Vollmondnächte am Fuße von Chimborazo und Cotopaxi

Vollmondnächte am Fuße von Chimborazo und Cotopaxi

1.-4. Februar 2018

Der Chimborazo hat uns aus der Ferne schon immer begeistert: Alexander von Humboldt ist im Jahre 1803 fast bis auf seinen Gipfel gekommen, konnte seine Höhe dabei recht genau vermessen, und er wurde lange Zeit für den höchsten Berg der Erde gehalten. In gewisser Weise stimmt das auch noch heute: obwohl er „nur“ etwa 6.300 m über dem Meeresspiegel liegt, ist sein Gipfel dennoch weiter vom Erdmittelpunkt entfernt als derjenige des Mount Everest, da die Erde ja bekanntlich keine Kugel ist, sondern eine Kartoffel, die am Äquator am dicksten ist.

Wir sind keine Gipfelstürmer, und uns war klar, dass uns eine fröhliche Wanderung am Fuße dieses faszinierenden Vulkans vollauf genügen würde. Nur eines machte uns stutzig: Der Gipfel liegt tagsüber fast immer in Wolken, wenn man Glück hat, kann man ihn nachts und frühmorgens sehen. Und wir hatten Glück!

Am ersten Februar fahren wir auf den Chimborazo zu. Mit dem Hano ein mehrstündiges Vergnügen. Den gesamten Nachmittag über sehen wir eigentlich nur die Wolken, unter denen sich der Vulkan verbirgt. Als wir abends in der Casa Condor am Fuße des Chimborazo ankommen, einigen Zimmern, die von einer indigenen Gemeinschaft bewirtet werden, und die auch Camper aufnehmen, ist der Gipfel immer noch nicht zu sehen. Wir wollen gerade anfangen, das Abendessen zu bereiten, als kurz vor Sonnenuntergang die Wolken aufreißen und den Blick auf die Kraterregion freigeben. Schnell packen wir Kamera und Stativ aus und beziehen auf einer nahegelegenen Alpaka-Weide Stellung. Der Vollmond geht mit Sonnenuntergang auf und taucht den Chimborazo in ein mystisches Licht. Was für ein Naturschauspiel! Und was für ein Glück!

In der Nacht und auch am nächsten Morgen ist der Gipfel noch zu sehen, dann hüllt er sich wieder in Wolken – bis wir abreisen. Wir machen tagsüber eine Wanderung querfeldein auf einen nahegelegenen Hügel und steigen dabei von 3.800 m auf über 4.200 m auf. Wir sind ganz verwundert, dass unsere Höhenkondition nach den vielen Wochen unterhalb 1.500 m noch so gut ist, aber das Hochsteigen geht selbstverständlich nur mit Pausen, dafür ohne Herzrasen vonstatten. Das schöne Gipfelfoto bekommen wir tagsüber aber nicht, dafür erfreuen wir uns an dem üppigen Ichu-Gras, wundersamen Kakteen und sonstigen Pflanzen. Hier in Äquatornähe ist die Natur auf rund 4.000 m Höhe weit grüner und üppiger als beispielsweise am Titicaca-See.

Als wir am Spätnachmittag zurück kommen, wundern wir uns über den Reisebus und die vielen Autos, die wir schon von Weitem gesehen haben. Sie haben jedoch keine Touristen gebracht, sondern Indigenas aus der Umgebung. Heute findet ein Treffen aller indigenen Communidades statt, die auf der Westseite des Chimborazo ansässig sind. Diese Treffen finden zwei bis dreimal im Jahr statt – und heute in dem Haus, neben dem der Hano steht!

Wir sehen die Frauen mit ihren weiten Röcken, Wollstrümpfen und den bunten Tüchern um die Schultern oft draußen stehen. Die Männer sind größtenteils moderner gekleidet: Jeans, T-Shirt und Poncho. Eine spannende Stimmung, auch wenn wir das Geschehen nur von außen verfolgen. Sie wollen nicht fotografiert werden, und das respektieren wir. Ein Auto hat Probleme mit der Bremsleitung, und Torsten hilft mit Rat, Tat und Werkzeug aus. Am Morgen hatten wir noch die Alpakas von einer Weide mit auf die nächste getrieben. Ich frage die Frauen, aus was ihre bunten Tücher sind. Die ernüchternde Antwort: die meisten sind aus Synthetik. Die Schafswolle färben sie in den bekannten bunten Farben ein, Alpaka belassen sie meist in Naturfarben oder färben es in gedeckten Farben. Selbst tragen sie eher die (preiswerteren und) schnelltrocknenden Synthetiktücher. Die Wollsachen versuchen sie zu verkaufen, weil das viel Geld für die Communidades bringt. Nur an besonderen Festtagen tragen alle ihre originale Wollkleidung.

In der nächsten Nacht und am nächsten Tag hängt der Chimborazo voll in Wolken, wir hatten also am ersten Abend riesiges Glück!

Auf geht es zur Kraterlagune Quilotoa. Bei unserer Ankunft regnet es, am nächsten Morgen ist sie aber frei. Wir steigen vor dem Frühstück auf bis zu dem ersten Mirador und warten auf den Sonnenaufgang. Ein wunderschönes Schauspiel. Es ist ein klarer sonniger Tag, daher verzichten wir auf die Kraterumrundung und fahren weiter Richtung Cotopaxi. Mit knapp 5.900 m Höhe der zweithöchste Berg Ecuadors, und der höchste frei stehende aktive Vulkankegel der Erde. Allerdings liegt er 150 km Fahrstrecke entfernt, und die Sonne reicht bei ihm nur bis auf etwa 4.000 m Höhe. Wir fahren eine abenteuerliche Piste Richtung Refugium, auf 4.590 m finden wir unterhalb des Refugiums einen guten Parkplatz. Den Cotopaxi sehen wir an diesem Tag nicht. Und alle anderen, die sich mit ihrem Auto so weit hoch quälen, fotografieren – in Ermangelung der Sicht auf den Vulkangipfel – den Hanomag! Wir jedoch haben den Vorteil, dass wir abends nicht in unsere Unterkunft zurück fahren müssen. Wir beschließen einfach, hier zu übernachten. Unser höchster Übernachtungsplatz bisher!

Um Mitternacht wachen wir auf, die Blase spannt. Wir haben wegen der Höhe viel Wasser getrunken und eine leckere Suppe im Dampftopf gekocht. Und was sehen wir beim Blick aus dem Fenster? – Den Cotopaxi im aufgehenden Mondlicht! Was für ein Anblick! Das aufgehende Mondlicht hat eine viel stärkere Plastizität als das Mondlicht später um 05:00 Uhr, als der Mond im Zenith steht. Also angezogen (weil es schnell gehen soll, unsere Tageskleidung), Kamera und Stativ ausgepackt, und nichts wie raus zum Fotos machen! Zum ersten Mal seit wir in Südamerika sind, sehen wir auch den großen Wagen – und der steht Kopf! Das Refugio ist erleuchtet, ich habe gelesen, dass die Seilschaften um 01:00 aufsteigen, um einerseits die klaren Phasen in der Nacht zu nutzen und weil andererseits der Schnee nur bis kurz nach Sonnenaufgang genügend Festigkeit bietet, um ihn begehen zu können. Als wir die ersten Taschenlampen draußen sehen, wissen wir, das es gegen 01:00 Uhr sein muss. Wir sind also eine Stunde lang bei -6 Grad Celsius draußen gestanden und merken plötzlich, dass Hände und Füße nur noch Eisklötze sind. Also nichts wie rein in die Schlafsäcke. Da machen wir die schmerzliche Erfahrung, dass Schlafsäcke nur isolieren, und nicht wärmen. Der Schlafsack hindert also eher die Luft im Hanomag, auf den gefühlten Gefrierpunkt am Ende unserer Arme und Beine herunterzukühlen, als dass uns wohlig warm wird. Aber der eindrucksvolle Anblick war das Frieren allemal wert!

Am nächsten Morgen stehen wir früh auf und genießen nochmal den schönen Anblick, doch als wir gegen 08:00 Uhr losfahren, zieht sich schon wieder der Nebel zu. Die entgegenkommenden Fahrzeuge haben Pech gehabt…


Comments are closed.