Monat: September 2017

Nord Uruguay

Nord Uruguay

Uruguay, 24.9.2017

Am 16.9. darf der Hano endlich vom Schiff – Bienvenido en Uruguay! Die erste Woche verbringen wir gemächlich am Strand, mit Ausschlafen, kleinen Spaziergängen und Kochen, da wir uns auf dem Schiff einen bösen Infekt mit Husten, Fieber usw. zugezogen haben. Die Dünenlandschaft inklusive Vegetation erinnert uns teils an die Bretagne, teils an Galizien. Nur die Frösche quaken ganz anders (einige maunzen wie Katzen, andere klirren wie Weinflaschen), und die Vogelscharen, die uns umringen, haben viel buntere Farben als bei uns, und regelmäßig kommen Papageien, um uns zu beschimpfen. Daran merkt man den anderen Kontinent.

Nun geht es auf kleinen Pisten nach Norden in die Richtung der Iguazu-Wasserfälle.

Unterwegs ein heftiges Schlagloch übersehen, setzt dem Hanomag zu (Foto). Der defekte Propeller bekam daraufhin eine Gewindestange als Ausgleichsgewicht eingeplfanzt. Weiter gehts.

 

 

Rio

Rio

  1. September 2017 Rio de Janeiro

 

Nach sechs vollen Tagen auf dem Atlantik, an denen ich nicht müde werde, das reine und intensive Blau des Ozeans zu beobachten, geht nun alles Schlag auf Schlag. Am 3.9. laufen wir im Hafen von Vitoria ein und machen abends unseren ersten Landgang an den Strand der Schwesterstadt Vila Velha. Die Brasilianer, die uns begegnen, sind ausnahmslos nett und aufgeschlossen, und freuen sich über uns Ausländer.?! An jeder Straßenecke gäbe es Gelegenheiten, ein Gespräch anzufangen, wenn ich denn nur mal in das Brasilianisch-Buch geschaut hätte anstatt das Ozeanblau zu bewundern… Am Folgetag „erlaufen“ wir uns die hafennahen Stadtteile von Vitoria und Vila Velha. Wie anzunehmen nicht die reichsten Stadtviertel. Aber der Kindergarten ist hübsch in Form eines Schlosses gebaut, frisch gestrichen und von einem heimeligen grünen Garten umgeben – für die Kinder legt man das Beste zusammen, das man aufbringen kann. Die Obst- und Gemüseläden sehen verheißungsvoll aus, und neben einer Werkstatt finden wir unsere Reifengröße, sodass wir sicher sein können, dass auch unser Hano sich hier wohlfühlen wird. Und auch hier begegnet man uns Gringos offen und warmherzig. Was für ein gelungener Einstieg in diesen fremden Kontinent!

Wer mich kennt, weiß, dass ich eine bekennende Großstadt-Flieherin und Vermeiderin geführter Touren bin. Als wir am 5.9. mittags am Zuckerhut vorbei nach Rio de Janeiro einlaufen, bin ich zutiefst beeindruckt von dem Anblick der grünen, hügeligen Stadt, hingegen bin ich skeptisch, ob ich eine geführte Stadtrundfahrt mitmachen werde, wenn sie denn zustande kommt. Sie kommt zustande, ich gehe mit und bin völlig begeistert – von einer Großstadt! Unser Fahrer hat eine abwechslungsreiche Mischung zusammengestellt: Olympiastadion, Samba-Museum, Sambodrome (der Platz, von dem aus der Karneval startet), verschiedene Aussichtspunkte. Dadurch, dass Rio auf weit mehr als sieben Hügeln erbaut ist, und im Stadtgebiet über 40 Quadratkilometer Urwald beherbergt, hat man gar nicht den Eindruck einer Großstadt mit 7 Millionen Einwohnern allein im zentralen Stadtgebiet, sondern vielmehr von unzähligen kleinen Orten, die wahlweise in der Ebene, auf einem Hang, auf einer Anhöhe usw. erbaut sind, von denen jeder eine überschaubare Größe und ein eigenes Flair hat. Überall in dieser Metropole herrscht geschäftiges Treiben und eine der Kommunikationsfreudigkeit entsprechende Lautstärke. Auf dem Corcovado jedoch, rund um die 30 Meter hohe Christusstatue mit den ausgebreiteten Armen, herrscht eine andächtige Ruhe. Keine erzwungene, unnatürliche oder geheuchelte Stille. Nein, all die vielen Besucher unterhalten sich in unzähligen Sprachen, zeigen sich den Zuckerhut oder sonstige Plätze, die sie von oben wieder erkennen, lassen die Höhepunkte des Tages Revue passieren – und doch geschieht das alles ganz ruhig. Ob diese Ruhe der mächtigen Statue, dem atemberaubenden Ausblick oder der faszinierenden Lichtstimmung bei und nach Sonnenuntergang geschuldet ist, sei dahingestellt, aber es ist wahrlich ein Ort der Kontemplation und des Friedens inmitten dieser betriebsamen Stadt. Danach ein schöner Spaziergang (endlich Bewegung!) entlang der Copacabana. Wir schlendern gemächlich, während die brasilianische Jugend bei Flutlicht auf unzähligen kleinen abgesteckten Arealen an dem langen Strand ihre Fußball-, Volleyball- und sonstigen sportlichen Fähigkeiten unter Beweis stellt. Und weiter geht es zu ausgewählten Plätzen der Altstadt. Der heimeligste Ort ist für mich die Escadaria Selarón, das Werk eines chilenischen Künstlers, der die 215 Stufen dieser Treppe über 20 Jahre hinweg mit Kacheln aus aller Welt dekoriert hat, die Besucher ihm gebracht oder geschickt haben. Was für eine faszinierende Stadt!

Und während ich (ausnahmsweise mal) froh bin, dass wir herumkutschiert werden, bedauert es Torsten, dass er nicht noch eine kleine Spritztour mit dem Hano durch die betriebsamen steilen engen Gässchen machen kann…

 

Seereise auf einem Frachter

Seereise auf einem Frachter

  1. September 2017

Eine Seereise hat durchaus interessante Aspekte, die so ohne weiteres kaum erwartbar sind. Als es noch keine Flugreisen gab, musste ein Reisender mit dem Schiff lange Zeit verbringen – mit anderen Passagieren das Schiff und den begrenzten Platz teilen. Die Literatur Anfang des 20. Jahrhunderts ist voll davon. Heutzutage ist man gewohnt, innerhalb von Stunden höchstens weniger Tage das gewünschte Ziel auf der Welt zu erreichen. Telekommunikationsmittel ermöglichen die ständige Erreichbarkeit. Der heute Reisende hält so ständig Kontakt mit der Heimat.

Auf einem Frachter ist das anders. Automatisch wird jeder auf sich selbst zurückgeworfen. Was man nicht dabei hat, kann man auch nicht nutzen. Es gibt keine Internetverbindung, kein Telefon, kein Fernsehen – nichts, womit man Kontakt mit Außenwelt aufnehmen könnte. Auf dem Ozean gibt es keine Ablenkung, keine Zerstreuung. Nur das und das, was eben zu bieten hat. Gelegentlich eine Schule Delfine, ein Schwarm fliegender Fische. Eigentlich eine gute Voraussetzung für jede Form von Kreativität.

Dem entgegen steht die Gefahr, sich über Nebensächliches zu unterhalten oder mit Nichtigem zu beschäftigen. Allzu leicht rutschen die Gespräche unter den wenigen Passagieren in Allgemeinplätze ab. „Gibt es Wein zum Essen? Der Stewart hat einen Kaffee zu viel bereitet. Es ist doch ziemlich windig, weniger als bei früheren Seereisen. Unser Zimmer ist zu kalt …“ Andererseits ist man dem Regiment des Kapitäns vollkommen ausgeliefert. Er allein entscheidet über die Freiheiten aller Personen an Bord. Da kann es schon wichtig sein, dass man einen geschickten Moment ausnutzt, um beispielsweise das Innere des Frachters mit seinem Antrieb besichtigen zu dürfen. Grundsätzlich ist der Stewart der erste Ansprechpartner für Passagiere, erst mit der Zeit tauen die Offiziere auf. Die Mannschaft, fast nur aus Philippinen bestehend, ist durchweg freundlich, zugänglich und hilfsbereit.

Eine gewisse psychische Stabilität ist durchaus sehr hilfreich, zumal auch bei wenigen Passagieren gruppendynamische Prozesse so manche Stilblüte treibt.

Die Hälfte der zehn Passagiere sind deutsche Lehrer (!), die meisten pensioniert. Normalerweise ist der Beruf ja unerheblich … Auf jeden Fall achten alle auf einander.

Nach zweieinhalb Wochen auf See, schaffen wir es, eine Führung durch das Schiff und vor allem zur Maschine zu erwirken. Glücklicherweise wechselte im vorletzten Hafen (Dakar) der Kapitän. Sein Vorgänger ließ mit sich nicht reden.

Das Schiff wird von sieben Zylindern angetrieben, die bei Höchstgeschwindigkeit 17 bis 18 Knoten Fahrt ermöglichen. Die etwa 40 Zentimeter dicke Welle treibt eine Schiffsschraube an, deren Propeller verstellbar sind. Während Liegezeiten in Häfen wird jeweils ein Kolben zu Reinigungszwecken ausgebaut und getauscht. Mehrere Laufbuchsen stehen als Reserve bereit. Das sind ein paar technische Eckdaten, die jeder nachlesen kann. Das eigentlich Spannende ist, die Maschine zu erleben, während sie den Frachter vorantreibt. Rhythmisches Stampfen, Lärm, Geruch. Nach dieser Erfahrung nehme ich die Vibrationen im Schiff, das Zittern und Brummen anders wahr: Ich sehe die Maschine vor mir.

50 Tonnen Treibstoff werden pro Tag umgesetzt, um 250 000 t Fracht zum Ziel zu bringen.

Der Frachter ist 20 Jahre alt und kann gemischte Fracht (Container, Fahrzeuge und Sperrgut) transportieren. Gebrauchte Fahrzeuge gehen in Afrika von Bord: Diejenigen in gutem Zustand bleiben im Senegal, Schrottkisten werden Sierra Leone ausladen. Neue Fahrzeuge, Luxusautos aus deutscher Herstellung kommen nach Argentinien. Auf neun Decks sieht es aus wie in einem Parkhaus, mit dem Unterschied, dass alle original verpackt und neu sind. Neben den vier Expeditionsmobilen (MAN, Unimog, Landrover und unser Hanomag) der Passagiere sind nur zwei weitere Wohnmobile im Schiffbauch. Alle haben das Ziel Montevideo.