Kathrina platscht durch die Kalahari 07.-10.04.2022

Kathrina platscht durch die Kalahari 07.-10.04.2022

Beinahe wären wir an der Kalahari vorbei gefahren.

Nach den intensiven Tiererlebnissen am Chobe- und Kwhai-Fluss waren wir übervoll mit stark positiven Eindrücken, wir hätten uns am liebsten erstmal eine Woche lang an einem unspektakulären Ort erholt, damit die vielen Sinnesreize wieder abklingen können. Darüber hinaus waren wir von den katastrophalen Pistenzuständen richtig müde: Kathrina knurpste mittlerweile bei jedem Schlagloch, Torstens Arme schmerzten vom Freihacken und den starken Lenkmanövern, ich wollte nicht mehr auf jeden Meter von rechts nach links geschaukelt werden. Wir suchten also nach einem „normalen“ Campingplatz. Den fanden wir auch: umzäunt, bewacht, Campingplatznachbarn, und eine Bar mit Musik. Obwohl die großen heißen Duschen sehr verlockend waren, zog es uns nach zwei Tagen schon wieder weiter. Wir beschlossen, Botswana auf Teerstraßen zu durchqueren und möglichst zügig nach Südafrika zurück zu kehren.

Doch am Nachmittag des ersten Fahrtages zieht es Kathrina über eine (nur 5 Kilometer lange) Piste an das Ufer des Boteti-Flusses. Wir verbringen einen wunderbaren Nachmittag in der Einsamkeit und beschließen, unser Nachtlager hier aufzuschlagen. Beim Routineblick unters Chassis bemerkt Torsten, dass sich der Gummipuffer des Stoßdämpfers vorne rechts in Luft aufgelöst hat. Ohne Puffer kann der Stoßdämpfer natürlich keine Stöße mehr dämpfen. Ob dies die Ursache für das Poltern war? Der Gummipuffer wird vor dem ins-Bett gehen noch ausgetauscht, und siehe da, bei der Rückfahrt auf die Teerstraße am nächsten Tag poltert nichts mehr.

Nach kurzer Fahrt auf der Teerstraße spannt sich eine weite, beschauliche Grasebene vor uns auf. Einige dornige Akazien überragen das Gras – das ist das Bild, das wir immer von Afrika vor Augen, aber bisher nicht gefunden hatten. Die Ausläufer der Kalahari! Kathrina bekommt große Augen, wir auch, und wir entscheiden uns spontan, in den Central Kalahari Nationalpark zu fahren. Im nächsten Ort kaufen wir noch schnell einige Lebensmittel und zwei 5 Liter-Behälter Trinkwasser. Gutes Wasser zum Auffüllen des Wassertanks (Kochen, Abwaschen, Duschen) soll es ja am Eingangstor des Parks geben. Dort angekommen erfahren wir, dass das Bohrloch kaputt ist, wir müssen also mit unseren Reserven haushalten. Kein Problem, das sind wir gewohnt. Der Parkwärter an der Rezeption telefoniert mit der Zentrale und findet noch einen Platz, der für drei Nächte frei ist, im zentralen Teil des bekannten „Deception Valley“, in dem sich die meisten Tiere aufhalten sollen. Wir wissen, dass dies um diese Jahreszeit nicht unbedingt bedeutet, dass man überhaupt Tiere sieht – aber uns hat ja die weitläufige Landschaft magisch angezogen, nicht die Hoffnung auf spektakuläre Tiererlebnisse, also schlagen wir zu und fahren in den Park.

Durch das hohe Gras sind die Tiere in der Tat schwer zu sehen – die kleinen Gazellen verschwinden komplett im wogenden Gras, ebenso deren Jäger. Die Giraffen überragen natürlich das Gras, hier bekommen wir endlich mal den Anblick „Giraffe wächst in den Himmel“ (und nicht: Giraffe wirkt klein vor hohen Bäumen), und auch die großen Oryx-Antilopen sieht man gut – was wollen wir mehr?

Unser Platz besteht aus einem Plumpsklo und einer Stange, an die man eine Eimerdusche hängen könnte, wenn man denn eine hätte – aber wir haben ja unsere Dusche in Kathrina. Und vor allem: keine Nachbarn in Sichtweite, viele Vögel am Platz, nachts kommen die Springhasen. Einfach nur herrlich!

Die Pisten im Park sind schlimm. Wie in allen Nationalparks, die wir bisher besichtigt haben, sind die Pisten nicht gepflegt. Weder geebnet noch freigeschnitten. Selbst Fahrer mit kleinen Dachzelt-Geländewagen klagen über den Pistenzustand. Als wir bei einem Ausweichmanöver mit den Entgegenkommenden ins Gespräch kamen, meinten die „Also 2015 kamen wir überall sehr gut durch – seitdem scheint nichts mehr gepflegt worden zu sein…“. Immerhin haben wir das Glück, dass Kathrina die gefürchteten Tiefsandpassagen nichts ausmachen. Nur ganz selten verlangt sie nach Allrad – die meisten Strecken können wir im normalen Straßengang fahren. Aber die wuchernden Äste machen Probleme. Die vielen, über Nacht neu nachgewachsenen Kameldorn-Zweige mit ihren mehreren Zentimeter langen Dornen krietschen ganz fürchterlich über den Lack, über die Kisten auf dem Dach, und schlagen in die offenen Fenster – denn diese sind ja unsere Klimaanlage. Also halten wir die Fahrten kurz, verbringen die Zeit an den benachbarten Pfannen, und genießen die unglaublichen Lichtstimmungen. Am ersten Tag ist der Himmel strahlend blau und wolkenlos, in der Nacht haben wir seit über drei Monaten wieder einen wunderbar klaren Sternenhimmel. Am nächsten Morgen bewundern wir die einzigartigen Schäfchenwolken-Formationen am Himmel, abends dann das Wetterleuchten in hoch türmenden Riesenwolken. Nachts klart es wieder auf, und die Sterne funkeln wieder. Am dritten Tag machen wir dann eine etwas längere Fahrt. Morgens ist es noch sonnig, mittags dann glücklicherweise bedeckt, sodass die Sonne nicht so unerbittlich niederbrennt. Nachmittags, kurz bevor wir zurück an unserem Platz sind, kommen dann die ersten Tropfen. Sehr schnell kommen dann sehr viele sehr große Tropfen. Wir suchen uns auf einem etwas breiteren Pistenstück einen leicht erhöhten Platz zum Anhalten, denn wir können trotz Schnellgang der Scheibenwischer nichts mehr sehen. Diese Zwangspause verbringen wir dann damit, eindringendes Wasser wegzuwischen, die Eindringstellen zu identifizieren und so gut es geht zu dichten. Und dabei entdecken wir neben den wohl bekannten auch eine neue neuralgische Eindringstelle: Das Gummi im Durchgang vom Führerhaus zur Wohnkabine hat mittlerweile ein Loch. Als der Regen endlich nachlässt, erreichen wir im letzten Abendlicht unseren heimeligen Stellplatz. An der Stelle, wo wir die beiden Nächte zuvor standen, funkelt ein schöner kleiner See. Glücklicherweise hat dieser See eine kleine Insel. Kathrina macht sich ganz klein, und dadurch schaffen wir es, so zu parken, dass all ihre Reifen auf Sand stehen, und dass auch wir noch einen knappen Meter Sand zum Aussteigen haben.

Eigentlich wollten wir am vierten Tag nochmal zu einer nahegelegenen Pfanne fahren, doch da es nachts weiter geregnet hat, und alles noch tiefer unter Wasser steht als am Vorabend, beschließen wir, direkt zum 40 Kilometer entfernten Parkeingang zu „fahren“. Die ersten fünf Kilometer sind relativ hoch liegende Sandpisten, die sich halbwegs angenehm fahren lassen: Auf feuchtem Sand haben die Reifen mehr Griff als im trockenen Tiefsand, doch kommt alle 10 bis 20 Meter eine Pfütze, der man nicht ansieht, wie tief sie denn sein wird. Einige Pfützen sind so tief, dass selbst Kathrina mit ihren großen Rädern das Herz in die Hose rutscht. Nach fünf Kilometern kommt dann ein Pistenstück, das sich in mehrere Nebenpisten verzweigt, und das komplett unter Wasser steht. Wir sehen also keine Pisten, sondern einen verzweigten Fluss. Das Navi hatte zwar bei der Hinfahrt den Weg geloggt, aber die Genauigkeit ist nicht so gut, dass wir bei der Gabelung vorhersagen können, woher wir gekommen waren. Erst nach fünfzig bis hundert Metern zeigt dann der Punkt auf dem Display, dass wir auf der Piste weiter links gekommen waren. Ob diese Strecke aber bei diesen Wetterverhältnissen die bessere ist? Beim Wendeversuch passiert es dann: Kathrina wühlt sich im Schlamm fest. Auch mit gefühlvollstem Gas geben fassen die Reifen nicht mehr. Das rechte Vorderrad steht zur Hälfte im seifigen Schlamm, der sich bei Regen aus dem feinen Ton bildet, der den Boden der Pfannen bedeckt, die anderen Räder im knietiefen Wasser.

Also Gummistiefel anziehen, möglichst dicke Äste mit der Machete abtrennen, die aufgeweichte Matschschicht mit der Schaufel bestmöglich entfernen. Dann die Äste vor und hinter den Reifen unterpacken, damit Kathrina wieder einen festen Untergrund unter die Räder bekommt. Das Ganze mehrfach wiederholen ohne die Geduld oder gar den Mut zu verlieren, bis die Räder tatsächlich fassen, und nicht nur die Äste unter dem Rad durchdrehen und auf der anderen Seite wegschieben. Das ist hier sehr kurz beschrieben, aber dahinter steckt eine gute Stunde harter Arbeit im extrem rutschigen Schlamm, teilweise bei Nieselregen. D.h. Brillen werden nass und beschlagen, usw. Im Berge-Handbuch werden derartige Umstände als „erschwerte Bedingungen“ bezeichnet. Wobei man sich natürlich bevorzugt bei erschwerten Bedingungen festfrisst, sodass es eigentlich klar ist, dass man fast nie bei optimalen Bedingungen bergen kann. Und warten auf Sonnenschein ist nicht immer möglich oder ratsam. Wir sind noch zwei weitere Tage in der Gegend und stellen fest, dass tatsächlich in den Pfützen der Untergrund immer rutschiger wird, obwohl es nicht weiter regnet. Denn der feine Ton braucht lange zum Quellen. D.h. je frischer die Pfütze, desto fester der Untergrund. Und solange die Pfütze stehen bleibt, solange quillt der Untergrund nach – den schlimmsten Matsch hat man also oft erst Tage nach dem Regenfall.

Nach anderthalb Stunden stehen wir also wieder an der Stelle, an der sich die Piste verzweigt. Wir warten auf einer erhöhten Sandstelle. Irgendwann muss doch jemand vorbei kommen. Nach kurzer Zeit kommt auch schon ein Südafrikaner mit seinem Geländewagen. Er kennt den Park gut, auch bei Regen. Er hat noch fünf Nächte im Park gebucht und wollte mal sehen, wie diese kritische Stelle nach dieser Starkregennacht aussieht. Auch er ist ratlos und weiß nicht, wie wir am besten hier durchkommen sollen. Die Wege verändern sich von Jahr zu Jahr, weil bei jeder Überschwemmung Wagemutige eine neue Umfahrung ausprobieren – und dabei nur allzu oft steckenbleiben. Er verrät uns, an welchen Campingplatz er steht. Falls wir nicht durchkommen, können wir zu ihm kommen und auf seinem Platz mit übernachten. In diesem Moment kommt der Service-LKW des Parks. Die Fahrer sagen uns, wir sollen ihnen folgen, sie würden während der kritischen Stellen auf uns warten und uns zur Not rausziehen.

So ein Angebot schlagen wir natürlich nicht aus. Und oh weh – sie fahren die Strecke, wo Kathrina sich vorhin schon festgefressen hat, in einem Affentempo, mit oft fast durchdrehenden Reifen. Sie haben einen modernen Fuso, allerdings mit viel kleineren Reifen als Kathrina. Wir sollten also etwa gleichgut durchkommen. Wir vertrauen auf sie und folgen ihnen – und kommen diesmal durch. Doch hundert Meter weiter bleiben auch sie beinahe stecken, wir müssen wenden. Sie finden einen Platz, an dem das gut geht. Wir schaffen also beide das Wendemanöver und fahren wieder durch den sehr tiefen Schlamm zurück. Nun probieren sie einen anderen Weg aus. Wir hinterher. An einigen Stellen rutschen sie ganz schön, Kathrina hält sich dann etwas weiter links oder rechts und kommt gut durch. Unterm Strich ist Kathrina wohl das überlegene Fahrzeug, aber wir Fahrer haben im Gegensatz zu den Rangern die Streckenkenntnis nicht, und hatten bisher auch noch nie solch seifigen Schlamm erlebt. Wir sind heilfroh, dass sie vorbeikamen. Zufall? Nein: Vorsehung! Irgendwann geben die Ranger dann Gas und warten nicht länger auf uns. Wir hätten uns gern verabschiedet und bedankt, aber sie haben es wohl eilig, und wir gehen davon aus, dass der schlimmste Teil der Piste nun hinter uns liegt. So ist es dann auch. Wir haben zwar an manchen Stellen noch etwas zu kämpfen, aber es gibt nun nur noch eine Fahrspur und nicht mehr das sumpfige Wegegewirr, in dem wir uns zu Beginn festgefahren hatten. Zwei Stunden hatte die Hinfahrt auf der trockenen, tiefsandigen Piste gedauert. Nach fünf Stunden Schlamm-Fahrt erreichen wir nun das Tor. Alles ist glimpflich ausgegangen: Festgefahren – aus eigener Kraft wieder rausgekommen – dann wurden wir durch den schlimmsten Teil geleitet – und konnten dann in entspanntem Kathrina-Tempo die letzten dreißig Kilometer allein meistern.

Einerseits hätten wir auf dieses Erlebnis gern verzichtet. Aber andererseits hätten wir dann nicht behaupten können, in der Regenzeit in Afrika gewesen zu sein.


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