Warten auf die Radnabe – Minenstreik und Truthähne

Warten auf die Radnabe – Minenstreik und Truthähne

19.-22. Januar 2018

 

Um es vorweg zu nehmen – wir warten noch bis heute (Veröffentlichungsdatum).

Am Freitag, den 19. Januar fuhren wir mal wieder so richtig Einkaufen, Gemüse auf dem Markt, Getränke im Supermarkt. Dann erhielten wir die Nachricht, dass der Zoll noch 48….72 Stunden für die Prüfung benötigen wird. Also war klar, dass wir das Wochenende herumreisen können, da läuft ja ohnehin nichts. Wir beschlossen, auf der Carretera Central weiter in die Berge zu fahren, und guckten uns „der“ Fernreiseapp IOverlander einige Übernachtungsplätze auf moderaten Höhen aus. Wir denken immer, wir haben den schlimmsten Verkehr schon kennen gelernt – und lernen doch tagtäglich hinzu. Die Carretera Central windet sich östlich von Lima in die Berge. Gleichzeitig ist sie Hauptverbindungsstraße in die Berge und voller sehr großer LKWs. Die wenigsten LKW-Fahrer allerdings kennen die Maße ihres Fahrzeugs, d.h. Sie schneiden vorsichtshalber mal alle Kurven, und von denen gibt es viele. Es ist also der Normalfall und nicht die Ausnahme, dass dir in der Kurve ein sehr viel schwereres Gefährt auf deiner Spur entgegenkommt. Was für eine entspannte Fahrt ins Grüne…

Darüber hinaus müssen wir feststellen, dass die meisten Seitenstraßen, die in GoogleMaps zu finden sind, den Regengüssen der letzten Jahre zum Opfer gefallen sind, es sind jeweils nur kurze Straßenreste übrig. Alle ruhigen Übernachtungsplätze sind also dem Zahn der Zeit zum Opfer gefallen. Auf 3.000 m Höhe hatten wir uns einen Trucker-Übernachtungsplatz ausgeguckt. Der liegt allerdings direkt an der Straße, sodass wir weiterfahren, in der Hoffnung, es müsse doch „demnächst“ eine ruhige Schlafgelegenheit zu finden sein. Die erste Gelegenheit bietet sich auf 4.150 m Höhe, wir biegen dann in Richtung einer Mine ab. Es ist schon dunkel, und wir finden weit ab von der großen Straße einen Parkplatz. Daneben steht ein Wächterhäuschen, etwas weiter zwei Minenarbeiter bei einer Tonne, in der ein Feuer glimmt, noch etwas weiter 10 Polizisten. Ich steige aus und frage den Wächter, der verweist mich auf die beiden Männer neben der Tonne. Erst als ich sie frage, ob wir hier übernachten dürfen, kapiere ich, dass die Mine bestreikt wird, und ich mit dem Streikposten rede. Lachend erwidern sie, dass wir hier willkommen und absolut sicher seien – sie würden die ganze Nacht hier stehen. Wir sind völlig erschöpft und froh, hier bleiben zu können – ruhig und sicher! Wir füllen die 80 Liter Trinkwasser, die wir gekauft hatten, in  unseren Wassertank und bringen der Streikwache die leeren Kartons zum Verbrennen – sie freuen sich über das bisschen zusätzliche Wärme, denn hier oben ist die Temperatur schon unter den Gefrierpunkt gesunken.

Am nächsten Morgen haben wir natürlich beide einen Brummschädel- Höhenkrankheit vom zu schnellen Aufstieg. Noch vor dem Frühstück fahren wir auf unter 3.000 m hinab, und als auch nach dem Frühstück der Kopf noch drückt, fahren wir wieder tiefer und finden  ganz in der Nähe von Lima eine Seitental mit einem Campingplatz. Der größte Teil des Platzes wurde im März 2017 von einer Flutwelle weggerissen. Aber da außer uns nur noch Jose mit seiner Suzuki und seinem Zelt da ist, reicht der übrig gebliebene Platz locker für uns alle.

Jose wohnt in Lima, ist aber während der Papst dort ist, aus der völlig irren Stadt hierher in die Ruhe geflohen. Glücklicherweise spricht er Englisch, und wir verbringen zwei super angenehme Tage. Wir lernen viel über Messerschliffe, Torsten verpasst gleich seinem Taschenmesser (mit dem Schleifstein) und unserem kleinen Beil (mit Generator und Flex) einen neuen Schliff. Wir unterhalten uns auch viel über die Peruaner – viele unserer Beobachtungen bestätigen sich, und er liefert uns viele Hintergrundinformationen, auch über die politischen Verflechtungen in Peru. Eine unserer tollsten und lehrreichsten Begegnungen auf dieser Reise!

Ganz so ruhig wie erwartet ist der Platz dann doch nicht: die Regierung hat ein dreiviertel Jahr lang nichts gegen die verheerende Verwüstung der Flut im letzten Jahr getan. Da jetzt aber erwartet wird, dass die starken Regengüsse in diesem Jahr schon im Januar und nicht erst im März einsetzen, „arbeiten“ die Bagger nun jeden Wochentag. Unter arbeiten versteht man hier, dass einige Männer  einen teuren Leica-Theodolit durch die Gegend tragen, ab und zu eine Peilung nehmen und KEINE Notizen machen. Zwei Bagger graben an einer ganz anderen Stelle eine schmale Rinne. Wir wundern uns, denn in der Rheinebene haben die Menschen über Jahrhunderte schmerzlich gelernt, dass das Flussbett breit sein muss, mit Buhnen, um das Wasser zu verlangsamen. Die meisten Arbeiter stehen herum, sie meditieren wohl über eine Problemlösung…

Das ältere Ehepaar, das den Campingplatz betreibt und mit Hilfe ihrer Söhne wieder aufbaut, hält sich noch einige Tiere, die uns regelmäßig einen Besuch abstatten: Vier Truthähne mit ihren Hennen und Jungen gockeln den ganzen Tag über den Platz. Insbesondere wenn wir ihr Gurren imitieren, schlagen Sie ihr Rad und geben alles Imponiergehabe von sich, das sie beherrschen. Eines der Schafe pirscht sich beim Frühstück an und versucht, meine Banane vom Teller zu klauen.

Wir bleiben einfach am Platz, um die Tiere abwehren zu können, und die spannenden Unterhaltungen mit Jose lassen uns auch den Baggerlärm vergessen.

Als wir am Montag früh abreisen, ist der Fluss schon wieder von einem kleinen Rinnsal zu einem breiten braunen Fluss angeschwollen – und er sucht sich natürlich sein eigenes Bett.

Und das Warten auf die Radnabe wird an anderer Stelle im nächsten Blogeintrag weiter gehen.


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