Auf der Fahrt planen wir das weitere Vorgehen und machen wir Notizen, in welcher Reihenfolge wir ausladen werden usw., damit wir die vielen anstehenden Arbeiten ohne unnötige Hektik schaffen.

Ein wenig wehmütig fahren wir an interessanten Felsformationen in den Gegenden vorbei, die wir auch noch hatten besuchen wollen. Aber wie lautet doch ein gängiges Sprichwort: „Man soll gehen, wenn es am Schönsten ist“ – und sich immer einen Grund schaffen, vielleicht einmal wieder zu kehren. Lesotho und die Drakensberge in der warmen Jahreszeit wären ein solcher Grund, diese Bergregion hatten wir ja vor drei Wochen wegen des Frosts ausgelassen, und möglicherweise auch dieser interessante Strandabschnitt.


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