Ruaha-Nationalpark 9.2.2022

Ruaha-Nationalpark 9.2.2022

„Der Ruaha ist wegen seiner isolierten Lage einer der am wenigsten besuchten Wildparks Tansanias. Über Straßen ist er kaum zu erreichen, …“ steht in unserem Safari-Reiseführer. Die Piste, die dorthin führt, wird in der iOverlander App als „never ending dirt road“ bezeichnet.

Wir befragen Kathrina, ob sie uns dorthin schaukeln will, und sie brennt nach so vielen Teerstraßen in Sambia (mehr Loch als Teer…) und Tansania (gut geteert, aber unübersichtliches Verkehrstreiben) wieder auf ein Abenteuer auf von der Regenzeit ausgewaschenen Pisten mit weit mehr Fußgängern als motorisierten Verkehrsteilnehmern.

Also nichts wie hin! Dass wir nur vier Stunden für 70 Kilometer gebraucht haben, zeigt doch, dass die Piste nicht durchgehend ganz so schlimm war. Wo sie aber schlimm war, haben wir alle drei gebangt, die Luft angehalten und uns bei Schräglagen alle auf eine Seite gelehnt, um nicht zu kippen… Auf dieser Piste haben wir auch die ersten Massai gesehen. Zuerst kam eine riesige Herde von Rindern, dann die ersten hochgewachsenen schlanken Hirten in ihren langen Roben mit Gürtel und Schwert, mit langen Wanderstöcken und charakteristischem Schmuck. Eine Szene aus einer anderen Zeit, einer anderen Welt. Zwei dieser stolzen Hirten waren jedoch in der Moderne angekommen – sie hielten bettelnd uns die Hand hin.

Spätabends finden wir kurz vor dem Parkeingang eine wunderbare Bleibe in der Ruaha Hilltop Lodge – von der schlimmen Piste geht es noch zwei schaukelige Kilometer durch teilweise tiefhängendes Gestrüpp den Berg hinauf. Oben genießen wir eine phantastische Aussicht auf den Nationalpark, der sich von 750…1.868 m.ü.N.N. erstreckt. Die Hügel im Park gehören zum östlichen Arm des Großen Afrikanischen Grabenbruchs. Von der Bar aus kann man viele davon im letzten Abendlicht bewundern, bei einem – nein zwei – „Kilimanjaro“-Bieren. Weder der Besitzer noch die Angestellten haben jemals ein solches Heim auf vier Rädern wie unsere Kathrina gesehen, sie sind nicht auf Campinggäste eingestellt, heißen uns aber herzlich willkommen („Karibu“) und lassen uns hocherfreut über den unerwarteten Besuch auf dem Parkplatz übernachten.

Die wilden Pisten im Nationalpark ersparen wir Kathrina – wir gönnen ihr einen Ruhetag und uns am nächsten Morgen einen Fahrer und einen Safari-Führer, die uns gleich bei Tagesanbruch in deren Landcruiser in die zauberhafte Landschaft entführen. Von der offenen, zugigen Pritsche aus sehen wir viele Impalas, Kudus, Rappenantilopen und auch einige der mini-kleinen scheuen Dik-Diks. Letztere immer paarweise, sie bleiben ein Leben lang zusammen. Im Fluss lungern und schnauben einige Hippos, ein Krokodil schwimmt vorbei. Da fällt Moses, unserem Safari-Führer, plötzlich auf, dass wir ganz dicht am Ufer stehen. Ich hatte nach Hippo-Spuren gefragt, und er hat sie uns gezeigt – die Abdrücke der vier dicken Zehen im Uferschlamm und einige Hippo-Haufen, die selten sind, da die Hippos ihren Dung normalerweise mit den Schwänzen versprühen und so ihr Revier sowie ihre nächtlichen Wanderwege markieren. Über unser Interesse hat er ganz vergessen, dass man im Park ja das Auto nicht verlassen darf. Schnell entern wir also wieder auf, vollzählig, niemand vom Krokodil verspeist. Dann sehen wir einige Giraffen mit ungewohnt straffem Fell (die bisherigen Giraffen waren allesamt sehr faltig gewesen) und ganz „ausgefransten“ braunen Flecken – die Massai-Giraffen, die hier in Tansania und in Kenia vorkommen. Für Nervenkitzel sorgen auch zwei große männliche Löwen mit schwarzer Mähne, also nicht die „kleinwüchsigen“ braunmähnigen Löwen aus dem Etoscha-Park. Ganz dicht fährt Patrick, unser Fahrer, an sie heran, und unser anfänglicher Nervenkitzel (offene Pritsche versus geschlossene Kathrina) legt sich schnell, als sie sich zärtlich zusammen kuscheln, die Wangen aneinander reiben, und einer der Beiden sich auf den Rücken dreht und sich – vom anderen Löwen, nicht von uns – am Bauch kraulen lässt. Trotz der imposanten Größe sind es also doch nur verspielte Schnurrkater… Wir sehen auch einige Elefantengruppen. Da der Ruaha-Fluss in diesem Jahr trotz Regenzeit sehr wenig Wasser führt, zieht die größte Elefantenpopulation Tansanias, die hier ansässig ist, nicht wie sonst in großen Herden, sondern in kleinen Gruppen durch den Park, denn die verstreuten Pfützen, welche die Tiere in diesem Jahr vorfinden, würden für den Durst einer großen Herde nicht ausreichen. Im Gegensatz zum Addo oder Etoscha wurden hier keine künstlichen Wasserlöcher angelegt, um das Wild an bestimmte Orte zu locken, die Tiere haben hier also wirklich nur die natürlichen Wasser- und Futterquellen. Der Park ist auch nicht eingezäunt, die Tiere können also nach Herzenslust (oder besser gesagt nach dem Futterangebot) ein- und auswandern. Daher ist hier die kundige Führung sehr hilfreich für die Tiersichtungen.

Landschaftlich sind wir auch völlig hingerissen. Dichte Wälder wechseln sich ab mit Savannen, Flussbetten und offenen Hügellandschaften. Der Tag ist wolkenverhangen, wir haben also nicht die starken Kontraste und Schatten eines Sonnentages, sondern genießen die zarten Farbtöne und das gleichmäßige Licht. Nur während des Mittagvespers regnet es, danach geht es auf den nass gewordenen Pritschen weiter. Erstmalig sehen wir viele der skurrilen Baobabs, deren Stämme nicht selten mehr als 4 m Durchmesser haben. Der Baobab oder Afrikanische Affenbrotbaum ist eine sukkulente Pflanze, die in ihrer Rinde Wasser speichert. Viele Wüstenbewohner zapfen in der Trockenzeit direkt den Wasservorrat der Bäume an, um ihren Flüssigkeitsbedarf zu decken. Aber auch Elefanten nutzen den Wasserspeicher, indem sie die Rinde der Baobabs aufbrechen, um an die feuchten Fasern im Bauminnern heranzukommen. Dabei entstehen große Hohlkörper, viele der Baobabs haben also „Fenster“, durch die man hindurchsehen oder gar -klettern kann, und die früher von den Buschleuten als Vorratsspeichesr oder Verstecke genutzt wurden.

Voll neuer Eindrücke und neuem Wissen kommen wir abends auf die Lodge zurück, erzählen Kathrina von unseren tollen Abenteuern und den schrecklichen Pisten, und lassen diesen tief beeindruckenden Tag bei einem „Safari-Lager“ auf der Veranda ausklingen, mit versonnenem Blick auf den Park.

Der Abschied vom Lodge-Team am nächsten Morgen dauert weit über eine Stunde. Kathrinas Innenleben wird besichtigt und bestaunt: Küche, Ess-, Wohn- und Schlafzimmer, Bad, Bibliothek, Ersatzteillager und Werkstatt – alles auf so kleinem Raum. Patrick klettert ins Führerhaus – und stellt erstaunt fest, dass rechts kein Lenkrad, sondern der Beifahrersitz ist. Dann fotografieren sie Kathrina vor der Lodge – jeder muss mal fotografieren, jeder darf sich mal davorstellen. Da es regnet all dies mit bunten Regenschirmen. Nie zuvor hatten wir uns so willkommen und von Herzen aufgenommen gefühlt. So werden uns die Tage im Ruaha-Gebiet nicht nur wegen des großartigen Parks, sondern auch wegen der intensiven menschlichen Begegnungen in Erinnerung bleiben.


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