Monat: Mai 2018

Die Reise lebt weiter: Fornax Boliviana MMXVIII

Die Reise lebt weiter: Fornax Boliviana MMXVIII

Die Reise lebt weiter: Fornax Boliviana MMXVIII

Schmuck, Kleidung und sonstige typische Reisemitbringsel haben wir kaum mitgebracht. Schon die Fragen an den ersten Grenzen, ob wir kunsthandwerkliche Gegenstände mit uns führen, machten uns klar, dass wir uns – wenn überhaupt – dann erst im letzten Land mit Reisesouvenirs eindecken. Aber eigentlich sind wir keine Souvenirjäger, und die merkwürdigen Bestimmungen für die Rückverschiffung (das Auto muss neu aussehen, blick-leer sein, und nur wenige Gegenstände durften überhaupt mitgeführt werden) bestärkten uns darin, uns bei den Souvenirs auf die Erinnerungen in unseren Herzen und einige Fotos zu beschränken.

Ein Mitbringsel ließen wir uns jedoch nicht nehmen: Seit Samaipata (beim Amboro-Nationalpark) ist eine bolivianische Gasflasche auf dem Dach des Hano mitgefahren. Auf einigen Fotos, z.B. im Salar Uyuni, kann man sie auf der linksseitigen Beplankung thronen sehen. Die Befestigung mit drei kleinen Holzlatten zur Begrenzung nach vorn und den Seiten sowie die abenteuerliche Verzurrung fiel in Südamerika gar nicht auf. Bei acht Grenzübergängen und unzähligen Polizeikontrollen hat niemals jemand ein Wort darüber verloren. In Peru füllten wir dann das letzte Gas in unsere deutschen Flaschen um, das bis zum Ende der Reise reichten sollte. Was sollten wir nun tun – die Flasche verschenken? Da die pazifischen Staaten in Südamerika das US-amerikanische Gasflaschensystem haben, hätte sie niemand bestimmungsgemäß nutzen können. Und zweckentfremden konnten wir sie schließlich auch selbst, denn die Reise hatte unser Improvisationstalent zur Höchstform auflaufen lassen! Außerdem war sie uns im Laufe der Reise ans Herz gewachsen, sie gehörte einfach zum Gesamtbild unseres Hano. Südamerikanischer kann man nichts auf dem Dach befestigen.

Also brachten wir sie mit nach Hause. Torsten hatte da schon so eine Idee, wie er die Gasflasche mit wenigen Kunstgriffen in einen Ofen verwandeln kann. Richtig vorstellen konnte ich es mir nicht, aber das Resultat ist großartig. Mit der einer Lochsäge wurde das Gasventil ausgeschnitten, nach unten eine Öffnung zum Entleeren der Asche geflext, nach vorn eine Öffnung zum Beladen mit Holz, durch die der zweiteilige Rost eingesetzt werden kann. Drei Füße einer ausgemusterten Blumenbank wurden unten angeschweißt, ein kurzer Flansch oben, auf den je nach Bedarf ein hitzebeständiges Rohr mit Regenschutz als Abzug oder eine Ceranplatte zum Kaffee Kochen aufgesetzt werden kann. Seit Mitte Mai leistet uns der „Fornax Boliviana 2018“ gute Dienste im Garten – und sobald wir ihn sehen, erinnern wir uns an die Odysee in den engen Einbahnstraßen von Copacabana, wo wir die Flasche getauscht haben, an Samaipata, wo wir die erste Gasflasche gekauft haben, und die Erinnerungen spinnen sich dann immer in eine andere Richtung fort. Mal winden sie sich ins Technische und wir erinnern uns an alle Schweißnähte, die dem Hano auf der Reise widerfahren sind. Mal driften sie ins Kulinarische, welche Leckereien wir mit dem Gas zubereitet haben. Es ist nie gewiss, wo die Gedanken enden, jedes Mal kommt ein anderer Aspekt zum Vorschein.

Wir können uns kein schöneres, nützlicheres und nachhaltigeres Mitbringsel vorstellen. Und wie die Gasflasche leben auch die Erlebnisse und Erinnerungen unserer Reise in veränderter Form in unserem Alltag weiter…

Reparaturen, Wartung, Technik

Reparaturen, Wartung, Technik

Reparaturen, Wartung, Technik

Einige Freunde hielten uns für verrückt und für überkandidelte Rückversicherer, weil wir soviel Werkzeug, Ersatzteile und Halbzeuge mitnahmen. Es hat sich jedoch gezeigt, dass dies alles wichtig und richtig war, und dass wir keinesfalls zuviel des Guten getan hatten. Wenn eine Werkstatt im Spiel war, ist das im Folgenden mit # gekennzeichnet.

 

Wartungsarbeiten (tell a long story short…)

Der Hano wurde fünfmal abgeschmiert, bekam einen Hinterachsdifferenzialöl-, einen Verteilergetriebeöl- und zwei Motoröl-Wechsel; 13,25 Liter Motoröl wurden nachgefüllt. Das Ventilspiel haben wir zweimal eingestellt, einmal den Keilriemen gewechselt, dreimal den Kraftstofffilter, zweimal wurde der Ölbad-Luftfilter gereinigt. Unzählige Male wurden alle Schrauben und Muttern nachgezogen, der Reifendruck abgesenkt und wieder angehoben, sowie Schad- und Roststellen lackiert.

Die Reifendruckkontrolle übernahm für uns das TireMoni. Dreimal zeigte es uns einen langsamen aber stetigen Druckverlust an, sodass wir in Piura (Peru) und Natagaima (Kolumbien) die entsprechenden Schläuche flicken ließen @, bzw. Torsten in Hannover das Rad wechselte.

 

Schäden / Reparaturen

Bei einem Einbruch in den Hano wurde der Türgriff auf der Beifahrerseite verbogen und auf der Fahrerseite komplett abgerissen. Glücklicherweise hatten wir einen abschließbaren Griff als Ersatzteil dabei und konnten ihn ersetzen.

Zu Beginn der Reise waren mal wieder einige Trinkwasser-Schläuche undicht, was jedoch mit einem neuen Anschnitt und neuen Schellen behoben werden konnte. Den abschließbaren Deckel des Wassertanks haben wir in der 6. Nacht auf einem Campingplatz vergessen – und durch einen (nicht abschließbaren) Gummistopfen ersetzt.

Bei einigen Schlaglöchern auf den uruguayanischen Pisten hörten wir laute Schläge und mussten feststellen, dass das Lüfterrad des Motors sich nach und nach zersetzte. Die ersten beiden abgebrochenen Lüfterflügel wurden zunächst mit einer M10’er Gewindestange ausgewuchtet, doch das Lüfterrad zersetzte sich weiter, bis nur noch zwei halbe Flügel standen, die nicht mehr wirklich effektiv kühlten. Grund unbekannt. In Cascavel (Brasilien) bekamen wir zwei Ersatz-Lüfterräder aus Kunststoff, bei denen die Mimik zum Festschrauben passte, die Flügel jedoch etwas zu lang waren. Torsten hat das Lüfterrad mit einer kleinen Handsäge passend gemacht, gekürzt und Aussparungen für die Besfestingungsmutter der Lichtmaschine ausgesägt.

# In einer Werkstatt in Lindoeste (Brasilien) haben uns die beiden Lehrlinge Lucas und Douglas die tropfende Ölwanne mit Dirko eingerichtet.

Motoraufhängung zweimal repariert, Motorlager getauscht. Letztere waren die Ursache für den zerstörten Lüfter.

Kühler mehrfach gedichtet

Kühlerhalterung mehrfach repariert.

Gaszug gerissen – zunächst ersetzt, dann komplett überarbeitet

Stoßdämpfer nachgezogen und überarbeitet

Schließe der Motorhaube mehrfach repariert, dann ausgebaut und durch Gummihalterung ersetzt

Gummipuffer der Motorhaube ersetzt

abgerissene Kabelhalterung usw. Repariert

# Zwei Felgen haben Risse – In Puno (Peru) schweissen lassen

# Radnabe gebrochen – schweißen lassen und zeitgleich Ersatz aus Deutschland bestellt

Zur Diagnose zunächst Kegelrad des Hinterachsdifferenzials und Steckachse ausgebaut

# Keilriemen-Spannrolle gebrochen, schweißen lassen in der Tatacoa-Wüste

Motorhalterung gerissen am Faschingssonntag -> zunächst Schrauber-Lösung

# nach 2000 km schweißen lassen in Mata

Extras

Sichere Gasflaschenhalterung konstruiert

Zündschlüssel aus Boliviano nachgefertigt

Safeschlüssel aus 5 UYU Stück nachgefertigt

Erfahrungen mit der Höhe

Gasheizung s.o.

Wir:

schrittweise Höhenanpassung über mehr als eine Woche,

Eisentabletten zur Produktion roter Blutkörperchen,

tief durchatmen, sobald man sich bewegt.

Hano:

Anspringen: Bei -8 °C in 4200 m Höhe benötigt der Anlasse 20 Sekunden, um den Motor zu starten. Weißer Dieselnebel legt sich dann um das Fahrzeug.

Höchstgeschwindigkeit: Dünne Luft bedeutet Leistungsverlust. Höchstgeschwindigkeit über 4000m nur noch kanpp 60 km/h.

Ruß: Den vermeidet man, indem man nicht zu viel Gas gibt. Gezielte Rußwolken zum Angeben sind jederzeit möglich.

Motortemperatur: über 90°C, da die dünne, trockene Luft mit geringer Wärmekapazität kaum kühlt.

Steigungen: Wir waren (nicht immer) die Langsamsten.

Nachlese: Zahlen, Fakten, Infos

Nachlese: Zahlen, Fakten, Infos

Nachlese: Zahlen, Fakten, Infos

In den vorangegangenen Einträgen haben wir punktuell über faszinierende Landschaften und Lebensräume sowie beeindruckende Erlebnisse und Begegnungen berichtet. Die Erfahrungen eines halben Jahren kann man auch gar nicht vollumfänglich darstellen, aber wir hoffen, euch einige kleine Einblicke gewährt zu haben.

Jetzt im Nachgang habe ich ein paar Zahlen zusammengestellt, die uns selbst teilweise verblüfft haben, und euch vielleicht auch noch einen zusätzlichen Blickwinkel auf unsere Reise eröffnen oder einfach nur die eine oder andere Neugier stillen.

Wir waren insgesamt 219 Nächte unterwegs, davon 180 Nächte in Südamerika, davon wiederum 167 Nächte im Hanomag, 5 Nächte in Urwald-Lodges im Manu-Nationalpark, 2 Nächte im Schlafzimmer von Ulli und Hilda in Quito, 6 Nächte im Hostal in Cartagena. 3 Nächte hatten wir bei der Fahrt nach Antwerpen auf europäischen Campingplätzen zugebracht, 35 Nächte auf der Grande America mit der Überfahrt von Antwerpen nach Montevideo, und die unbequemste Nacht hatten wir beim Rückflug zwischen Miami und Lissabon – dafür aber ein leckeres Abendessen und unseren ersten vollmundigen Wein seit geraumer Zeit!

Uruguay ist ein cooles und sicheres Land. Wir fühlten uns in unsere frühe Kindheit zurückversetzt – Autos, Läden, Land und Leute atmen den Geist, der in Deutschland in den 70’ern herrschte. Wir haben siebenmal frei am Strand bzw. im Hinterland übernachtet, zweimal auf Campingplätzen.

In Brasilien waren die Menschen, denen wir tagsüber begegneten, äußerst nett und hilfsbereit. Dennoch hatten uns Freunde eingeschärft, niemals frei zu übernachten und nicht bei Dunkelheit zu fahren. Daran haben wir uns gehalten. 7 Übernachtungen auf Campingplätzen, 6 auf Trucker-Tankstellen, eine auf dem bewachten Parkplatz vor der Jesuitenmission São Miguel das Missões. Tankstellen-Übernachtung klang für mich, als ich das zum ersten Mal hörte sehr öd, nach Lärm, schweren Jungs, Dieselgeruch. Dem ist überhaupt nicht so. Ich war ganz begeistert von diesen Übernachtungen. Nicht aus Geiz, weil es kostenlos ist, sondern vielmehr wegen des ganz eigenen Charms. Diese Art zu Übernachten ist Road-Movie in Reinstform – hier verlässt man das Touristen-Dasein und wird ein Teil des Weges und des Landes. Trucker-Tankstellen, die zur Übernachtung einladen, haben wir in Brasilien, Argentinien, Ecuador und Kolumbien gefunden und genutzt. Diese Tankstellen haben einen großen Bereich abseits von der Straße, auf dem man sich für die Nacht hinstellen kann. In der Regel haben sie noch ein angegliedertes Restaurant und einen kleinen Laden. Meist nicht nur mit Toiletten, sondern auch mit Duschen. Tankstelle und Restaurant sind in der Regel rund um die Nacht geöffnet. Der kleine Hano fand immer einen Platz in dritter Reihe hinter den großen LKWs, sodass wir von Lichtern und Lärm der Straße gut abgeschottet waren. LKW-Fahrer haben einen harten Job, d.h. es gibt keine lauten Trinkgelage, sondern nette und besonnene Menschen trinken abends in aller Ruhe ein Bier und vespern etwas im Restaurant. Kurz nach Anbruch der Dunkelheit schlafen alle. Wenn uns morgens die ersten Sonnenstrahlen geweckt haben, ließen die ersten LKW-Fahrer bereits den Motor an, die übrigen waren bei der technischen Kontrolle: Reifendruck und Füllstände kontrollieren, Ladung sichern, usw. Ganz besonders ist mir die erste Tankstellen-Übernachtung in Erinnerung. Wir hatten die Grenze Uruguay – Brasilien überquert, was in Rivera nicht ganz trivial ist, da die Migración und Aduana beider Länder jeweils in völlig unterschiedlichen Stadtteilen liegen. Und nur bei der Ausreise von Uruguay waren Parkplätze vorgesehen, in Brasilien brauchten wir behördliche Unterstützung, um den Hano nicht mitten im Stau parken zu müssen. Als wir endlich die Grenze passierten, stand die Sonne schon sehr tief. Dennoch fuhren wir erstmal 70 km (mit dem Hano fast 90 Minuten), um eine ruhige Tankstelle zu finden. Die Sonne ist bereits untergegangen, der Himmel noch tief dunkelblau, überall brennen gelbe Lampen. Eine interessante Lichtstimmung. Wir setzen uns vor das Restaurant und trinken erstmal ein Bier zum Abschalten: „Eisenbahn“ und „“ heißen die Sorten. Zwei Meter vor uns befinden sich zwei Zapfsäulen, dazwischen steht der Wassereimer zum Scheibenwaschen. Ein Hund kommt vorbei, trinkt aus dem Eimer und trollt sich wieder. Dann kommt der Tankwart für die Nacht – es war gerade Wachwechsel. Er hat ein typisches Holzgestell mit Thermoskanne und Kalebasse bei sich, fast schon ein Wahrzeichen in Uruguay und Brasilien. Er setzt sich auf den Bordstein zwischen den Zapfsäulen und bereitet kunst- und liebevoll seinen Matetee zu, der ihn in den nächsten Stunden wachhalten wird. Was für ein Anblick, was für eine friedliche Ruhe! Mittlerweile ist der Himmel schon schwarz. Wir gehen in den Hano und kochen. Als wir fertig gegessen haben, bemerken wir, dass draußen ein rotes Blinklicht leuchtet – in Südamerika das Kennzeichen der Polizei! Wir spickeln an dem Verdunkelungsrollo vorbei nach draußen – was treibt die Polizei denn neben unserem Hano? Etwas ganz Niedliches: Die Beamten bringen einen davongelaufenen Esel und binden ihn auf dem einzigen größeren Grünstreifen an, 5 m vom Hano entfernt, damit er dort sicher die Nacht verbringen und mit dem Gras seinen gröbsten Hunger stillen kann. Diese Szenen haben sich fest in mein Gedächtnis eingegraben, und wann immer ich mich daran erinnere, stellt sich sofort die lässige brasilianische Stimmung ein.

Dann kommt Bolivien. 36 Nächte. Die Hälfte davon auf Campingplätzen, die andere Hälfte frei in der Natur. Wir haben uns in Bolivien immer sicher und von den Einwohnern wohl gelitten gefühlt. Einige der freien Stellplätze waren „so ein bisschen von der Straße weg“ und vorbeikommende Fußgänger haben uns freundlich zugewunken. Die spektakulärsten Übernachtungen waren die 6 Nächte auf dem Salar Uyuni und 4 Nächte auf der Lagunenroute. Da standen wir wirklich einsam – die nächsten beweglichen Geschöpfe waren die Sterne.

Argentinien. 6 Nächte auf Campingplätzen. Einmal Tankstelle. Neunmal frei in der Landschaft – und in was für Traumwelten!

Chile. 2 Nächte auf einem Campingplatz (weil wir die Mine bei Calama besichtigen wollten und dafür in der Stadt übernachten mussten), 5 Nächte frei. So unfreundlich wir die Chilenen auch fanden, wir haben uns beim Freistehen völlig sicher gefühlt.

Peru. Dank der gebrochenen Radnabe haben wir 54 Nächte in dem Land zugebracht, das wir nach Chile am wenigsten mochten, und in dem vom Freistehen dringend abgeraten wird… 41 Nächte auf Campingplätzen (wobei wir hier auch einige Restaurants, auf deren Parkplatz wir gegen einen Obulus sicher stehen durften, als Campingplatz bezeichnen). 12 Nächte auf Parkplätzen im Ort bzw. bei der Vicuña-Station. Eine Übernachtung bei einer bewachten Mautstelle.

Ecuador. Froh darüber, endlich aus dem kriminellen und vermüllten Nord-Peru heraus zu sein, wollen wir in der ersten Nacht frei übernachten, um das freundliche und sichere Ecuador zu feiern. Wir hatten gerade gegessen und geduscht und wollen uns zur Nacht betten, als die Policía Nacional an die Türe klopft und uns befragt, was wir hier wollen. Zuerst denken sie, wir seien Tagelöhner und suchten Arbeit. Das macht wohl der zünftige Hano-Look. Als mein schlechtes Spanisch sie überzeugt, dass wir Touristen aus Europa sind, die einfach keinen Campingplatz gefunden haben, raten sie uns an, zum nächsten Ort weiter zu fahren und dort an einer Tankstelle zu übernachten, was wir auch befolgen. 12 Nächte verbrachten wir insgesamt in Ecuador. Die erste wie bereits beschrieben an der Tankstelle, 8 auf Campingplätzen (bzw. bezahlten Parkplätzen), eine frei im Cotopaxi-Nationalpark, 2 Nächte im Haus von Ulli und Hilda. Ulli, unseren alten Studienfreund, hatten wir schon überzeugt, dass wir viel einfacher im Hano schlafen, weil dort jeder Handgriff sitzt, die Zahnbürste schon am Platz ist und wir auch mit geschlossenen Augen die drei Schritte von der Dusche bis zum Bett schaffen. Aber Hildas ecuadorianische Gastfreundschaft ließ sowas gar nicht zu: sie sind in ein kleines Bett umgezogen, um uns ihr luxuriöses Schlafzimmer zu überlassen. Anders als in europäischen Gästezimmern ist hier der Gast König! Das große Bett haben wir dann auch sehr genossen. Aber es war so ungewohnt, beim nächtlichen Umdrehen nicht an Torsten anzustoßen…

Kolumbien. 19 bezahlte Nächte auf teilweise ganz tollen Campingplätzen, teilweise einfachen Parkplätzen. 3 Tankstellen, 4 kostenlose Parkplätze von Sehenswürdigkeiten. Dann nach Abschied vom Hano 6 Nächte im Hostal in Cartagena.

Inklusive Ankunft in Montevideo und Abflug aus Kolumbien hatten wir 13 Grenzübergänge. Die Dauer für die Erledigung aller Formalitäten (Aus- und Einreise der Personen bei der Migración sowie Aus- und Einreise des Hanomag bei der Aduana) dauerte zwischen 90 Minuten und drei Stunden. Mit Ausnahme sämtlicher chilenischen Grenzbeamten und einer gelangweilten brasilianischen Migración-Tussi bei der Wiedereinreise nach Besichtigung der argentinischen Iguazú-Fälle waren alle Grenzbeamten nett, die meisten sogar sehr nett. Bei der ersten Ankunft in Brasilien begrüßte uns ein Herr Friedrich, deutschstämmig, sprach aber ebenso wenig Deutsch wie wir Brasilianisch. Dennoch führten wir unverdrossen ein sehr nettes Gespräch, während um uns herum Falschparker ihre Strafzettel bezahlten. Der junge Mann bei der Aduana in Peru war ganz stolz, als er „Rheinstahl-Hanomag“ als Automarke in seinen Computer eingegeben hatte, und dann ganz enttäuscht, als das Programm diesen Eintrag nicht akzeptierte und er ganz simpel „otro/other“ auswählen musste. Als er uns nach unserem Wohnort fragte, leuchteten seine Augen wieder auf: „Eggenstein-Leopoldshafen“ war genau die Herausforderung, nach der er gesucht hatte, und diesmal wurde seine Eingabe akzeptiert. Er konnte also allen Kollegen zeigen, welch komplizierten Ortsnamen er völlig korrekt eingetragen hatte! Und die Ähnlichkeit seiner weltgewandten Aussprache „Echens-tee-in Leopolds-affen“ mit dem deutschen Original konnten seine Kollegen ja nicht überprüfen, wer wäre denn auch so kleinlich, sie in Zweifel zu ziehen. Die Beamten in Ecuador machten ein paar Selfis vor dem Hano und dann noch gegenseitig ein paar Fotos, wie sie unsere Papiere vor dem Hano kontrollieren. Die eigentliche Kontrolle hatte natürlich im angrenzenden Büro stattgefunden, aber sie wollten diese Fotos der Zentrale in Quito schicken, weil die immer wissen wollen, wie so ein typischer Arbeitsablauf an den Grenzen aussieht.

Nun wurde aber genug geschlafen und gewartet – jetzt kommen die knackigen Zahlen des trabenden Hano!

In Südamerika haben wir an 107 Fahrtagen mehr als 17.000 km zurückgelegt, davon knapp 4.000 km auf Pisten, davon wiederum 220 km auf Salz. Dabei haben wir mehr als 210.000 Höhenmeter überwunden. 57 Nächte haben wir auf Höhen über 3.500 m.ü.N.N. verbracht, im Altiplano bzw. der Puna, einer Hochebene, die sich von Nordargentinien/-chile über Bolivien bis Cusco in Peru erstreckt. Eine grandiose Zeit, zumal hier auch emotional und landschaftlich die absoluten Höhepunkte der Reise lagen. Der höchste Halt war auf 5.033 m.ü.N.N., bei der bolivianischen Zollstation in Apacheta. An 12 Tagen haben wir über 4.500 m hohe Pässe überwunden.

Die höchstgelegene Übernachtung hatten wir später in Ecuador ander Flanke des Cotopaxi auf 4.590 m.

Am längsten Fahrtag ist der Hano 531 km gefahren, insgesamt sind wir an 9 Fahrtagen mehr als 300 km weit gefahren. Doch wir hatten auch sehr lange Fahrtage mit kurzen Strecken unter 100 km – einerseits durch Waschbrett-Pisten (in Bolivien und Nordargentinien) andererseits durch starke Steigungen und beständiges Rauf und Runter (Peru, Ecuador, Kolumbien). An diesen Tagen erreichten wir typischerweise Durchschnittsgeschwindigkeiten von 10…15 km/h! Da bewahrheitete sich der Spruch, der unsere Reise-Flaggen zierte: „50 años a paso de tortuga“…

Der Tag, an dem wir in Ecuador einreisten, war der Fahrtag mit den meisten Höhenmetern – 6.400 Meter ist der Hano auf einer Strecke von 264 km hinauf, hinab, hinauf, wieder hinab usw. geklettert. Und das war keineswegs auf kleinen abartigen Pisten, sondern brav auf der Panamericana! Insgesamt hatten wir mehr als zehn Fahrtage mit über 4.000 Höhenmetern.

Die klimatischen Verhältnisse variierten von -15°C und 20% relativer Feuchte auf 4.150 m.ü.N.N. (entsprechend einem Luftdruck von unter 0,6 bar) an der Laguna Ramaditas in Bolivien, bis zu Temperaturen von über 30°C nachts und über 36°C tagsüber bei 90% relativer Luftfeuchte im Pantanal in Brasilien sowie der karibischen Küste Kolumbiens.

Bremerhaven – die nördlichste Stadt Südamerikas?

Bremerhaven – die nördlichste Stadt Südamerikas?

09.04. bis 16.04.2018

Darin, dass Cartagena die letzte Station in Südamerika sei, hatten wir uns gewaltig getäuscht.

Der Hano soll ja in Bremerhaven anlanden, in geordneten deutschen Verhältnissen, und mit deutscher Pünktlichkeit. Dachten wir. Vermutlich war es jedoch eine gütige Fügung des Schicksals, dass die Reise so südamerikanisch zu Ende ging – damit wir nicht im deutschen Alltagstrott gerinnen, sondern lebendig daran erinnert werden, unter welchen organisatorischen Randbedingungen wir das letzte halbe Jahr verbracht haben.

Eine Woche vor Ankunft des Schiffes erhalten wir eine Information der Rederei, dass der Hano in der folgenden Woche am Dienstag in Bremerhaven ankommt und zwischen Mittwoch und Freitag beim Zoll ausgelöst werden kann. Torsten bucht also eine Bahnfahrt für den Mittwoch, eine Hostal-Übernachtung im Hafen, und vereinbart einen Abholtermin für Donnerstag. Ein Tag Sicherheitspuffer sollte in Europa ja reichen.

Voller Vorfreude verfolgen wir täglich das Schiffstracking und vergleichen es mit den Wetterdaten auf dem Atlantik um nachzufühlen, wie stark der Hano durch Stürme geschaukelt, oder ob der Schiffsrumpf durch Sonne gewärmt wird. Am Sonntag stellen wir plötzlich fest, dass das Schiff in Antwerpen angelegt hat. Antwerpen war auf dem Fahrplan gar nicht vorgesehen gewesen. Naja, zum Glück hat Torsten ja einen Tag Puffer eingeplant, bis Donnerstag sollte der Hano längst ausgeladen sein. Sollte.

Ist er möglicherweise auch, aber an einen Zolltermin am Donnerstag ist trotzdem nicht zu denken, erfährt Torsten am Donnerstag früh. Im Laufe des Tages wird er einen Termin für Freitag erhalten. Also verlängert er das Zimmer um eine Nacht, und erschließt die hochspannende Metropole Bremerhaven touristisch. Auch dem Aldi stattet er einen Besuch ab, da er sein brandneues Handy mitgenommen hat, das noch keine SIM-Karte hat. Alditalk gibt es ja schließlich auch im Norden zu kaufen. Das stimmt zwar, aber irgendetwas funktioniert mit der Aktivierung nicht. Also ist er telefonisch nicht zu erreichen. Als er am späten Nachmittag zurück zum Hostal kommt und über WLAN seine mails abruft, sieht er eine Nachricht von der Reederei, dass er doch bitte bis 17:00 Uhr zurückrufen soll (wofür es zu spät ist), oder morgen ab 8:30 Uhr. Der Zoll hat ein Verfügungsverbot über unseren Hanomag ausgesprochen.

Wieso denn anrufen? Er checkt am Freitag morgen aus und spaziert mit dem Rucksack 2 km bis zum Büro der Reederei. Taxi ist doch was für Weicheier, auch wenn er keine Wanderschuhe dabei hat und der Rucksack recht schwer ist, da er noch einige Sachen für den Hano mitnehmen musste. Überpünktlich  kommt er um 8:15 bei der Reederei an. Dort erwartet ihn die fröhliche Nachricht, dass der Zolltermin (in der Fachsprache heißt das „Beschau“ – als sei der Hano ein Stück Fleisch…) erst am Montag möglich sei. Wie bitte? Torsten bittet die Dame mit Nachdruck, noch heute einen Termin möglich zu machen, deponiert dann seinen Rucksack bei der Reederei und spaziert zum Terminal, an dem der Zolltermin stattfinden soll – ohne Ergebnis. Gegen Mittag wird er nochmal bei der Reederei vorstellig und äußert seinen Unmut über die Verzögerung. Dabei fällt ihm auch auf, dass die Reederei einen Beschau-Termin ohne ihn ausmachen wollte. Das geht ja gar nicht, da nur er die Schlüssel für den Aufbau und die Staufächer hat. Auf dem Schiff befindet sich lediglich der Schlüssel für das Führerhaus. Also erbitten sie nun vom Zoll einen Termin im Beisein des Fahrzeughalters. Im Laufe des Tages erhält Torsten dann die Nachricht, die ihn endgültig noch ein Wochenende in Bremerhaven beschert: Der Zolltermin kann erst am Montag stattfinden, da das „notwendige Instrumentarium“ für die Beschau nicht bereitgestellt werden kann.

Also bucht er drei weitere Nächte für knapp 200 € im selben Hostal… Da er nur mit einer Nacht gerechnet hat, hat er auch nur eine frische Wäschegarnitur mitgenommen – im Hano wartete ja noch genügend Wäsche darauf, mal wieder gebraucht zu werden. Hätte ihn die Reederei rechtzeitig von der Verzögerung unterrichtet, hätte er ja das Zugticket verfallen lassen und für Sonntag ein neues buchen können, das wäre deutlich billiger gewesen. Aber dann hätte er ja nicht alle Museen von Bremerhaven kennen gelernt… Viele neue Anregungen gibt es im Schifffahrtsmuseum. Vielleicht kaufen wir uns irgendwann ein U-Boot aus dem letzten Krieg als Reisegefährt.

Von der Reederei kommt eine mail, dass die Beschau zwischen 7:45 und 8:30 stattfinden soll.

Am Montag um 7:30 Uhr ist Torsten folglich beim Zoll. Und sie haben auch gleich Zeit für ihn, sowie das „notwendige Instrumentarium“. Das schaut ihn mit neugierigen Augen an. Es handelt sich nämlich um die Drogenhündin, die am Freitag nachmittag keine Zeit hatte, da sie auf Schulung musste. Torsten bleibt die Spucke weg – er hatte hinter dem „notwendigen Instrumentarium“ vielmehr ein Röntgengerät o.ä. vermutet. Das Schnüffeln der Hündin geht auch ganz schnell. Er muss nicht einmal die Fächer öffnen, sie schnüffelt einfach nur an allen Schranktüren, hüpft auf allen Polstern herum, und das war’s. Die vier Zollbeamte, die für diese Beschau nötig sind, schauen freundlich und gelassen zu. Dafür hat Torsten fünf lange Tage und Nächte hier gewartet!

Die Heimreise verläuft gut, der Hano trabt fröhlich und genießt den glatten Fahrbahnbelag der deutschen Bundesautobahnen.

In Hannover, der Produktionsstätte des Hanomags, ist ein Zwischenstopp mit Foto geplant. Kurz vor Erreichen der Hanomagstraße fällt der Luftsdruck im Reifen links hinten rapide ab. Auf einem Friedhofparkplatz ist genug Ruhe für einen Radwechsel. Dann das geplante Foto: Auch in der Hanomagstraße ist die Welt verändert: Die Gebäude und Werkshallen stehen noch, allerdings sind sie neuen Zwecken zugeführt worden. Der Hanomagschriftzug ist halb verschwunden hinter neuen Gebäudekomplexen.

Weiter geht es in den Abendstunden auf der A7. In Göttingen besucht Torsten spontan eine Tante und übernachtet dort auf dem Reiterhof. Ein unverhoffter netter Abend lässt die Vergangenheit von Kindheit und Jugend lebendig werden.

Am Abend des 17. April kommen die beiden wohlbehalten in Leopoldshafen an. Nun endlich ist die große Reise zu Ende, die uns dreien so unvergessliche Erinnerungen beschert hat.

Ankunft zu Hause

Ankunft zu Hause

16.3.2018

Die Ankunft zu Hause verläuft erschreckend normal. Wir kommen am Freitag Mittag an. Hannes „Welcome home“-Schild mit bunten Luftballons lässt uns vermuten, dass wir länger weg waren. Aber als wir das Haus betreten und die Treppe in unsere Wohnung hinaufsteigen, fühlt es sich an, als kämen wir wie jeden Freitag von der Arbeit nach Hause. Alles ist so vertraut und unverändert, als ob wir am Morgen noch hier gefrühstückt hätten.

Zielsicher gehe ich zu Schränken und Schubladen, hole Geschirr und Besteck heraus, verstaue Jacken und Wäsche, als seien wir nie weg gewesen. Das erschreckt uns ziemlich – kann nach solch einer Reise alles einfach so normal weiter gehen? Haben wir uns denn gar nicht verändert? Die Fische brauchen einige Zeit zum Eingewöhnen, bis sie wieder aus der Hand fressen. Der zweite kleine Hinweis auf die lange Abwesenheit.

„Wartet ab, der Kulturschock kommt noch“ berichten uns fernreiseerfahrene Freunde und Kollegen.

Und es stimmt – es kommt unverhofft, in schwachen oder stärkeren Wellen. Die ersten fünf Tage stehe ich morgens auf und bereite wie immer das Frühstück schlafwandelnd vor – mit exakt denselben Handgriffen wie vor der Reise. Am sechsten Tag gehe ich in die Küche – und weiß gar nichts mehr. Wo bin ich? Warum bin ich hier? Was wollte ich gerade machen? Nach einigen Minuten völliger Verwirrung fällt mir wenigstens wieder ein, dass ich Tee kochen wollte. Aber wo ist der Gasherd? Der Wasserkocher? Der Hochschrank mit unserem Campinggeschirr? Weshalb ist in diesen merkwürdigen Schränken nur Porzellan? Und an so ungewohnter Stelle? Nach der Tasse Tee bin ich wieder vollkommen im Lot. Weiter geht es im gewohnten Trott.

Wirklich? Nach und nach merken wir, dass doch einiges anders ist. Teilweise Kleinigkeiten, die jedoch manchmal einen spürbaren Unterschied machen. Unser Ärger über das nervtötende Kruschteln im Hanomag hat beispielsweise dazu geführt, dass viele Entscheidungen schneller getroffen werden. Was weder Platz noch Verwendung findet, wird weggeworfen oder verschenkt. Sollten wir es doch nochmal benötigen, müssen wir uns eben etwas anderes einfallen lassen oder es im schlimmsten Fall neu kaufen. Aber dass nutzlose Dinge jahrelang eine Schublade blockieren, weil man sie vielleicht irgendwann noch mal brauchen könnte, tolerieren wir nicht mehr. Und einiges Anderes hat sich geändert. Manches merklich, manches unmerklich.

Drei Wochen nach Rückkehr habe ich einen „Was mache ich denn hier in dieser Welt?’“ Tag. Aber der verfliegt schnell, am nächsten Tag freue ich mich wieder, in Deutschland und bei meiner Arbeit zu sein.

Möglicherweise kommt der tiefe Einbruch noch, meist so drei bis vier Monate nach der Rückkehr, haben uns Freunde berichtet. Warten wir‘s ab!

Vorerst warten wir voller Ungeduld auf den Hano – denn erst wenn er wieder bei uns ist, wird die Reise wirklich zu Ende sein! Wir sind ja nur der (unbedeutendere) Teil der gesamten Expedition – schließlich hat er den Großteil der Arbeit verrichtet: Er hat uns mehr als 17.000 km durch einen faszinierenden Kontinent geschaukelt, wobei er über 200.000 Höhenmeter überwinden musste! Er hat stundenlang geduldig stillgehalten, wenn Torsten wieder mal repariert hat. Er ist auch bei mehr als 5.000 m.ü.N.N. oder Temperaturen von -15°C wieder angesprungen – manchmal mit Leiern, Stottern und Rauchen, aber immer treu. Und hat nachts Wache gehalten und mit den Sternen geflüstert, während wir selig geschlafen und von neuen Abenteuern geträumt haben. Wir haben ihm viel zu verdanken.

Letzte Station in Südamerika: Cartagena

Letzte Station in Südamerika: Cartagena

9.-15.3. 2018

Am 9.3. geben wir den Hano im Hafen von Cartagena ab. Ein mulmiges Gefühl nach 6 Monaten engster räumlicher Verbundenheit. Wie wird es sein, in einem normalen Bett zu schlafen? Auswärts zu essen? Das Duschwasser nicht rationieren zu müssen – werden wir dem Wasser dieselbe hohe Bedeutung beimessen wie unterwegs, oder es einfach unachtsam laufen lassen, weil es ja plötzlich im Überfluss aus dem Hahn kommt, so wie Strom aus der Steckdose?

Über die Auflagen der Reederei, des Zolls und der Hafenbehörden, die Vorbereitung und Abgabe des Hano könnte man ein eigenes Buch schreiben. Möglicherweise folgt zu einem späteren Zeitpunkt ein rückblickender Blogeintrag.

Nach dem Abschied werden wir von unserem Hafenagenten zu unserem Hostal „La Magdalena“ gefahren. Ein hübsches kleines Hostal, keine zehn Gehminuten vom berühmten Uhrturm entfernt, hinter dem die eigentliche Altstadt Cartagenas beginnt.

Die Altstadt ist recht hübsch, aber im Grunde hat man nach einem Tag vielleicht nicht alles, aber genug gesehen. Enge Gässchen, hübsche alte Kolonialhäuser (na ja – was gut aussieht, sind moderne Betonbauten auf alt gemacht, und die Häuser, die tatsächlich schon 200 Jahre alt sind, wirkten meist eher baufällig als ansprechend…). Da wir oft gelesen haben, dass Cartagena eine der schönsten Städte in Südamerika sein soll, sind wir im Nachhinein nicht traurig, dass wir so wenige besichtigt haben. In den engen Gässchen der Altstadt heizen tagsüber die Autos. Nachts fahren hier Kutschen Besucher spazieren. Die Bürgersteige sind sehr schmal, und zur Hälfte oder ganz von Kunsthandwerk und dessen Verkäufern belegt. So muss man also Slalom laufen, aufpassen, dass man nicht überfahren wird, und jede Unterhaltung wird nach spätestens zwei Sätzen dadurch unterbrochen, dass einem jemand etwas verkaufen will, eine Mahlzeit anbieten will, … Einige Verkäufer bieten wohl tatsächlich original kolumbianische Handarbeit an. Bei anderen Ständen gleichen sich die Artikel so sehr, dass wir eher auf Massenproduktion aus China tippen. Als Laie ist es unmöglich, unter all dem Feilgebotenen das Echte vom Nachgemachten zu unterscheiden.

Wir müssen noch bis zur Drogenkontrolle des Hano im Hafen warten und können dann erst den Rückflug buchen. Die Drogenkontralle darf frühestens 24 Stunden vor Abfahrt des Schiffs mit Anwesenheitspflicht des Fahrzeughalters erfolgen. Also nehmen wir uns Zeit, einige Museen zu besuchen. Absolut spannend und lohnenswert war aus unserer Sicht das „Museo Naval del Caribe“, das parallel zur Geschichte der Schifffahrt und der Hafenanlagen die Geschichte der Stadt erzählt, welche wiederum in die europäische Geschichte eingebettet wird. Außerdem erfährt man viele Fakten und Anekdötchen über Angriffe auf die Stadt durch Freibeuter und Piraten – von Sir Francis Drake im Auftrag Elizabeths der I. bis hin zum Baron de Pointis im Auftrag Ludwigs des XIV wollten sich alle hier bereichern.

Im Goldmuseum kann man viele liebevoll arrangierte Exponate bewundern, die sorgfältig zu Epochen und Landstrichen zugeordnet sind, sodass wir viele Exponate den Stationen unserer Reise zuordnen können. Die Miniaturen aus San Agustín und Tierradentro erkennen wir auch ohne Begleittext wieder – die Figuren, die dort meterhoch in Stein gemeißelt waren, finden wir hier als kunstvoll in Gold getriebene Amulette wieder. Das ermöglicht uns einen schönen Rückblick auf unsere Zeit in Kolumbien, und die Stationen erstrahlen plötzlich in unserer Erinnerung in noch schönerem Glanz. Zudem gibt es drei kurze, sehr aufschlussreiche Lehrfilme über die alten Verfahren der Goldgewinnung und –verarbeitung. Endlich mal nicht stundenlanges Blabla, sondern hervorragend aufbereitete Informationen über das Wesentliche. Eine echte Wohltat. Wir waren zweimal dort!

Nur mäßig beeindruckend fanden wir hingegen das Castillo de San Felipe, immerhin die größte Festung in Südamerika. Auf massivem Fels wurde in mehreren Bauabschnitten ein verwirrendes System aus Mauern, Tunneln und Innenhöfen geschaffen, wodurch es uneinnehmbar wurde. Das ist schon nicht ganz unbeeindruckend. Allerdings wurde diese Festung zwischenzeitlich aufgegeben und als Baumaterial ausgeschlachtet. D.h. die Mauern, auf denen man heute wieder herumlaufen kann, sind nicht original, sondern wurden ab den 1930’er Jahren restauriert. Das erinnert uns irgendwie an die kolonialen Betonhäuser in der Altstadt… Uns kommt es vor, als würde man die Restauration nicht nur sehen, sondern auch fühlen – echte Ehrfurcht wie an anderen historischen Stellen stellt sich nicht ein.

Endlich lässt der Termin für die Drogenkontrolle dann ein Ende unseres Aufenthaltes absehen. Der gesamte Verschiffungsvorgang würde einen eigenen überlangen Blogeintrag beanspruchen, hier nur die komprimierte Version. Die Kontrolle verlief glücklicherweise weniger scharf als erwartet. Bisweilen kommt es vor, dass der Fahrzeughalter allein (denn nur der Halter darf zur Kontrolle in den Hafen!) den gesamten Fahrzeuginhalt ausräumen muss. Der Hano wurde zwar gründlich inspiziert, aber das komplette Ausräumen blieb Torsten zum Glück erspart. Die besonders gründliche Kontrolle begründet sich an der Abwesenheit des Drogenhundes wegen Unpässlichkeit. So wurde es im Protokoll des Zollbeamten vermerkt. Am Abend haben wir dann unseren Rückflug gebucht, und den guten Abschluss der Verladeformalitäten mit unserem Lieblingsbier „Club Colombia“ gefeiert und mit einem leckeren „Ron de Medellín“ ausklingen lassen.

Beim Rückflug gab es noch eine kleine Zitterpartie, es wäre ja zu langweilig gewesen und hätte den Charakter der Reise nicht getroffen, wenn alles reibungslos abgelaufen wäre. Wir hatten eine Code-Nummer für das Online-Tracking des Hano erhalten, die es uns ermöglichen sollte, seinen Aufenthaltsort jederzeit zu verfolgen. Das setzt natürlich voraus, dass alle Vorgänge ordnungsgemäß ins Tracking-System eingetragen werden. Als in Cartatgena das Boarding beginnt, ist das Schiff laut Homepage der Reederei bereits unterwegs Panama, der Hano steht aber laut Tracking noch im Hafen. Steht er dort tatsächlich noch oder ist er nur noch nicht eingebucht? Wir überlegen kurz, ob wir fliegen sollen – denn wenn der Hano tatsächlich nicht auf dem Schiff ist, wird Torsten nochmal beim Hafen vorsprechen müssen. Wir fliegen dann, mit nicht zu leugnender Anspannung. Als wir dann beim Umsteigen in Miami dann die Nachricht von unserem Agenten erhalten, dass der Hano verladen wurde und sanft auf den Wogen der Karibik schaukelt, fällt uns ein riesengroßer Stein vom Herzen. In Ermangelung einer Alternative begießen wir das fröhliche Ereignis mit dem schlechtesten und teuersten Bier aller Zeiten: einem amerikanischen Budweiser, das uns satte 9 US$ pro Pint kostet. Dadurch wird es uns aber lange in Erinnerung bleiben – und wir wertschätzen rückwirkend noch mal die Qualität der Biere in Südamerika.

Karibik

Karibik

27.2.-5.3.2018

Wir eilen in zweieinhalb Fahrtagen von dem Kaffeeanbaugebiet bei Salento nach Norden. Bergauf, bergab keucht der Hano ins Tal des Rio Magdalena, dann sind wir in der Ebene angekommen und der Hano galoppiert wie eine Gazelle nach Norden in Richtung Karibik-Küste. Während wir im Süden des Landes noch viele kleine Häuschen und Höfe mit kleinen, aber feinen abwechslungsreichen Plantagen gesehen haben, bekommen wir entlang der Ruta 45 nördlich von La Dorada einen ziemlichen Schock: Wie wir schon vermutet hatten, ist der ursprüngliche Tropenwald seit Jahrzehnten abgeholzt, stattdessen reiht sich etwa 1000 km lang Großplantage an Großplantage – selbstredend afrikanische Ölpalmen, keine einheimischen. Im Norden dann zur Abwechslung auch mal Bananen, die Fruchtstände sorgfältig unter Plastikfolie geschützt. Und der Müll in der Landschaft nimmt zu, um an der touristisch überlaufenen Karibik-Küste sein Maximum zu erreichen.

An der Küste erreichen wir Santa Marta, eine der ältesten Städte Kolumbiens, mit einigen angrenzenden Nationalparks. Zunächst fahren wir in das kleine Bergdorf Minca, von wo aus man gut wandern und den Nationalpark Sierra Nevada besuchen kann, der sehr schön sein soll. Für Backpacker wohl genial, es gibt viele nette kleine Fincas zum Übernachten. Der Ort ist aber nicht auf Camper eingestellt. Die Zufahrten zu den Fincas haben niedrige Tore, sodass als einzige Übernachtungsmöglichkeit drei kleine Parkplätze direkt an der Straße bleiben. Nicht dass die Straße stark befahren wäre – aber es flanieren Heerscharen von Spaziergängern auf dieser kleinen Straße, und wir sind es so langsam leid, dass jeder unseren Hano bewundert und das Gespräch mit uns sucht. Also lassen wir die Berge Berge sein und fahren wieder Richtung Strand nach Taganga. Laut Beschreibung im Internet ein romantischer kleiner Fischerort mit dem Charme eines verschlafenen Seeräubernests, klingt ja spannend. Die Realität ist dann etwas ernüchternd – in Strandnähe wird man unentwegt angequatscht, ob man nicht hier oder dort essen oder einen Café trinken will, ob man nicht eine Bootsausfahrt zu den einsamen Stränden im angrenzenden Tayrona-Nationalpark machen will, usw. Wir hätten lieber dem Rauschen des Meeres und des Windes zugehört, aber als Gringo ist man hier Freiwild für die Marktschreier… Immerhin finden wir eine sehr ansprechende Tauchbasis und wollen ein paar Tauchgänge machen. Doch wir haben Pech, die See ist gerade aufgewühlt mit geringen Sichtweiten. Wir freuen uns über die Ehrlichkeit des Basisbesitzers und beschließen, für ein paar Tage weiter nach Osten zu fahren, und dann nach Abflauen der starken Winde zum Tauchen zurück zu kommen. Am anderen Ende des Tayrona Nationalparks finden wir dann auf einem Campingplatz mit dem klangvollen Namen „Los Angeles“ die ersehnte Ruhe und Naturnähe und verbringen drei entspannte Tage. Den Stellplatz des Hano mit Meeresblick suchen wir sorgfältig zwischen den Kokospalmen aus – es ist gar nicht so einfach, einen Platz zu finden, an dem man ausreichend kühlenden Baumschatten hat, aber nicht durch herabfallende Kokosnüsse gefährdet ist. Mehrmals täglich lösen sich Früchte und stürzen unter respekteinflößendem Gepolter auf den Boden. Nicht auszudenken, was passiert, wenn einem solch eine beschleunigte Nuss auf den Kopf fällt! Was für viele der Inbegriff der Romantik ist, wird hier zur handfesten Bedrohung!

Ein paar schräge Gesellen gibt es auf diesem Platz auch, aber so wenige, dass sie eher eine willkommene Abwechslung sind. Am ersten Nachmittag kommt ein Kolumbianer und referiert über Gott, den Teufel und den Tod. Natürlich auf Spanisch, daher habe ich von seiner Ansprache kaum mehr als diese drei Schlagworte verstanden. Dann klettert er mit nackten Füßen auf eine Kokospalme, hackt eine trinkreife Frucht los, wieselt wieder hinab und überreicht sie uns. Wir sind verdutzt, und noch ehe ich ein paar Pesos aus meiner Tasche kramen kann, ist er schon verschwunden. Er wollte uns offensichtlich wirklich nur selbstlos missionieren und beschenken. Netter Kerl, und schade, dass unser Spanisch nicht ausreichte, um seine Botschaften zu verstehen! Torsten freut sich über die neuerliche Aufgabe für unsere Machete. Schon auf der 2 km langen Zufahrt zu diesem Campingplatz hat sie den Weg für den Hano frei gehauen. Mit ein paar gekonnten Schlägen öffnet Torsten die Nuss und wir trinken den leckeren Saft. Die nächste kuriose Gestalt: An allen drei Morgen kommt ein Frühstücks-Verkäufer über den Platz. Jedesmal kommt er erst dann, wenn sich unser Frühstück schon zu Ende neigt, die Teller und Tassen aber noch halb gefüllt sind. Er bietet uns etwas zu Essen und heiße Getränke an und zeigt sich ganz verdutzt, dass wir ablehnen. Bewundernswerte Beharrlichkeit!

Wir genießen das warme Wetter, den Wind und die Strandspaziergänge. Aber wie schon in vorangegangenen Tauchurlauben merken wir, dass die Karibik über Wasser nicht unsere Welt ist. Schön, beschaulich, aber nicht wirklich mitreißend. Nach drei Tagen sind wir mehr als „satt“. Zudem ist der Norden Kolumbiens vollkommen vom US-amerikanischen Tourismus überformt. Daher sind wir auch nicht allzu böse, als wir erfahren, dass unser Schiff gestrichen wurde, und wir nun die Möglichkeit haben, eine Woche früher oder vier Wochen später nach Hause zu fahren. Wir entscheiden uns für eine Woche früher – zwar bleibt uns dadurch leider keine Zeit mehr, um Tauchen zu gehen, aber irgendwie wissen wir nicht, was wir hier noch vier Wochen lang machen sollten. Schade, dass der Altiplano so weit weg ist – in den hochgelegenen Wüsten zwischen Bolivien und Nordargentinien wären wir sofort noch mal vier Wochen auf Tour gegangen!