Monat: März 2022

Überfall! Nachts an der Grenze zum Kongo 10.03.2022 spätabends

Überfall! Nachts an der Grenze zum Kongo 10.03.2022 spätabends

Die Straße in Sambia empfängt uns in Form einer tief ausgefahrenen Matschpampe. Jungs springen voraus, um uns den Weg durch den Schlamm vorbei an verborgenen tiefen Löchern zu weisen. Wir bedanken uns mit ein paar Lebensmitteln. Vorbei geht es im Allrad-Gang an festgefressenen LKWs und Autos, die den Weg auf der Straße nicht geschafft haben. Das Vorankommen ist langsam und es wird spät.

Wir haben in Grenznähe auf der Karte einen Bootsclub gefunden, auf dessen Gelände man sicher übernachten kann – so heißt es. Etwa 8 km nach der Grenze zweigt von der M3 ein Waldweg ab und es geht 4 km auf Waldwegen durch den Busch. Keine der üblichen Behausungen finden sich am Wegesrand, keine Menschen. Wir sehen nur wenige Fahrspuren von Radfahrern. Schließlich verstellt uns eine abgeschlossene Schranke kurz vor dem See, an dem der Bootsclub liegen soll, den Weg. Es dämmert, und eine Ausweichroute in der Nacht zu finden erscheint uns aussichtslos. Wir stellen uns auf eine Lichtung in Nähe der Schranke. Keine Menschen – perfekter Übernachtungsplatz.

Doch da sehe ich in hinter einem Busch einen Mann mit Pudelmütze. Ich gehe auf ihn zu, komme ins Gespräche, frage ob wir hier übernachten könnten. Auf gar keinen Fall, lautet die Antwort, nicht sicher. Ob er wisse, wo der Bootsclub sei. Ja, er wolle uns den Weg zeigen. Ins Auto lassen wir ihn nicht, lassen uns den Weg beschreiben, verabschieden uns und los geht es.

Der beschriebene Weg ist kaum befahrbar, zu niedrige Bäume versperren uns den Weg. Außerdem, wohin führt der Weg? Kann man dem Pudelmützenträger trauen? – Wir nehmen einen anderen Weg, der uns an gesichertes Farmtor führt. Wir warten mit laufendem Motor, ob sich etwas tut, sich Menschen zeigen – nichts.

Kurzerhand verstecken wir uns am Wegesrand im Busch. Ich laufe noch ein wenig in der Umgebung umher, um die Lage einschätzen zu können. Etwa einhundert Meter von Kathrina entfernt treffe ich auf Pudelmütze. Kurzerhand drücke ich ihm eine Flasche Bier in die Hand. Er habe uns gesucht aber nicht gefunden. Gut so, denke ich. Es kommen zwei Radfahrer vorbei – Fischer auf dem Heimweg. Sie sehen uns, nicht Kathrina. Unsere abendliche Begegnung will uns zu seinen Übernachtungsplatz lotsen, es sei nicht sicher hier im Wald. Menschen bringen andere für wenig um. Manchmal komme das hier vor … Was tun? Ihm trauen? Wir vertrauen auf unser Versteck und verabschieden uns.

Noch ein kleines Bierchen trinken wir direkt vor Kathrina, Machete und Tränengas liegen bereit. Ein seltsamer Geruch steigt mir in die Nase. Bin ich den Geruch der Kongolesen noch nicht losgeworden oder ist hier ein Spitzbube in der Nähe? Wir gehen Schlafen.

Gegen 23:00 Uhr höre ich ein Geräusch am Heck von Kathrina. Ich wecke Ilona leise. Katze? Vermutlich. Wir spüren keine Erschütterung oder Bewegung des Fahrzeugs. Ich stehe leise auf und blicke durch die offene Dachluke. Gerade schiebt sich die Silhouette eines Glatzkopfes über die Dachkante (siehe Zeichnung). Ich werde sehr laut und aggressiv – kampfbereit. Heckleuchte an! Trennwand zum Führerhaus aufschrauben, klar zum Blitzstart! Ein lauter Schlag prallt gegen unsere Heckscheibe!

Ich springe barfüßig im Schlafanzug ins Führerhaus, rufe Ilona noch zu, sie solle sich festhalten und starte den Motor – er springt sofort an. Kathrina weiß, was auf dem Spiel steht. Und los geht es im atemberaubenden Tempo durch den Busch. Kathrina findet den Weg auf die M3 fast wie von selbst, meine bloßen Füße bedienen die Pedale. Die „große Straße“ mit ihren Schlaglöchern und dem Schlamm empfängt uns – eine erste Entspannung. Ich fahre weiter im schnellen Tempo in Schlangenlinien Richtung Mufulira, einerseits um Schlaglöchern auszuweichen und um eventuell vorhandene Gäste auf dem Dach abzuschütteln.

Nun müssen wir noch einen Übernachtungsplatz finden. In der Stadt halten wir mit laufendem Motor vor einer Lodge mit Übernachtungsmöglichkeit. Niemand rührt sich. Also weiter geht es, aus der Stadt heraus und notfalls wird die Nacht durchgefahren. Am Stadtrand kommen wir an eine Polizeisperre, ein Ölfass versperrt die Durchfahrt – tagsüber lästig aber jetzt sind wir erleichtert. Wir schildern in kurzen Worten unsere Situation: Den Überfall, die Suche nach einem Nachtquartier. Wir dürfen an der Sperre stehen! Einer der Polizisten sitzt die ganze Nacht im Polizeiauto, der andere ruht in einem Verschlag an der Straße.

Bevor wir einschlafen, sprechen wir die Vorkommnisse nochmals gründlich durch. Wir stellen fest, dass wir keine Angst hatten. Auf Überfälle sind wir gut vorbereitet und Kathrina ist eine Festung. Nach dieser Feststellung schlafen wir entspannt.

Am nächsten Morgen bedanken wir uns bei den Polizisten mit Kaffee und Keksen, bevor wir weiterfahren.

In den nächsten Tagen analysieren wir immer wieder die Situation des nächtlichen Überfalls.

Was ist genau passiert?

– Vergeblicher Versuch, die Luft aus den Reifen zu lassen. Die Ventile sind abgeschlossen.

– Kathrinas Flaggen sind weg.

– Eine Wasserflasche, die im Reserverad zu Reinigungszwecken mitfuhr, fehlt.

– Vergeblicher Versuch, eine Autobatterie zu stehlen. Von unten muss der Spitzbube im Motorraum getastet haben, hat dabei aber nur unsere Tüte mit Namib-Sand gestohlen. Für uns ein echter Verlust!

– Die Radioantenne ist verbogen, ging also nicht ab.

Woher kam aber der Schlag gegen die Heckscheibe?

Der Spaten, obwohl festgeschlossen, war auf einer Seite aus der Halterung gerissen. Mit ihm wurde der Schlag mit voller Wucht ausgeführt. Die Scheibe hat nur einen Kratzer, den ich inzwischen herauspoliert habe. Polycarbonat-Glas ist eben einbruchssicher!

Aber der Versuch, uns durch Luftablassen der Reifen zu immobilisieren und anschließend der Versuch, die Heckscheibe zu zertrümmern, zeigt uns, dass der Einbrecher zum Äußersten bereit war. Viele Gespräche mit Sambiern in den nächsten Tagen bestätigen die unberechenbare Gewaltbereitschaft der Kongolesen. Und um einen solchen Grenzgänger hat es sich offensichtlich gehandelt, mein Geruchssinn hat mich nicht getäuscht.

In der Kathrina sind wir sicher. Besonders auf der Hut sind wir beim nächtlichen Verlassen. Auch auf Campingplätzen sind auf der Hut, denn wem kann man denn wirklich trauen? Unser Reisevergnügen wird jedenfalls kaum geschmälert. Unsere gute Vorbereitung auf Fälle wie diesen zeigen ja, dass wir jederzeit mit einem Überfall rechnen.

Kathrina im Kongo 10.03.2022

Kathrina im Kongo 10.03.2022

„Bienvenue dans la République Démocratique du Congo“! Wir freuen uns, dass wir die Zollformalitäten endlich mal in einer charmanten Sprache erledigen können, wobei das Franösisch der Kongolesen mit dem gerollten „r“, der ultrahohen Geschwindigkeit und der recht monotonen Sprachmelodie doch eher wie eine Maschinengewehrsalve klingt. Und Kathrina freut sich auf den Rechtsverkehr. Nicht, dass sie nach 153 Reisetagen im südlichen Afrika nicht bravourös links fahren könnte, aber ein wenig Erinnerung an die Heimat nach so langer Zeit ist Balsam für ihre zarte Seele, die unter dem robusten Stahlpanzer steckt. Also freuen wir uns gemeinsam auf das Abenteuer Kongo!

Mit Worten werden wir am Grenzübergang Chembe / Mwenda ganz herzlich begrüßt, doch ein gewisses Unwohlsein will bei der Abwicklung der Zollformalitäten nicht weichen. Haben wir ein feines Gespür, oder sind wir nur indoktriniert, dass der Kongo kein herzliches Reiseland ist, und haben daher eine entsprechende Vorprägung, die unsere Wahrnehmung verzerrt?

Zählen wir doch einfach die Fakten auf, die uns bei der Einreise auffallen: Während andere Grenzübergänge immer große Hallen hatten, in denen mehrere Schalter für Immigration, Zoll usw. waren, wird hier alles in Einzelbüros abgewickelt. Von dem Moment an, an dem du dein Gefährt verlässt, wirst du eindringlich taxiert. Die Zollbeamten sind allesamt männlich, groß, und sehr, sehr wichtig. Du folgst einem Grenzbeamten in sein Büro, die Tür wird hinter dir geschlossen, und du sitzt einem ernsten Menschen gegenüber, der sich der Bedeutsamkeit seiner Handlungen voll und ganz bewusst ist. Natürlich sind die Beamten ganz nett zu dir als weißem Touristen. Aber wenn man nachfragt – sei es, aus französischem Unwissen oder weil man einen Zusammenhang nicht versteht – wird der Tonfall schnell noch monotoner, gereizt bis ungeduldig. Die sambischen Beamten würden dir alles zehnmal lächelnd wiederholen, und die Hälfte von ihnen wäre weiblich… Der Beamte im ersten Büro, der unsere Pässe prüft, war mit der Netteste. Er wirkt auf mich eher schüchtern, auf Torsten traumatisiert. Quer über die Finger seiner linken Hand laufen Narben. Als er die Hand hebt, sieht man, dass die Narben rundum die Finger laufen. Waren sie schon mal abgetrennt und wieder angenäht? Eine gruselige Vorstellung, die uns beiden unabhängig voneinander gekommen ist, die wir erst hinterher ausgetauscht haben. Aber es kann ja eine andere Erklärung geben. Als er unsere „Autorisation provisoire de séjour frontalier“ händisch ausfüllt, zittern seine Finger. Dieses Zittern werden wir bei allen späteren Beamten auch feststellen. Als er den Zettel aus dem Block reißt, merkt man, dass nur die Finger der rechten Hand beweglich sind, die linke Hand kann er lediglich zum Beschweren des Blocks verwenden, nicht zum Abreißen. Im nächsten Büro erhalten wir gegen eine gesalzene Summe ein Desinfektions-Zertifikat (wobei Kathrina an diesem Grenzübergang nicht desinfiziert wurde). Dieser Beamte führt mit Abstand die gewählteste Sprache, er gibt sich sehr nett und heißt uns herzlich willkommen. An der Wand hinter dem Beamten hängt eine Rute mit einschlägigen Gebrauchsspuren. Wir sind glücklicherweise zu zweit im Büro, und offensichtlich nicht die typischen Zielpersonen dieses Geräts. Das 60cm-Lineal auf dem Tisch weist starke Riefen auf. Trotz der ausgesuchten Höflichkeit des Beamten läuft es uns kalt den Rücken hinunter und wir fragen uns, ob die Riefen von Schlägen auf die Tischkante oder auf irgendjemandes Finger kommen. Als wir das Zertifikat erhalten und das Büro verlassen dürfen, ist uns deutlich wohler. Dies und jenes folgt, oft verstehen wir gar nicht, wozu all die Zettel dienen, die ausgefüllt werden, außer, dass jedes Mal bezahlt wird, verlieren aber nach ein paar ungeduldigen und unverständlichen Antworten schnell die Lust, die Vorgänge zu hinterfragen. Alle Formulare werden händisch in Schönschrift ausgefüllt mit zitternden Fingern. Als Torsten einigen Beamten den Innenraum von Kathrina zeigen muss, nehmen sie im Freien die Masken ab – und Torsten berichtet mir später, dass alle eine deutliche Alkoholfahne hatten. Vielleicht werden aber die Zollbeamten im Kongo auch stündlich mit Alkohol desinfiziert? Jedenfalls lassen sie sich alle länglichen Schränke und Staufächer öffnen (in denen man ernsthafte Waffen verstecken könnte). Bei dieser geheimnisvollen Tätigkeit hinter geschlossenen Bürotüren versteht sich von selbst, dass es an dieser Grenze keine Agenten gibt. Bei den Grenzübergängen von Sambia nach Tansania und umgekehrt haben wir uns jeweils einen Agenten genommen, der einen in der halben Zeit (die immer noch einige Stunden misst) über die Grenze schleust und dafür sorgt, dass man auch wirklich alle Papiere hat, welche die Polizei im Land möglicherweise kontrollieren will. Hier traut sich offensichtlich kein Agent hin…

Was uns auch noch extrem auffällt ist der deutlich andersartige Geruch der Menschen. Durch das warme schwüle Klima schwitzen wir alle. Die Sambier haben einen ganz eigentümlichen Geruch, mit kleinen individuellen Variationen. Auch die Menschen in Tansania hatten einen sehr ähnlichen Geruch. Die Kongolesen riechen völlig anders. Als wir später einen Sambier fragen, bestätigt er diese Wahrnehmung und meint, der ganz andersartige Körpergeruch der Kongolesen käme vermutlich von der Ernährung und den unterschiedlichen Körperpflegemitteln.

Dies waren also unsere ersten, sehr starken Eindrücke vom Kongo. Sehr viel mehr Eindrücke werden nicht hinzukommen. Denn nein, wir sind weder lebensmüde noch von allen guten Geistern verlassen. Wir wollen keinen Urlaub im Kongo machen, oder gar den ersten Campingführer über diese besondere demokratische Republik schreiben. Wir wollten lediglich die einschlägige Erfahrung Kongo nicht auslassen, und sind die sogenannte „Congo Pedicle Road“ gefahren.

Diese Transitstraße wurde von Sambia gebaut, um den südlich gelegenen Kupfergürtel Sambias mit den nördlichen Provinzen zu verbinden. Die direkte Transportstrecke zum indischen Ozean nach Dar-es-Salaam in Tansania verläuft nämlich durch die kongolesische Provinz Katanga. Sie spart über 300 Kilometer Wegstrecke, was bei den Schwertransporten durchaus ins Gewicht fällt. Seit den 1950‘er Jahren wurde diese Transitstrecke aufgebaut, kam 1960 mit der Unabhängigkeit des Kongo ins Stocken, und wurde 1975 nach Abklingen der Unruhen wieder in Betrieb genommen und wird seitdem von Sambia unterhalten. Mittlerweile ist schon die Hälfte der Strecke geteert, was bei den sambischen Straßenverhältnissen allerdings kein Garant für unbeschwerte Fahrt ist…

Den Tipp hatten wir von einem in Sambia wohnhaften Deutschen erhalten. Sambische Einwohner zahlen nur eine geringe Transit-Gebühr. Wir als Touristen müssen jedoch für den Transit vollständig ein- und ausreisen. Die Gebühren für unsere Visa, Kathrina und die Transit-Erlaubnis läppern sich in US-Dollar zusammen, wodurch auch der Zeitaufwand für Betreten und Verlassen der Republik Kongo länger dauert als der Transit. Das kam für uns unerwartet, doch dies ist uns das Abenteuer allemal wert.

Obwohl in unserer Transit-Bescheinigung steht, dass sie sieben Tage lang gilt, hören wir auf den Ratschlag der Zollbeamten, nicht im Kongo zu übernachten. Erstens hatten wir das nie vorgehabt, zweitens haben wir beim Grenzübergang nicht die emotionale Bindung zu dem Land entwickelt, um Lust auf einen längeren Aufenthalt zu bekommen, und drittens gibt es auf der Transit-Strecke, die wir nicht verlassen dürfen, sowieso keine Übernachtungsmöglichkeiten. Wozu dann eigentlich die Warnung? Um die oberflächliche Höflichkeit nicht ein weiteres Mal in nur schwerlich beherrschte Ungeduld seitens der Beamten umschlagen zu lassen, stellen wir diese Frage gar nicht erst.

Die Straßenszenen, die wir beim Transit erleben, haben eine gewisse Ähnlichkeit mit denjenigen in Sambia – und doch gibt es auffallende Unterschiede. In Sambia sind alle Straßen und Pisten gesäumt mit Frauen oder Kindern, die etwas verkaufen. Oft stehen die feilgebotenen Waren allein am Straßenrand. Wenn einen etwas anlacht, hält man an und wartet, bis der Verkäufer aus seiner nahe gelegenen Hütte angelaufen kommt. Dabei handelt es sich fast immer um eine Frau oder ein Kind oder eine Gruppe Kinder, weil der älteste Kleine, der schon zählen und verkaufen kann, auf die kleineren Geschwister aufpassen muss. Im Kongo befindet sich neben jedem Verkaufsstand ein Schattendach, unter dem die gesamte Familie sitzt. In der Regel mehr als 10 Personen, mindestens drei ausgewachsene Männer sind dabei und blicken einen schon von Weitem ernst an. Das Angebot an Gemüse ist demjenigen aus Sambia so ähnlich, dass wir leider schon alles haben, was angeboten wird. Gerne hätte ich versucht, für einige sambische Kwacha oder US-Dollar etwas typisch Kongolesisches zu kaufen (selbstverständlich ohne das Auto zu verlassen – die LKW-Fahrer, die die Prozedur schon kennen, lassen sich auch alles ans Autofenster bringen). Jedoch gibt es nichts, was wir noch nicht haben, und ohne etwas kaufen zu wollen, will ich nicht anhalten.

Das zweite, was auffällt, sind die Behausungen. Während es in Sambia viele verschiedene Wohnstandards gibt, von wenigen runden Lehmhütten mit Rieddach bis zu gemauerten Häusern mit Stromanschluss und schönem gepflegten Vorgarten, sehen wir im Kongo fast nur Lehmhütten ohne Stromanschluss. In Sichtweite neben der Transit-Strecke läuft teilweise eine Stromleitung, doch die Siedlungen, die wir sehen, sind allesamt nicht angeschlossen. Auch fällt uns auf, dass es hier keine Wasserpumpen gibt. In Sambia hat jede größere Ansammlung von Häusern eine Schwengelpumpe. Diese Aktion wurde in den 1970‘er Jahren gestartet, das Geld kam aus Europa und China, die Pumpen aus Indien. Aus über 50 Metern Tiefe wird sicheres Trinkwasser hochgepumpt. Jeder, der vorbei fährt, kann höflich fragen und wird daraufhin eingeladen, sich seine Flaschen oder Kanister mit frischem Wasser zu füllen. Entlang der Transit-Strecke im Kongo sehen wir keine Schwengelpumpen.

Das Dritte, was uns beim Transit auffällt, ist die unterschiedliche Reaktion der Menschen. Kaum ein Sambier oder Kongolese ist motorisiert – die Menschen transportieren ihre Lasten auf den Köpfen oder auf völlig überladenen Fahrrädern. Die meisten Gefährte, die vorbeikommen, sind LKW-Ferntransporte, hier meist Kupfer-Erze oder Rohkupfer-Platten. Dann noch einige wenige PKWs von reichen Einheimischen, meist aus entfernten Städten, und einige Touristen-Fahrzeuge mit Dachzelt. Eine Kathrina kommt nicht alle Tage vorbei. In Sambia war die Reaktion fast ausschließlich positiv: Daumen hoch, Lachen, Winken, Kinder rennen hinterher. Einige wenige solche Reaktionen sehen wir hier auch, die meisten Menschen beäugen uns hingegen skeptisch, irritiert, ängstlich. Wir sind noch nicht lange da, wir können kaum der Anlass für diese Skepsis sein, nur der Auslöser.

So kommt es, dass wir entlang der 70 Kilometer langen Transitstrecke bis zur Grenze Mokambo / Mufulira keinen persönlichen Kontakt zu den Menschen haben. Im Niemandsland zwischen den beiden Grenzen kommen einige Verkäufer auf uns zu. Ein Mann mit einem Handkarren voller Bierkästen erweckt unser Interesse. Er erzählt uns, wie lecker doch das kongolesische Bier sei. Doch als wir uns aus dem obersten Kasten vier Flaschen herausnehmen und dann bezahlen wollen, erzählt er uns, dass er die vollen Kästen zur Bar bringen muss. Hatte er uns etwa einen ganzen Kasten verkaufen, oder einfach nur Gelüste machen wollen?

Irgendwie erschließt sich uns der kongolesische Humor nicht vollumfänglich, es verbleibt eine große Kluft des Nicht-Verstehens.

Als wir beim Verlassen dieser Demokratischen Republik nochmals eine „Austrittsgebühr“ zahlen müssen, fragen wir trotz all unserer guten Vorsätze, alle Geschehnisse lächelnd hinzunehmen, doch nochmal nach, weshalb dies so sei. Die Antwort war sehr trotzig-pampig.

Wir möchten diese Erfahrung nicht missen.

Dennoch sind wir erleichtert, als eine strahlende sambische Grenzbeamtin uns wieder in Sambia willkommen heißt. Wir glauben ihr, dass es von Herzen kommt, und unsere Herzen berührt dieser warme Empfang tief.

Weltfrauentag in Sambia 08.03.2022

Weltfrauentag in Sambia 08.03.2022

Als wir von Tansania wieder nach Sambia einreisen, wollen wir nach dem quirligen Tansania wieder zur sambischen Ruhe zurückfinden und beschließen, drei Nächte auf einem ruhigen Farmcampingplatz Station zu machen. Der Platz ist ruhig, von ursprünglichen Wäldern umgeben, und man kann gut wandern und Kraft schöpfen. Da nach drei Tagen jedoch das Wochenende naht, und auf dem nächsten Campingplatz, den wir anpeilen, am Wochenende der Bär los sein soll, verlängern wir nochmal um zwei Tage.

Am vorletzten Abend kommt noch ein sehr nettes südafrikanisches Paar auf den Platz, das uns vor einem Phänomen warnt, das wir bei unserem ersten Aufenthalt noch nicht beobachtet hatten: Frauen machen offensichtlich Straßenblockaden mit zusammengeknoteten Tüchern, um die Reisenden zum Anhalten und einer Spende zu bewegen.

Wie gut, dass wir vorgewarnt sind, denn dann kann man sich gleich ein Repertoire an möglichen Reaktionen zurecht legen, die man dann bedarfsgemäß aus der Tasche ziehen kann. Andererseits sind wir nicht ganz sicher, ob uns die Blockaden auch treffen würden, denn die Südafrikaner reisen in einem Auto mit Dachzelt, das keine zwei Meter hoch ist, und Kathrina kommt mit ihren drei Metern doch schon viel imposanter daher. Wir werden ja sehen!

Froh gelaunt fahren wir am folgenden Dienstag los – da werden die Straßen und der Campingplatz ja leer sein! Ich achte wie immer auf Reisen nur auf den Wochentag, nicht aufs Datum…

Tatsächlich kommt uns nach etwa 50 Kilometern Fahrt eine Frauengruppe auf der Straße entgegen. Alle in einheitliche Tücher gekleidet, einige zusätzliche Tücher schwenken sie noch auf der Straße. Als Kathrina naht, machen sie den Weg frei, lachen, winken, singen.

Nun werden die Frauengruppen dichter. Alle paar Kilometer sehen wir eine Gruppe. Die Methodistinnen. Die Vertreterinnen der Catholic Women Organisation, der Anglikanischen Kirche, der freien sambischen Kirche, usw. Einige Tücher können wir nicht entziffern. Die meisten Gruppierungen sind offensichtlich kirchlich. Eine Gruppe bleibt auch tatsächlich sehr lange quer über die Straße formiert, winkt und ruft von Weitem. Als Kathrina langsam, aber konstant auf sie zufährt, geben sie den Weg frei. Sie winken und lachen, und wirken nicht erbost, dass wir ihnen nichts spenden. Diese Gruppen scheinen also eine ganz andere Motivation zu haben, als diejenigen, von denen unsere Reisebekannten berichtet hatten.

Als ich in der nächsten Stadt beim Einkaufen zu Fuß auf eine solche Gruppe (der Pfingstkirche) treffe, frage ich sie, ob heute ein sambischer Feiertag sei. Sie sehen mich an, als käme ich von einem anderen Planeten – heute ist kein sambischer Feiertag, sondern Weltfrauentag! Ein Blick auf die Armbanduhr enthüllt, dass nicht nur Dienstag, sondern auch der 8. März ist. Wie hochnotpeinlich für mich. Aber die Sambierinnen amüsieren sich köstlich über meinen knallroten Kopf.

Als wir dann zum Campingplatz an den Chishimba Falls kommen, empfängt uns der Parkwächter freundlich, gibt aber zu bedenken, dass der Platz heute sehr voll ist. Kurz nach Sonnenuntergang wird er sich aber leeren. Soweit zu unserer Planung, einen ruhigen Tag unter der Woche zu erwischen. Von der Zufahrt bis in den hintersten Winkel des Platzes ist jeder Quadratmeter mit Grills, Kühltaschen, feiernden und lachenden Menschen, und sehr viel Müll bedeckt. Wir ergeben uns in unsere Missplanung und wandern durch die Menschenmassen zu den drei Wasserfällen. Beim dritten Wasserfall werden wir dann eingemeindet. Was gibt es für sambische Frauen Schickeres, als am Weltfrauentag ein Selfie mit einer weißhaarigen weißen Frau zu schießen? Und die Sambier sind so tiefschwarz, dass ich auch nach fünfmonatiger Afrika-Bräune wie ein Eisbär zwischen ihnen herausleuchte. Auch Torsten wird eingemeindet, die sambischen Frauen sind in Gender-Fragen sehr liberal. Wir sind ja weder auf Facebook noch Twitter noch sonstigen „sozialen“ Netzwerken aktiv – aber an diesem Dienstag wurden wir in Sambia sicher sehr oft gepostet…

Zurück am Campingplatz beginnen wir bei mittlerweile tiefstehender Sonne zu kochen, es kommen noch einige Gruppen, die sich mit Kathrina und uns fotografieren, dann leert sich der Platz. Die Platzwächter beginnen emsig in unserer Umgebung den Müll wegzuräumen, kommen vorbei und entschuldigen sich für die Störung. Wir lachen nur beschwichtigend – wir hätten dieses Bad in der Menschenmasse zwar nicht angepeilt, aber solange es uns nicht jeden Dienstag erwischt, ist das doch eine willkommene Abwechslung zu unserer sonst sehr ruhigen naturbezogenen Reise. Am nächsten Morgen haben wir die Wasserfälle für uns alleine, haben alle Ruhe und Muße, um sie zu genießen und zu fotografieren. Wir kochen mittags nochmal, genießen auch den frühen Nachmittag am Kanal mit Wasserplätschern und Vogelgesang – und als wir spätnachmittags weiterfahren, haben wir den Krach und Müll vom Vorabend völlig vergessen, zurück bleibt eine schöne Erinnerung an nette ausgelassene Menschen.

Die Oria Secondary School am Fuße des Kilimandscharo 24.-25.02.2022

Die Oria Secondary School am Fuße des Kilimandscharo 24.-25.02.2022

Torstens Schule hatte vor Jahren eine Schulpartnerschaft mit einer Schule im Norden Tansanias, in Form einer gemeinsamen Theater-AG und eines Schüleraustauschs, die jedoch danach ins Stocken gekommen war. Da wir schon mal in der Gegend des Kilimandscharo sind, fragen wir uns, was liegt näher, als einfach hinzufahren und zu schauen, ob Interesse an einer Wiederbelebung des Kontakts besteht?

Die Schule liegt in Oria, einem schön im Grünen gelegenen Vorort der Großstadt Moshi, die das Tor für Kilimandscharo-Expeditionen ist. Eigentlich wollten wir erst mal auf einen nahegelegenen Campingplatz gehen, Kontakt aufnehmen, und am nächsten Tag die Schule besuchen. Doch den Campingplatz finden wir nicht. Also fahren wir direkt zur Schule.

Obwohl wir völlig unangekündigt in den Schulnachmittag hineinplatzen, wird uns ein sehr netter Empfang bereitet. Der Konrektor heißt uns willkommen. Als Torsten sein Anliegen erklärt, wird sofort einer der Lehrer geholt, der damals beim Austausch dabei war. Der Lehrer sprudelt noch von Erfahrungen und erklärt sich spontan bereit, bei einer neuen Kooperation die Federführung zu übernehmen. Details wollen wir in aller Ruhe am nächsten Tag besprechen. Die Rektorin kommt hinzu, und wir verabreden, morgen um 12:00 Uhr wieder zu kommen, sodass alle Beteiligten Zeit haben, sich in Ruhe Gedanken zu machen.

Nun verbleibt noch das Problem, dass wir den Campingplatz nicht gefunden haben. Kein Problem, sagt uns der Konrektor – wir sollen einfach einige Schüler*innen aus diesem fünf Kilometer entfernt gelegenen Wohngebiet mitnehmen, die haben dann einen schnellen Rückweg (alternativ müssten sie laufen) und können uns den Weg weisen. Wie viele Sitzplätze unser Auto denn habe? – Vier, antworte ich. Das war natürlich missverständlich, denn er organisiert zwei Jungs und zwei Mädchen, die in der Nähe des Campingplatzes wohnen. Ob es denn Polizeikontrollen hier gäbe?, frage ich, was der Konrektor verneint. Also nehmen wir alle mit. Platz ist in Kathrina allemal genug, hinten am Esstisch mit der umlaufenden Sitzbank. Und Kathrina ist stolz, als Schulbus fungieren zu dürfen – bei so netten Insassen macht ihr das richtig Spaß, und sie nimmt die holperigen Pisten so sanft wie irgend möglich. Die Campingplatzzufahrt führt durch tiefen Matsch, Schilder gibt es hier sowieso nicht. Das erklärt, dass wir sie vorhin nicht gefunden haben. Wir sind glücklich auf dem Platz, mal wieder die einzigen Gäste, und die Schüler*innen sind stolz, ihren Eltern und Freunden von der Rückfahrt im Abenteuer-Mobil berichten zu können.

Am nächsten Tag wollen wir mit europäischer Pünktlichkeit erscheinen. Überpünktlich steigen wir ein – doch Kathrina startet nicht. Oh nein, solch eine Diva! Ausgefahrene, steinige und matschige Pisten können sie nicht schrecken, aber offensichtlich fremdelt sie vor einem offiziellen Auftritt oder vor der Schülerschaft!? Wir springen hinaus, Motorhaube hochgeklappt, nach einem weiteren Startversuch ist der Fehler (aber noch nicht seine Ursache) gefunden: Luft in der Treibstoffleitung. Also Diesel mit der Handpumpe gepumpt, bis sie anspringt. Um 12:01 Uhr fahren wir auf den Schulhof…

Wir haben ein sehr fruchtbares Gespräch mit der Rektorin, dem Konrektor und dem Lehrer, der die Kooperation federführend wiederaufnehmen will. Wir besichtigen die verschiedenen Unterrichtsräume, insbesondere die neuen Chemieräume; den Schulgarten, in dem Stecklinge von Nutzpflanzen für interessierte Schüler und umliegende Bauern gezüchtet werden; usw. Bis uns die Glocke ruft. Wir wundern uns, dass die Schülerschaft sich sofort auf dem Schulhof einfindet und klassenweise formiert. Torsten und der Lehrer der Oria Secondary School stellen den Schüler*innen kurz einige Aspekte der geplanten Kooperation vor und ermutigen sie, Steckbriefe zu verfassen, um Brieffreunde in Deutschland zu finden. So etwas geht ja heute per Mail, Facebook und Skype alles viel einfacher als zu unserer Zeit. Dann werden einige Fotos für die Schülerzeitung / einen Amtsblattartikel gemacht. Wir sind erstaunt, dass alle sich so diszipliniert formieren und stillstehen – bis die Schulspeisung angekündigt wird. Es gibt Mais und Bohnen mit etwas Salz, aber ganz ohne Gewürze für die Kinder, und Fisch mit Tomatensauce für die Lehrer. Wir bekommen das nahrhafte Schüleressen. Stella, eine der Schülerinnen, die täglich beim Kochen für ihre 400 Mitschüler*innen hilft, ist vorwitzig und fragt mich, was man denn in Deutschland isst. Kurzerhand lade ich sie für abends zum Campingplatz ein, falls sie denn probieren will.

Ja natürlich will sie das. Sie will mit einer Freundin kommen, und der Lehrer bietet sich gleich an, die beiden Mädchen zu begleiten, da sie in der Nähe der Schule wohnen, und die fünf Kilometer bis zum Campingplatz laufen oder radeln müssen. Er organisiert Schulräder für den Abend.

Wir haben so viele leckere Zutaten, aber nichts für ein typisch deutsches Essen. Also entscheiden wir uns für einen Auberginen-Risotto. Gegen 17:30 Uhr kommen kommen Stella, Sharon und Herr Kimatha dann angeradelt. Nach zwei nebligen Tagen in dieser Gegend klart es genau in diesem Moment auf – und wir bekommen einen herrlichen Blich auf den Schneegipfel des Kilimandscharo. Uns war bisher noch gar nicht bewusst gewesen, dass man von hier aus sowie auch vom Schulhof aus den Gipfel sehen kann. Welch eine inspirierende Umgebung fürs Lernen! In der warmen Nachmittagssonne genießen wir das gemeinsame Abendessen, wobei wir nicht ganz sicher sind, ob das mit Knoblauch und Chili gewürzte Essen den Geschmack der Gäste trifft, denn hier wird traditionell für unsere Begriffe eher fad gekocht, Salz ist schon ein Luxus. Jedenfalls verbringen wir einen netten sonnigen Frühabend, doch die Gäste brechen schon kurz nach dem Essen wieder auf, damit sie vor Sonnenuntergang wieder sicher zu Hause sind.

Gerade die persönliche Begegnung hat für uns dieses Erlebnis abgerundet – der gesamte Kontakt zu den Lehrer*innen und Schüler*innen war alles Andere als ein rein dienstlicher Akt von Torsten, sondern eine sehr nette persönliche Erfahrung für uns beide, und hoffentlich der Beginn einer langen und fruchtbaren Kooperation.