Das Bild verrät es schon: Ein Elefantenbulle. Die größten Exemplare können laut Lehrbuch bis zu 4 Meter hoch und 7 Tonnen schwer werden. Dieser hier war nur „gleichgroß“ wie Hano, aber beeindruckend, als er 50 cm vor der Motorhaube entlangschreitet, um uns zu zeigen, wer hier der Herr ist.
Nun von vorn, und ein kleiner Exkurs zum Thema Camping in Südafrika: unsere erste Station nach Port Elizabeth war der Addo Elefanten Park, etwa 60 km nördlich von PE. Mittags geben wir den Mietwagen am Flughafen ab und schweben dann mit Hano nach Norden. Nun beginnt der eigentliche Teil der Reise! Wir haben nicht vorgebucht, und erwischen den letzten Zeltplatz, denn es ist Freitag nachmittag und das letzte Wochenende der Schulferien – und Nationalpark! Die Zeltplätze sind 3,5*4,5 m² groß, aber der letzte ist etwas länger, und wir erobern ihn mit Hano, er zieht die Schnauze ein. Drei Campingplätze später unterhalten wir uns mit einem netten südafrikanischen Rentnerehepaar, die ganz verwundert sind, dass wir nicht vorbuchen. Sie campen ihr Leben lang und haben immer vorgebucht, weil die Campingplätze dies so wollen. Sie halten es für ein Wunder, dass wir ohne Buchung einen Platz bekommen haben, und das auch noch wiederholte Male. Bisher aber hatten wir Glück: Die Campingplätze, auf denen wir waren, hatten immer noch ein Plätzchen frei. Im Groendal Wilderness Reserve waren wir sogar zwei Nächte lang die einzigen Gäste, und in den Nationalparks macht sich Hano dünn und passt auf einen Zeltplatz. Da der Frühling zögerlich kommt (6°C morgens beim Aufstehen), sind noch nicht viele Zelter unterwegs. Wir hingegen fanden ganz andere Dinge erstaunlich: Am ersten Abend komme ich in den Addo-Camping-Waschraum und höre, wie sich jemand ein Bad einlässt. Ich will meinen Ohren nicht trauen, aber neben der verschlossenen Tür mit dem unerwarteten Plätschergeräusch ist eine zweite Kabine mit einer Badewanne. Meine Augen glaube ich nun. Zwei Badewannen, zwei Duschen – dies sind die typischen Einrichtungen auf den südafrikanischen Campingplätzen. Torsten berichtet, dass es bei den Männern meist eine Badewanne und drei Duschen gibt. Und alle netten Leute, mit denen wir uns unterhalten, hoffen auf den Regen, denn die Wasserspeicher sind leer am Ende der Trockenzeit – und lassen sich dann ihr Bad ein. Wir haben die Dusche im Hano so ausgelegt, dass wir im Extremfall mit 2 Litern pro Person auskommen. Soviel zu den Campingplätzen, die es in realiter gibt. Dann sind wir heute auf dem zweiten Camingplatz angekommen, der nur auf der Landkarte, nicht aber in der Landschaft existiert. Diese Plätze sind auf ganz andere Weise willkommen: Denn hier müssen wir im totalen Niemandsland frei übernachten. Das ist der eigentliche Hano-Alltag wie wir ihn lieben – wo es dir gefällt, bleibst du einfach – wir haben ja immer alles dabei. Ein Luxus, den wir uns in diesem Land wirklich nur fern von jeder Zivilisation leisten. Die Situation nahe den Städten können wir einfach zu schlecht abschätzen, unser Bauchgefühl rät uns dort fast immer von einer Rast ab…
So nun zurück zum Addo Park. 3,5 Tage verbringen wir hier – es ist traumhaft. Ein bisschen merkt man, dass der Park künstlich angelegt wurde. Es wurde nicht ein natürliches Wildreservat eingezäunt, sondern ein Stück recht leeres Land, auf dem die Tiere wieder angesiedelt wurden, die hier ursprünglich mal gelebt hatten, als die ersten Siedler kamen – und eben ganz viele Elefanten zusätzlich, ca. 250 Individuen. Das macht ihn auf der einen Seite etwas unnatürlich, garantiert aber mannigfaltige Elefantensichtungen. Insbesondere im Nordteil des Parks ist rechts und links der Straße dichtes Buschwerk von ca. 2 m Höhe. D.h. viele PKW-Fahrer fahren an den Elefanten im Busch vorbei, ohne sie zu bemerken. Mit der erhöhten Sitzposition im Hano überblicken wir die Landschaft gut, und entdecken schon am ersten Nachmittag über 10 Elefantenrücken nahe der Straße. Wenn man stehen bleibt und den Motor ausmacht, hat man oft das Glück, dass sie auf die Straße kommen, denn die dichten Dornenbüsche sind sehr pieksig. Ich bin völlig erstaunt, dass auch die kleinsten Elefantenkinder sich da durchzwängen.
Im Südteil des Parks wird das Buschwerk etwas lichter, es gibt kleine Ebenen, auf denen wir vor allem Zebras und verschiedenste Paarhufer sehen. Am zweiten Tag machen wir uns gegenseitig noch etwas umständlich auf diese Tiere aufmerksam, beispielsweise „Auf 11:00 Uhr eine Gruppe grauer Paarhufer mit schwachen schwarzen Streifen auf dem Rücken und 2 Korkenzieher-Windungen auf dem Kopf“. Abends schauen wir in unserem Tierbuch nach und sagen am dritten Tag dann schon ganz fachmännisch: „Kudu“ zu diesen Tieren. Das ist deutlich kürzer und somit hat der andere eine realistische Chance, sie noch rechtzeitig zu sehen, bevor der Redeschwall und Hano vorbei sind… Neben all diesen unterschiedlichen Tieren (Elands, Büffel, Schakale, Hyänen, viele viele Vögel etc.) stehen natürlich die Elefanten im Vordergrund. Nicht nur, weil sie sehr viele sind und sich die besten Plätze an den Wasserlöchern sichern, sondern auch, weil ihre Interaktionen so vielfältig sind.
Der Campingplatz ist umzäunt und von den wilden Tieren so halbwegs abgeschottet, wobei wir auch dort Meerkatzen und Ducker am Hano hatten. Von 6:00-18:00 Uhr darf man in das eigentliche Wildreservat einfahren. Das gibt auch den Tieren 12 Stunden Atempause… An Tag 2…4 fahren wir um 6:00 Uhr (zur Öffnungszeit) in das Wildreservat ein und verbringen jeweils mehrere Stunden an einem Wasserloch. Am vierten Tag wollten wir nur kurz nochmal reinfahren, um Abschied zu nehmen – und harren 6 Stunden an einer Stelle aus! Hier ist der Hano gegenüber den PKWs auch wieder im Vorteil: wir haben nicht nur jeder einen Sitz, sondern die beiden Vordersitze und den hinteren Aufbau. Dort kann Torsten den Tisch abräumen, sein Stativ aufstellen, wir können vespern, oder ein Nickerchen machen – natürlich mit einem offenen Auge, falls wieder etwas Spannendes passiert.
Kurze Notizen vom letzten Tag:
7:04 Uhr kommt ein Schakal, trinkt kurz, zieht dann weiter.
7:39 kommt der erste Elefant mit Familie zum Trinken, gegen 8:00 ziehen sie weiter.
8:10 ein Strauß, dann zwei Warzenschwein-Paare, ein Reiher.
8:20 zieht ein Kudu ohne zu trinken vorbei.
8:35 kommt die zweite Elefantenfamilie – und ab dann gibt es ein ständiges Kommen und Gehen der Familien und Gruppen. Als wir uns um 13:00 Uhr endlich losreißen, sieht man auf allen umliegenden Hügeln Elefanten kommen oder gehen.
Die meisten Gruppen trinken zunächst im vorderen Loch. Das dauert ca. 30 Minuten. Wenige Meter von dem Loch wird dann das kleine und große Geschäft verrichtet. Über das große Geschäft schreibt das Tierbuch mit biologischer Exaktheit: 3…5 zylinderförmige Haufen alle 1,4 Stunden. Dann geht es weiter zum hinteren Loch, wo das Baderitual eingeläutet wird. Zuerst feuchten sich die Tiere mit dem Rüssel an. Einmal vollsaugen und die linke Seite naßspritzen. Dann den Bauch, dann die rechte Seite. Nach 10…20 mal Spritzen ist die Haut dann auf das Bad vorbereitet. Die massigen Tiere gehen auf die Knie und rutschen vorsichtig ins kühle Nass. Dann gibt es kein Halten mehr: mit dem Rüssel wird solange ins Wasser geschlagen, bis es ein richtig dicker Schlamm ist. Einige tauchen fast ganz unter und halten den Rüssel als Schnorchel zum Luftholen hinaus. Andere suhlen sich von allen Seiten im Schlamm. Einige sind nach wenigen Minuten ausreichend eingeschlämmt, andere gönnen sich diese Wonne eine halbe Stunde lang. Dann vorsichtig wieder auf den Knien hinaussteigen. Insbesondere die kleineren Jungtiere benötigen dazu mehrere Anläufe, und rutschen mehrfach wieder hinein. Nach dem Abrutschen zunächst ein verängstigtes Quieken, dann wird aus der Situation Profit gezogen und vor dem nächsten Anlauf noch eine Runde im Schlamm gesuhlt. Ein faszinierendes Schauspiel! Und dann kommen die halbstarken Männchen! Richtig ernste Kämpfe tragen sie nicht aus, aber sie üben mit gegenseitigem Imponiergehabe das echte Mannsein. Die halbstarken Formen davon sind: Köpfe aneinander drücken, und die Länge der Stoßzähne und des Rüssels vergleichen. Den anderen mit dem Kopf oder dem Rüssel wegdrücken – wer zuerst ausweicht, unterliegt – und versucht es natürlich nach wenigen Minuten erneut.
Die Elefantenkinder schauen sich das Schauspiel an und imitieren es – gewissermaßen der Abklatsch des Abklatsches. Sie rangeln entweder untereinander – oder üben sich im Vertreiben kleinerer Tierarten, bei denen auch die ausgewachsenen Tiere kleiner oder zumindest leichter sind als sie. Ein Elefanten-Junge, der eben noch an Mutters Brust getrunken hat, entdeckt zwei Warzenschweine, die trinken wollen und sich vorsichtig nähern. Mit gewaltigem Ohrenschlackern (das ihn beinahe ausrutschen lässt), erhobenem Rüssel, und fast furchteinflößendem Vor-Stimmbruch-Tröten macht er ein paar Schritte auf die Warzenschweine zu, die daraufhin abhauen und sich später unbemerkt ans Loch schleichen, als sich die Elefanten miteinander beschäftigen. Auch die Zebras werden vertrieben – sie müssen eine halbe Stunde warten, bis sie kurz zum Wasser dürfen, und dann wieder vertrieben werden. Teilen ist offensichtlich nicht Elefanten-Wesensart, zumindest nicht mit anderen Tierarten. Ein mini-kleiner Elefant und ein normal-kleiner rutschen aufeinander herum – zuerst auf dem Boden, dann im flachen Schlamm. Wenn es dem mini-kleinen zu doll wird, stößt er ein herzerweichendes Quieken aus. Dann kommen sofort die halbwüchigen Geschwister und sorgen bei den Kleinen für Ordnung. Sobald er sich erholt hat, neckt der mini-Kleine seinen Freund wieder, und das Aufeinander-Rumrutschen geht wieder von vorne los.
Die Rüssel sind Multifunktions-Werkzeuge: Trinken, Schlammspritzen, Tröten hatten wir ja schon erwähnt. Sie dienen aber auch zur Begrüßung, zum Anstupsen, zum Festhalten an Mutters Schwanz, natürlich zum kleine-Blätter-von-dornigen Sträuchern-Abreißen, und auch zum Zähneputzen: einige Männchen stülpen sich den Rüssel über ihren Stoßzahn.
Immer, wenn wir denken „jetzt kennen wir alles, was Elefanten machen“, passiert etwas Unvorhergesehenes. So könnten wir weiter beobachten und weiterschreiben bis ans Ende aller Tage – aber wir reißen uns los und starten ins nächste Abenteuer!