Der wilde Nordwesten Argentiniens

Der wilde Nordwesten Argentiniens

Mitte November 2017

Nach dem Touristenrummel in Purmamarca zieht es uns wieder in die Einsamkeit. Die nördliche Weinhauptstadt Argentiniens Cafayate lassen wir daher schnell hinter uns und fahren die bekannte “Ruta 40“ nach Norden, die nördlich Cafayate nur noch Piste ist. Möglicherweise liegt es daran, dass dort kaum Verkehr herrscht. Im Laufe von vier Tagen begegnen uns dort sechs Motorräder, der Geländewagen von Gabi und Hans, einem vor 30 Jahren nach Argentinien ausgewanderten Paar, das wir bereits in Bolivien getroffen hatten, – das waren vermutlich die Touristen. Ansonsten begegnen uns eher Traktoren und kleine Geländewagen, deren Fahrer beim übernächsten Acker halten und Feldarbeit verrichten. Entlang der Ruta 40 verläuft hier nämlich der Rio Calchaqui, an dessen Ufern fruchtbare Täler liegen, in denen sogar Trauben gedeihen. Der Fluss ist am Ende der Trockenzeit nur mehr ein kleines Rinnsal, aber das reicht, um die Felder zu bewässern, und die Regenzeit ist ja nicht mehr fern. Wir übernachten sichtgeschützt in kleinen Seitentälern, die jeweils völlig verschieden sind: Das erste zur Übernachtung auserkorene Tal ist wüstenartig, es gibt außer spannenden Felsformationen nur dornige, blattlose Sträucher, welche die Erkundung der Felsen stark erschweren. Das zweite Übernachtungstal nennen wir Eselstal, da sieben wilde Esel unter lautem Protest vor dem Hano davontrotten. Den ganzen Abend, bis in die Nacht hinein, stehen sie auf den umliegenden Hügeln und beschallen uns mit „I-Aaa“ sowie einem ärgerlichen Schnauben, wie ich es noch nie von Pferden oder Eseln gehört habe. Dieses Tal ist voller Bäume und Sträucher und duftet herrlich kräutrig – kein Wunder, dass die Esel hier gern hausen. Der dritte Übernachtungsplatz sieht auf den ersten Blick nicht sehr einladend aus – eine Stichpiste führt 150 m von der Hauptpiste weg und endet dort vor einer Felswand. Wir sind zwar von der Hauptpiste weg, fühlen uns aber etwas eingeengt – hatten wir doch die beiden letzten Nächte in einsamen weiten Tälern übernachtet. Das Engegefühl legt sich jedoch, als wir die Felswand hinaufklettern – und eine kleine mit Kandelaberkakteen bewachsene Hochebene vorfinden. Fast zwei Stunden wandern wir von Kakteen- Ebene zu Kakteen-Ebene, sanft geht es immer höher bergauf. Diese Übernachtungsplätze lagen alle auf 1.800 m bis 2.600 m. Am vierten Tag verbringen wir den Morgen in den Kakteen und wollen eigentlich wieder eine kurze Etappe fahren, bis wir plötzlich merken, dass wir schon auf einer Passstraße sind. Etwa alle vier Kilometer gibt es auf der einspurigen Piste eine Ausweichbucht, keine Seitenpisten. Wir müssen also über den Pass, obwohl es schon spät ist. Der Pass Abra el Acay ist laut Straßenschild 4.895 m hoch, laut Navigationssystem 4.950 m. Wie hoch er auch immer sei – es sind sehr viele Höhenmeter auf kurzer Fahrstrecke, auf einer engen einspurigen Piste, die sich in halsbrecherischen Serpentinen den Berg hinauf windet… Die dünne trockene Luft kühlt kaum, der Motor ist zwar willig, aber sehr heiß. Dann sehen wir vor uns einen kleinen weißen Wagen, der bei jedem Rinnsal hält und Wasser in den Kühler nachschüttet. Eine sechsköpfige Familie aus San Antonio de los Cobres, dem nächstgelegenen größeren Ort. Wir bleiben hinter ihnen – für den Fall der Fälle, und weil dem Hano die Ruhepausen auch gut tun. Torsten schneidet Ihnen eine neue Dichtung für den Kühlerdeckel, was ein wenig hilft. Als der Kühler wieder überkocht (reines Wasser kocht in diesen Höhen ja bei unter 80C) und gerade kein Bach in der Nähe ist, helfen wir mit Wasser aus, und Torsten bietet an, sie abzuschleppen. Wir finden an dem Auto jedoch keine Befestigungsmöglichkeit für unser Abschleppseil. Also geht es im Schneckentempo weiter bergauf, mit vielen Kühlungs- und Fotopausen. Im letzten Abendlicht erreichen wir den Pass (und machen ein „Passfoto“), die Argentinier fahren schnell bergab nach Hause, während wir uns im Dunkeln einen Übernachtungsplatz suchen. Endlich finden wir eine größere Parkbucht am Rande der Straße, an einem Murmelbach, in 4.200 m Höhe. Da hier nachts kein Verkehr herrscht, verbringen wir eine ruhige Nacht. Am nächsten Morgen tanken wir in San Antonio nochmal voll, bevor wir uns weiter in die Wüste begeben. Danach sehen wir tagelang kein Wasser mehr – nur form- und farbschöne Berge, aus denen früher  verschiedene Mineralien oder Schwefel gefördert wurden. Die meisten Minen sind geschlossen, einige Orte, die noch auf der Landkarte verzeichnet sind, sind seit Jahrzehnten aufgegeben – mehrere Geisterstädte auf engem Raum! Dank der Salare, den oberflächlich ausgetrockneten Salzseen, aus denen Lithium gefördert wird, gibt es doch noch einige bewohnte Siedlungen. Wir wären gern noch länger in dieser herrlichen leeren Landschaft geblieben, in der wir an manchen Tagen nur von Weitem ein Auto sahen – aber wir konnten die Piste nach Süden zum nächsten bewohnten Ort nicht sicher finden, und sind wegen der schwindenden Diesel- und Wasservorräte sicherheitshalber umgekehrt. In diesem wunderschönen und wilden Landstrich Argentiniens warten auf einer nächsten Reise oder in einem nächsten Leben noch weitere Abenteuer auf uns!

 


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